Mietwohnhaus in Tokyo
Platz ist in der kleinsten Hütte.
Mietwohnhaus in Takaban / Tokyo / Niji Architects
Es ist bekannt, dass Japaner von ihrer Statur her kleiner sind als Europäer, aber es kann nicht nur daran liegen, dass sie wahre architektonische Raumwunder auf kleinstem Platz zu schaffen imstande sind. Die Fähigkeit zu solchen Meisterleistungen liegt natürlich in der geringen Anzahl freier Grundstücke in Japan begründet. Speziell in Millionenstädten wie Tokyo sind sie Mangelware, aber auf 33 m2 würde man in Wien wahrscheinlich nicht einmal eine Baugenehmigung erhalten, geschweige denn ein dreigeschossiges Stadthaus mit zwei Wohneinheiten errichten dürfen oder können.
Die oft überbordende Fantasie der japanischen Architekten entsteht aus der Not. In der Metropolregion Tokio mit ihren 36 Millionen Einwohnern leben pro Quadratkilometer 14.000 Menschen – in München sind es 4.400, in Wien sind es 4.200 und in Hamburg sogar nur 2.400. Dazu gibt es in Japan hohe Erbschaftsteuern. Die nachfolgende Generation ist oft gezwungen, größere Teile des elterlichen Grundstücks zu verkaufen, um kleinere erhalten zu können. Deshalb werden die Bauflächen geteilt und noch einmal geteilt, bis manchmal nur noch 50 m2 oder weniger mit teilweise seltsamen Ausmaßen übrig bleiben.
Dass so ein Abtrotzen von Wohnraum auf kleinster Grundfläche doch möglich ist, bewiesen die Niji Architects mit ihrem Projekt. Sie errichteten ein mit einem Satteldach versehenes Haus mit zwei identen Einheiten auf einem winzigen Grundstück mit 33 m2 Fläche. Die Dachform ist den nördlichen und straßenseitigen Fluchtlinien geschuldet. Das Haus ist von West nach Ost entlang einer s-förmigen Linie in zwei, vom Grundriss her komplett gleiche, Appartements geteilt. Die – durch die diagonale Teilung entstehenden eher großzügigeren Flächen werden für Wohnzwecke verwendet und die kleineren Teile dienen als Toilette und Waschraum. Durch die diagonal geschnittenen Zonen und die hohen Decken, beziehungsweise Lufträume wird ein geräumiger Eindruck geschaffen und die kleine Grundfläche quasi verwischt.
Um genügend Sonnenlicht ins Haus zu bringen, hat jede Wohnung ein großes Oberlicht und ein über die ganze Seitenfläche reichendes Fenster. Diese Öffnungen genügen, um während des Tages das in der japanischen Architektur so beliebte Spiel mit Licht und Schatten zu ermöglichen. Die Fenster jedes der Appartements sind spiegelgleich ost- , bzw. westgerichtet, dadurch können das direkte und indirekte Licht unterschiedliche, fließende Räume schaffen, obwohl die Grundrisse ident sind.
Die obere Ebene wird durch eine platzsparende Wendeltreppe erschlossen und eine kleine, an der Wand befestigte Leiter führt zum Mezzanin im dritten Stock. Eine kleine Küche ist im zweiten Stock untergebracht. Die Innenwände sind aus Gipsplatten und mit Tapeten verkleidet, als Boden wurde ein Holzboden aus Rubberwood verlegt. Das ist ein sehr hartes und pflegeleichtes Holz. Diese Holzart – auch als Gummibaum bekannt – wird auch bei uns immer beliebter für hochwertige Inneneinrichtungen.
Von außen wird durch die reinweiße Verkleidung, die aus einem Aluminium-Zink-veredelten Feinblech (namens Galvalume) besteht, wiederum der Eindruck von Größe erzielt. Dieses Material macht auch extreme Umformungen mit, ohne dass sich die Oberflächenbeschichtung löst; darüber hinaus ist es sehr beständig gegen Wärme. Die waagrechten Linien in der Fassadengestaltung ziehen die Architektur optisch in die Breite.
Der Architekt hat diese Architektur zum Vermieten konzipiert und hofft, dass die zukünftigen Mieter selbst etwas Farbe und Freude mitbringen und dann dieses spezielle Wohngefühl auf kleinstem Raum genießen werden.
Mietwohnhaus
Tokyo, Japan
Planung: Masafumi Harada, Maiko Taniguchi – Niji Architects
Statik: Hirofumi Ohno – Ohno Japan
Grundstücksfläche: 33 m2
Bebaute Fläche: 31,3 m2
Nutzfläche: 73,38 m2
Planungsbeginn: 04/2014
Bauzeit: 02/2014 – 12/2014
Fertigstellung: 12/2014
Baukosten: 234.000 Euro
Fotos: ©Niji Photo