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architektur Ausgabe 01/2014

brandschutz Alte Gebäude und neue Richtlinien Der anstehende Umbau des Wiener Parlaments ist nur eines von vielen Beispielen für die Aktualität des Themas ‚Bauen im Bestand‘, das auch die Brandschutzplanung in den kommenden Jahren zunehmend beschäftigen wird. Die Grundproblematik ist rasch erläutert: So wurden viele Gebäude auf einem sicherheitstechnischen 26 Stand genehmigt und errichtet, der längst nicht mehr den heutigen Standards entspricht. Hinzu kommt, dass ein Bestandsschutz nur dann gegeben ist, wenn die Nutzung des Gebäudes unverändert bleibt. Im Palais Hanson etwa, das lange Zeit als Amtsgebäude diente, im März 2013 jedoch als Luxus-Hotel seine Pforten öffnete, machte die Änderung der Nutzung eine Modernisierung der Brandschutzmaßnahmen nach heutigen Richtlinien erforderlich. Zu den wichtigsten Parametern bei der brandschutztechnischen Bestandsaufnahme zählen der Umfang des baulichen Vorhabens, die verwendeten Bauteile und -stoffe, vorhandene Rettungswege, eine etwaige Nutzungsänderung und das damit verbundene Risikopotenzial, besondere Brandlasten sowie das Fluchtniveau. Denn trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen muss durch die präventive Brandschutzplanung stets die Erreichung folgender Schutzziele nachgewiesen werden: Die Entstehung und Ausbreitung von Feuer und Rauch muss begrenzt und der Feuerüberschlag auf benachbarte Gebäude vermieden werden, die Tragfähigkeit muss im Brandfall über einen bestimmten Zeitraum gegeben sein, gefährdete Personen müssen das Gebäude unverletzt verlassen sowie Einsatzkräfte auf höchstmöglichem Sicherheitsniveau wirksame Löscharbeiten durchführen können. Entscheidend ist aus meiner Erfahrung, den Brandschutz gleich von Anfang an in die Planung miteinzubeziehen – gerade wenn die Komplexität des Bauvorhabens, wie in diesem Bereich, sehr hoch ist. Nur wenn Brandschutzvorkehrungen rechtzeitig konzeptioniert werden, ist Planungssicherheit bis zur Genehmigung – bauordnungsrechtlich wie auch gewerberechtlich – gegeben und man ist vor meist kostspieligen Überraschungen seitens der Behörden und Versicherungen gefeit. Zum Stichwort ‚Alt und Neu‘ sei noch auf ein weiteres Spannungsfeld im Brandschutz hingewiesen. Nach Ablauf einer 1 ½ jährigen Übergangszeit trat am 1. Juli 2013 die EU-Bauproduktenverordnung (BauPVO) operativ in Kraft – mit dem Ziel nationale Grenzen für den Handel mit Bauprodukten abzubauen und einheitliche, europäische Mindeststandards einzuführen. So durften in Österreich vor der neuen Verordnung laut ÖNORM nur jene Brandschutzprodukte verbaut werden, die auch in Österreich geprüft worden waren. Die neue EU-Verordnung hebt diese Grenzbarrieren für Brandschutzprodukte auf. Nicht hinlänglich bekannt ist etwa, dass Projekte, die vor dem 1. Juli 2013 bewilligt wurden, noch auf Basis der nationalen Prüfnormen errichten werden können. Auch bei Reparaturen an Gebäuden, die vor Ablauf der Übergangsphase errichtet wurden, kommt nach wie vor die nationale Norm zum Tragen. Die nationale Verordnung erlaubte es in speziellen Fällen mittels eines gutachtlichen Prüfverfahrens Abweichungen für bestimmte Produkte und Anwendungsfälle zu genehmigen – dies ist mit dem EUPrüfnormen nicht mehr möglich. Liegt eine Klassifizierung für eine Brandschutzklappe etwa nur für den Einbau in einer Leichtbetonwand vor, so kann kein Einbau dieser Klappe in einer Gipskartonwand erfolgen, sofern diese Anwendungsform noch nicht geprüft wurde. Die BauPVO stellt eine richtungsweisende, aber sehr weitreichende Maßnahme dar, bei der sich Probleme oft erst in der praktischen Anwendung zeigen. Um zu vermeiden, dass bei der Abnahme von Brandschutzanlagen und den darin verbauten Produkten Mängel festgestellt werden und Sanierungskosten entstehen, empfiehlt sich wie beim ‚Bauen im Bestand‘ die Projektbegleitung durch einen Brandschutzfachmann über den gesamten Zyklus der Planung, Ausführung und Abnahme. Ing. Werner Hoyer-Weber www.hoyer-brandschutz.at Fotos: Robert Tober


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