Haus Lendenmann
Architektur der Kontraste.
Haus Lendenmann / Regensberg / L3P Architekten ETH FH SIA AG
Das mittelalterliche Städtchen Regensberg in der Schweiz ist durch seine einzigartige Lage, Geschichte und städtebauliche Klarheit ein Ort von unvergleichlicher Qualität. Der historische Ortskern, bestehend aus der ringförmigen Oberburg mit Schloss und Schlossturm geht auf die Stadtgründung 1244 zurück und steht heute zusammen mit der angrenzenden Unterburg unter kantonalem Ortsbildschutz. Mit seiner exponierten Lage auf dem östlichen Ausläufer des Juras genießt Regensberg zudem eine spektakuläre Aussicht auf das umliegende Zürcher Unterland bis hin zum Alpenmassiv.
Mittendrin befindet sich das Haus Lendenmann als historischer Bestandteil von Regensberg. Stärker können die Unterschiede im Ausdruck nicht mehr sein, als bei einem Rundgang um das Haus: Das historische, heute perfekt restaurierte Fachwerk wechselt ums Eck mit einer modernen Holzfassade im zarten Designmuster, hinter diesen unterschiedlichen Ansichten verbirgt sich eine Gemengelage aus skulpturalem und sinnlichem Ambiente. Die L3P Architekten ETH FH SIA AG zeichnen für diesen schon fast poetischen Umbau und die Renovierung verantwortlich.
Das zweigeschossige Fachwerkgebäude liegt am steilen Südhang der Unterburg. Der schlechte Zustand des Gebäudes, bedingt durch diverse Bauschäden und zahlreiche, unsachgemäße Umbauten ließ einen sanften Umbau jedoch nicht mehr zu. In intensiver Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem Ortsbildschutz wurde schließlich der Teilabbruch und Neubau im Volumenausmaß des alten Gebäudes beschlossen. Die neu unter Denkmalschutz gestellten Gebäudeteile, bestehend aus zwei Fachwerkfassaden und einem Gewölbekeller blieben erhalten. Hinter dieser historischen Kulisse wurde schließlich ein Mehrfamilienhaus mit drei skulpturalen Wohnungen realisiert.
In einer Bau- und Planungszeit von ca. fünf Jahren sind insgesamt 469 m2 Nettogeschossfläche entstanden. Sie gliedern sich in drei Wohnungen mit 148 m2
(UG+EG), 127 m2 (OG) und 140 m2 (DG + Galerie). Die einzigartige Volumetrie der drei Wohnungen entstand im Spannungsfeld zwischen den zwei völlig verschiedenen Gebäudeseiten. Die Nordseite mit filigranem Fachwerk und Sprossenfenstern ist ein wertvoller Baustein des historischen Städtchens. Dem gegenüber steht die großzügige Südseite, die durch die Hanglage über ein zusätzliches Geschoss und einen atemberaubenden Weitblick verfügt. Zwischen diesen Kontrasten wurde ein räumlich-dynamisches Spiel von Proportion, Licht und Materialisierung entwickelt. Kleine, allseitig mit Holz verkleidete Kammern bieten eine sinnliche und geborgene Atmosphäre und schaffen einen starken Bezug zur Geschichte des Ortes. Um die Kammern mäandrieren weitläufige, allseitig weiße Räume, die durch großzügige Öffnungen das einzigartige Panorama nach innen bringen. Durch verschiedene Niveaus und Raumhöhen wird der Raumfluss zu einem dreidimensionalen Erlebnis mit immer wieder neuen Blickbezügen und Lichtsituationen. Ein bisschen an einen ‚White Cube‘ erinnernd, kommen jedoch dadurch die Relikte der Vergangenheit, wie alte, unverputzte Steinmauern und der Gewölbekeller, objekthaft wie in einem Museum zur Geltung.
Besonders in der Fassade kommt der Kontrast zwischen alt und neu klar zum Ausdruck. Wie eine Haut legt sich die neue Fassade aus vorvergrauter Fichte auf der Stirnseite neben die geschützte Fachwerkfassade an der Hauptseite. Sie entspricht in der Ausdehnung dem historischen Volumen des Gebäudes. Ein Kamin zur Lichtführung in das Dachgeschoss, ein auskragender Erker und Schiebetore interpretieren ortstypische Elemente neu und gliedern die Außenhaut der Stirnseite. Wie in der ländlichen Baukultur stark verbreitet, wurde die halbtransparente Holzverschalung mit regionalen Ornamenten, die in unregelmäßigen Abständen in das Holz eingefräst wurden, versehen. Diese neue Fassade löst sich dadurch in ein zartes Kleid, das dem Innenraum ein feinsinniges Licht- und Schattenspiel bietet, auf.
Haus Lendenmann
Regensberg, Schweiz
Bauherr
Eugen Schäfer AG
Planung
L3P Architekten ETH FH SIA AG
Mitarbeiter
Frank Schäfer, Mareike Beumer
Statik
Schiavi + Partner AG
Grundstücksfläche
532 m2
Bebaute Fläche
195 m2
Nutzfläche
469 m2
Planungsbeginn
Herbst 2010
Bauzeit
12 Monate
Fertigstellung
Mai 2015
Text: Peter Reischer
Fotos: ©Sabrina Scheja
Kategorie: Allgemein