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8 architektur FACHMAGAZIN Start Ihre Vorgangsweise ist ja ein Aushebeln von finanziellen Zwängen? Ja, ich hatte ein sehr limitiertes Budget, also bin ich nicht zum Baustoffhändler, sondern in Wiens letzte Kalkgrube gefahren, um Sumpfkalk zu holen. Auf der Deponie haben wir alten „wertlosen“ Bauschutt gegen (vom Mörtel befreite) „wertvolle“ alte Ziegeln getauscht. Der Baumeister hat für das Projekt eine Eisenliste gemacht: I-Träger, Profile etc., das kostet z.B. 700 Euro beim Baumarkt. Dann fährt man am Gürtel zum Eisenhändler und das Gleiche kostet nur 200 Euro. Oder man fährt auf die Deponie und kauft das Gleiche (das wird oft mit dem Bauschutt entsorgt) um 50 Euro. Würden Sie sagen, dass ökologisches Bauen günstiger ist als konventionelles Bauen? Keine Frage, das nächste Haus, das ich baue, ist sicher ein Strohhaus. Hier (im Frey) haben wir ganz einfache Materialien: Stein, Holz und ein bisschen Eisen. Alles ist puristisch hier. Wasserwaagen hat es hier beim Bauen nicht gegeben. Dieser Raum (zeigt auf den Restaurantbereich) ist zehn Mal patschokiert, mit Naturpigmenten, sonst nichts. Ich habe – als Journalistin – sehr viel recherchiert. Zum Beispiel habe ich viel über Kalk geforscht. In St. Petersburg gibt es eine Menge Gebäude, die nur gekalkt sind, da muss man sich halt durchgoogeln. Und es gibt die Firma „Kalk Kontor“ in Deutschland, da konnte man sein Wissen gut austauschen. Auch im Mittelmeerraum oder im hohen Norden sind die Bauten der anonymen Architektur ja häufig „nur“ gekalkt! Natürlich, das hat auch mit dem Salzgehalt der Luft zu tun. Früher hat man noch Tierhaar und Tierblut dazu gemischt, außerdem ist Kalk hygienisch und desinfiziert. Wie sehen Sie Ihre Arbeit hier im Vergleich zur „normalen“ Architektur? In der Architektur, so glaube ich, befinden wir uns häufig in einem Zustand der Mc- Donaldisierung. Es ist alles formatiert und genormt und die moderne Architektur definiert sich über eine Komposition aus Stahl, Beton und Glas. Sie glaubt, wenn sie diese Elemente kombiniert, ist es ein Ereignis. Das ist aber ziemlich selten der Fall. Ich meine, eine Elbphilharmonie oder eine Oper von Sydney, die können schon was, aber das sind die Ausnahmen. In der Baugeschichte haben wir verschiedene Maße, die Elle etc., das referiert alles zu den Körpermaßen des Menschen und es gibt auch Zahlen, die zueinander in Beziehungen stehen. Dieses Wissen haben wir mit der genormten Produktion von Bauteilen über Bord geworfen. Deshalb haben wir heute Häuser ohne Gesichter, sondern mit Fratzen oder entstellte kalte Klötze, die in keiner Relation zu unseren Körpern stehen und deshalb – bei mir zumindest – ein Unwohlgefühl und Befremden auslösen. Ich bin der Ansicht, dass ein Gewölbe wie dieses, unter dem wir hier sitzen (Kreuzgratgewölbe), eine andere Körperwahrnehmung mit sich bringt. Ich würde sogar sagen – etwas Embryonales. Übrigens, meine Körperhaut ist ja nicht die einzige Schicht, mit der ich Kontakt nach außen habe, dann kommt die „erweiterte Haut“ der Kleidung, dann für manche auch das Auto und letztendlich das Haus als meine äußerste Schale. Ein viereckiger Raum, der nicht meiner Körpergeometrie entspricht, verursacht ein Unwohlgefühl. Bei der Architektur ist es ähnlich wie im Radio oder bei einer guten TV-Sendung mit talentierten Schauspielern, spannender Dramaturgie und flottem Bildschnitt: Die Leute wissen eigentlich nicht, warum die Sendung gut ist, aber sie sagen nachher: „Das hat mir gefallen!“ Bei der Architektur ist das ähnlich, der Mensch kommt in einen Raum, weiß nicht, warum er sich wohlfühlt oder nicht, aber er nimmt den Raum mit all seinen Sinnen positiv wahr. Und das ist das Konzept hier im „Frey“!


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