EFFIZIENT BAUEN 64 Einer dieser Orte ist der Spalt zwischen den Gebäuden in der Chłodna 22 Street und der Żelazna 74 Street. Beide repräsentieren unterschiedliche, historische Perioden der Geschichte Warschaus. Das Erste ist ein Ziegelbau aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, das Zweite ein Stahlbeton-Wohnbau der als Gegenpol zur existierenden Stadtlandschaft empfunden wird. Der Spalt, dazwischen ist an seiner engsten Stelle 92 und an seiner weitesten 152 Zentimeter breit. An dieser Stelle trafen auch in der Zeit des 2. Weltkrieges das große und das kleine Ghetto zusammen. Nur ein paar Schritte entfernt befand sich die Verbindungsbrücke. Beim Wola Art 2009 Festival in Warschau präsentierte Architekt Jakub Szczęsny eine Architektur, die diesen Kontradiktionen gerecht werden konnte. Es war ein Projekt, das eine unmögliche Architektur oder eine mögliche Fiktion darzustellen versuchte: das ‚Keret House‘. Das perfekte Beispiel für das ‚nicht zusammenpassen‘ in der Fabrik der Stadt. Damals war es ein eher theoretisches Projekt, ein Kunstwerk und stellte eine Art Installation zwischen zwei existierenden Altbauten dar. Architekt Szczęsny beschloss dann, diesen Spalt zu füllen, ihn in einen perfekt funktionierenden Wohnraum zu verwandeln und nach der Fertigstellung jemanden dazu einzuladen, sich um dieses ‚Haus‘ zu kümmern. Er entwarf eine Architektur, die trotz der winzigen Größe voll funktionsfähig war. Heute ist sie realisiert - das Haus wurde im Oktober 2012 eröffnet - und ist Teil eines ‚Artist in Residence‘ Programmes. Man lud den israelischen Schriftsteller (mit polnischer Abstammung) Etgar Keret ein, in dem Haus zu leben. Dieser wohnt und arbeitet zeitweise in dem Haus. Somit brachte man eine weitere Funktion in die Architektur: das Studium und die Arbeit. Ein Nicht-Ort wurde für die Bürger und die Stadt wieder mit Leben erfüllt. Heute ist der Spalt bewohnt und eine Attraktion für Besucher aus der ganzen Welt. Auch eine Art des effizienten Bauens. Aufgrund der Enge des Raumes ist man geneigt eine Wohnarchitektur für unmöglich zu halten. ‚Keret House‘ ist der existierende Beweis, dass die Annahme falsch ist. Unmögliche Architektur kann auf dem kleinsten Fleck Erde entstehen. Im Inneren ist das Haus 72, beziehungsweise 122 Zentimeter weit. Es ist mit allem ausgestattet, das ein Wohnhaus benötigt: von der Fußmatte beim Eingang bis zum Kühlschrank. Natürlich sind die meisten Möbel im Hinblick auf den beengten Raum extra entworfen oder adaptiert worden. Die Fußmatte ist gleichzeitig die letzte Stufe der Treppe und der Mini-Kühlschrank kann gerade ein paar Getränkedosen aufnehmen. Es hat auch ein Mini-Bad, ein Mini-Bett und sogar einen Mini-Klärgrube. Jedes Element funktioniert, gerade wie in einem Zwergenhaus, und arbeiten kann man auch darin. Das ‚Keret House‘ Projekt wird von der Polish Modern Art Foundation, die auch das ‚Artists in Residence‘ Programm organisiert, betrieben. (rp) Gut geschützt in der unauffälligen Baulücke befindet sich der ,auf den ersten Blick nur durch eine Treppe abzeichnende, Eingang. Durch die in den Boden eingelassene Falltür gelangt man ins Innere.
architektur Fachmagazin - Ausgabe 07/2013
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