Ein Jahrhundert Bildung – Kulturbau restauriert

20. Juni 2017 Mehr

Die Architekten Ricardo Flores und Eva Prats haben einen ca. hundert Jahre alten Kulturbau in Barcelona restauriert und zu einem zeitgemäßen Kulturzentrum verwandelt. Zitate, Erinnerungen und neue, konstruktive Elemente verbinden sich raffiniert in dieser Architektur, die einen weiteren Identitätsfaktor in der wachsenden, kreativen Szene der Stadt darstellt.

 

 

Konsum, Kultur und Bildung waren große Anliegen der Arbeiterbewegung im Spanien der 1920er Jahre. Um diesen Wünschen gerecht zu werden, errichtete man in Barcelona, in Poblenou im Bezirk Sant Martí, die Konsumgenossenschaft „Pau i Justicia“. Der heute unter dem Namen „Sala Beckett“ bekannte Kulturraum, den die Flores & Prats Architects restauriert und für die Nutzungen Theater, Tanz und Experimente in einen zeitgemäßen Zustand gebracht haben, ist in seinem Inneren von einer außergewöhnlichen Lebhaftigkeit und voll von überraschenden Bezügen und Zitaten zur Geschichte. Man könnte ihn auch als Museum einer sozial(istisch)en Kulturentwicklung bezeichnen.

 

 

Im November 2016 wurde das Gebäude in Poblenou wiedereröffnet. Es befindet sich in einem Industriegebiet, das schon durch die Olympischen Spiele 1992 große Veränderungen erfahren hat und nun durch die Ansiedlung einer Kreativszene und zahlreicher Künstler zu neuem Leben erwacht. Der Entwurf der Architekten Ricardo Flores und Eva Prats reflektiert die vielen Erinnerungen der industriellen Vergangenheit des Ortes. Die beiden sahen ihre Aufgabe aber nicht in einer Restaurierung im Sinn der Wiederherstellung, sondern eher in einer Neunutzung vorhandener Substanzen und der Adaptierung der Räume, unter Einbeziehung der sich überlagernden Schichten der Zeit. Sie nahmen also das „Ruinöse“ mit in die Zukunft und machten es zu einem Mitspieler in der Architektur. Die große Herausforderung war für sie eine Neunutzung, ohne den Geist der Geschichte zu verbannen. Diese Erneuerung kann man auch als ein Beispiel für ein „upcycling“ einer verbrauchten, architektonischen Substanz im Sinne der Nachhaltigkeit sehen.

 

Am oberen Ende des Stiegenaufganges findet man eine gekonnte Mischung aus Alt und Neu, Zitate, Relikte und Modernismus.

 

Das Design entwickelt sich aus den räumlichen und dekorativen Qualitäten der existierenden Bauteile und Strukturen. Diese wiederum sind ein Teil der Identität, welche die Stadt Barcelona in der Zeit der aufkommenden Arbeiterbewegung mit ihrem drängenden Wunsch nach Unterhaltung entwickelt hatte. Signifikante Elemente der Geschichte sind sorgfältig erhalten und wieder eingebaut worden – Türrahmen, bunte Fliesen, Fensterrosetten, Ziegelmauerwerk und Stuckverzierungen. Es ist aber keine einfache Wiederverwendung von Zitaten, sondern eine auf intensiven Studien der historischen Charakteristika beruhende Arbeit, dokumentiert in zahlreichen Zeichnungen und Modellstudien. Die Anmutung der Architektur und der Formensprache ist die eines Baus des späten Kubismus, vermischt mit Art déco und organischen Elementen. Durch die sichtbar gelassenen Zeichen des Verfalls bietet sich eine Mischung aus Dekadenz, „Shabby Chic“, Bohème und perfekt Neuem. Dazwischen immer wieder konstruktiv technisch hervorragend gelöste Details wie Deckenauswechslungen, die durch filigrane Tragsysteme gelöst sind.
Ganz wichtig war für die Architekten die Lichtführung. So ergeben sich fast magische Momente im Stiegenbereich, wenn sanft gefiltertes Licht von oben die Besucher zu den Aufführungsorten geleitet.

 

 

Das Gebäude befindet sich an der Kreuzung Carrer de Pere IV und Carrer de Batista im Zentrum von Poblenou und eine Öffnung an der Ecke der Architektur lässt die im Inneren stattfindenden Aktivitäten nach außen sichtbar und zugänglich werden. Die meisten Räume befinden sich auf der Eingangsebene und sind dementsprechend für öffentliche Aktivitäten ausgerichtet, ebenso entsteht dadurch eine Kontinuität im urbanen Raum. Unmittelbar nach dem Eingang gelangt man bereits in eine angenehme, fast häusliche Atmosphäre. Die Besucher können an der Bar einen Drink zu sich nehmen, gemütlich auf Bänken sitzend auf den Beginn der kommenden Performance warten oder eben ein Ticket am Schalter kaufen. Natürlich gibt es auch Bereiche wie die Büros oder Umkleideräume, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Auch im ersten Stock sind Proberäume situiert, sowie der ehemalige Ballsaal. Dieser kann für Workshops wie auch als zweiter Aufführungssaal verwendet werden.

 

 

 

Sala Beckett – Obrador Internacional de Dramaturgia – Barcelona, Spanien

Bauherr:        Institut de Cultura de Barcelona + Fundació Sala Beckett
Planung:        Flores & Prats Architects (Ricardo Flores, Eva Prats)
Statik:             Manuel Arguijo

Nutzfläche:            2.923 m2
Planungsbeginn:   03/2012
Bauzeit:                   04/2014 – 03/2016
Fertigstellung:        03/2016
Baukosten:              2,5 Mio. Euro

 

Sala Beckett / Barcelona / Flores & Prats Architects

Fotos: ©Adrià Goula

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Kategorie: Allgemein, Projekte