editorial Ein ‚Quäntchen Gift‘ in der Architektur Der Maler Lucian Freud (seine Bilder waren bis vor Kurzem in einer sehenswerten Ausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen) hat einmal die Aussage getätigt, dass in jedem Bild ein ‚Quäntchen Gift‘ stecken müsse - sonst sei es kein gutes Bild. Dieses ‚Quäntchen Gift‘ stellte sich im KHM auch durch die Hängung dieser ‚neuen‘, provozierenden Bilder zwischen den alten, klassischen Meistern dar. Durch die ‚Architektur‘ der Ausstellungsmacher erhielt das Begriffspaar ‚Alt und Neu‘ hier eine spannende Tiefe und Wirkung. Auch in der gebauten Architektur müssen sich Architekten immer wieder mit den verschiedenen Zeitepochen und deren Merkmalen auseinandersetzen. ‚Alt & Neu‘ als Leitthema dieser Ausgabe bietet reichlich Gelegenheit, anhand der gewählten Beispiele eigene, neue Sichtweisen zu entwickeln, oder auch nur den diversen internationalen Intentionen Anerkennung zu zollen. Die verschiedenen Projekte kommen aus fast aller Herren Länder: In China zeigt sich im Projekt der archiplein Architekten der schwierige Umgang mit der traditionellen Architektur, bzw. ihrem Erbe, in den Hutongs von Beijing. Das DAP Studio verwandelte in der Nähe von Mailand eine alte Kirche in der italienischen Stadt Lonate Ceppino, zu einer funktionstüchtigen, modernen Stadtbibliothek. Vom anderen Ende des Erdballs kommt das Projekt der Reyes Ríos + Larraín Arquitectos, die in Mexiko eine ehemalige Hacienda mit einer Henequén-Produktion in ein modernes Wohnhaus umbauten. Mit der Aufarbeitung der oftmals verdrängten Geschichte des Judentums in Portugal befassen sich die Architekten Gonçalo Byrne und José Laranjeira in ihrem Projekt des ‚Center for the Interpretation of the Jewish Cultur‘ im mittelalterlichen Kern der Stadt Trancoso. Im geschichtsträchtigen Dominikanerkloster in Ptuj, Slowenien, das von den ENOTA-Architekten wiederbelebt wurde, erlebt man alt und neu nicht nur historisch, sondern auch durch räumliche Schichtungen des Bauwerkes. Wie das o. e. „Quäntchen Gift“ lassen sich hier die modernen Fragmente in der alten Struktur deuten. Die Architekten von gaupenraub+/- wiederum, hatten ihren Spaß daran, an das Alte, an die Geschichte anzuknüpfen. Sie behandelten die Fundstücke in ihrem Sozialprojekt VinziRast mit der gleichen Würde, wie sie einem Menschen auch zusteht. Das Hauptthema der Ausgabe zieht sich auch durch die weiteren Schwerpunkte und die Magazinberichte. Die schon gewohnten Kolumnen, Baurecht, Licht und EDV ergänzen diese Ausgabe. Viel Vergnügen beim Lesen und Schauen wünscht Peter Reischer Titelbild: Kulturzentrum, Ptuj © Miran Kambič
architektur Ausgabe 01/2014
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