Kunst im öffentlichen Raum

1. September 2016 Mehr

Der öffentliche Raum.
Manche Soziologen führen die bürgerliche Gesellschaft und die Entstehung der europäischen Stadt auf die Polarität zwischen einer einerseits marktförmig organisierten Ökonomie nebst demokratisch verfasster Politik und andererseits – als ihr Gegenüber – die private Sphäre familialer Intimität und selbstständiger Warenproduktion zurück. Diese zwei gesellschaftlichen Bereiche bestimmen im wesentlichen die physische Aufteilung in öffentliche und private Räume. Die Qualität dieser Räume ist eigentlich nicht die Frage eines individuellen Verhaltens oder der Architektur und des Städtebaus, sie ist vielmehr von der Qualität der gesellschaftlichen Verhältnisse, die in ihnen ihre Orte und ihren symbolischen Ausdruck gefunden haben, bestimmt.

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Mit dem Zunehmen einer Konzentration von Verkaufsflächen im öffentlichen Raum (ÖR) begann schon vor 1900 die sogenannte Einhausung in den großen Passagen und Kaufhäusern. Die Geschäftsstraßen wurden überdacht, ihre Zugänge konnten abgeschlossen werden, und in den Kaufhäusern wurde die Vielfalt der Waren ohne die Vielfalt der Geschäfte angeboten.
Eine Verschiebung von Räumen in solche, die dem öffentlichen Recht unterliegen und solche, die unter Privatrecht stehen, entstand und entsteht. Kommunale Kriminalprävention (Sachbeschädigung) im ÖR avanciert zu einem zentralen Thema der (Stadt)politik. Der Zugang und die Nutzung öffentlicher Räume werden über den Einsatz von Videoüberwachung, verdachtsunabhängige Personenkontrollen, Platzverweise und Aufenthaltsverbote genau reglementiert. Demgegenüber stehen Handynutzer, die jeden, (un)freiwillig, lautstark an ihren Geschäfts- und Familienangelegenheiten teilnehmen lassen.
Wenn es nun um die Gestaltung des ÖR geht, muss sich das Interesse an ihm auf Feinheiten, auf Details verlegen, da das Großräumliche ohnehin schon von Finanzpolitik und Investoreninteressen geprägt ist. Kunst ist da ein wichtiges Werkzeug, um sowohl eine Diskussion – die ja auch eine Aneignung des Raumes bedeutet – wie auch die tatsächliche Belebung des ÖR zu bewerkstelligen. Auch sensibel gestaltete Stadtmöblierungen sind gefragt, wobei bei diesen in letzter Zeit der Trend zu ökologisch zertifizierten und aus sogenannter, nachhaltiger Produktion stammenden Teilen zu bemerken ist.

Kunst im öffentlichen Raum
Kunstobjekte sind immer dazu geeignet, Räume zu schaffen und zu definieren. Ein Künstler, der sich ganz explizit mit dem Thema befasst hat, ist Jaume Plensa. Der international bekannte Künstler hat in Montreal, Kanada, eine Skulptur für den prestigeträchtigen Bonaventure Gateway entworfen. Sie wird ca. zehn Meter hoch und im September 2017 anlässlich der 375-Jahrfeier von Montreal eingeweiht werden. Sie soll – wie alle Werke von Plensa – Menschen über die Grenzen von Kulturen und Erfahrungen hinweg verbinden und dem Platz, an dem sie leben, Würde verleihen.

Text: Peter Reischer
Foto: ©Jaume Plensa / Galerie Lelong

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Kategorie: Allgemein