Architektur soll wieder die Welt gestalten

10. Oktober 2018 Mehr

GEISWINKLER ARCHITEKTEN

So wie Hollein es sah, dass alles Architektur ist, so sehen das die Geiswinkler Architekten sicher nicht. Sie sind eher der Ansicht, dass nicht alles Architektur ist.

Die Zugänge zur Architektur beruhen immer auf den klassischen Prinzipien eines funktionalen, formalen, wirtschaftlichen und konstruktiven Aspektes. Das Maß der Perfektion, mit der diese Aspekte ineinander spielen, das macht dann den Qualitätsgrad der Architektur aus. Diese Qualität wird von denen, die sich dazu berufen fühlen, beurteilt und gewichtet. Das heißt, die Gesellschaft ist, soll oder wird in der Lage sein, Architektur über einen längeren Zeitraum hinweg zu beurteilen.

 

Geiswinkler Architekten

An einem heißen Sommertag und in einem dementsprechend auch sehr heißen Büro, ganz ohne Klimaanlage philosophierte architektur mit DI Architekt Kinayeh Geiswinkler-Aziz und DI Architekt Markus Geiswinkler, Wien über Zugänge und Perspektiven zur und von Architektur.

 

In unserer medial vernetzten und aufgeklärten Welt gibt es eigentlich keine Architektur mehr, die total unverstanden ist oder bleibt. Vielleicht wird sich die Bedeutung gewisser Dinge in späteren Zeiten einmal ändern, aber die Aussage, dass „dieser Architekt erst in hundert Jahren verstanden werden wird“, die gilt heute – ihrer Meinung nach – nicht mehr. Das heißt aber nicht, dass die heutige Architektur zu wenig komplex oder gar oberflächlich ist, sondern eher, dass Architektur heute überall besprochen und rezensiert wird, im Gegensatz zu vor hundert oder mehr Jahren.
Natürlich hat Architektur heute eine wesentlich höhere Akzeptanz als früher. Die damals kolportierte Ansicht, dass ein Architekt umso besser ist, desto schlechter es ihm (wirtschaftlich) geht – die hat sich heute verschoben. Heute ist der Zugang zur Architektur einfacher und im Bewusstsein der Menschen gefestigter als noch vor 30 Jahren. Und vor allem wird sie mehr und mehr als Marketinginstrument benutzt. Das lässt sich an Bank- und Museums- und anderen Prestigebauten deutlich ablesen.

 

Haus in Mödling

Haus in Mödling, Foto:©Manfred Seidl

 

Die Rolle des Architekten formulierten die beiden folgendermaßen: „Der Architekt ist unserer Meinung nach ein Regisseur, ein Handwerker und gleichzeitig Drehbuchautor. Er koordiniert alles, sieht alles, muss über vieles Bescheid wissen und auch handwerklich geschult sein. Details, Feinheiten, Liebe und Lichtführung – das alles hat mit Handwerk zu tun und ist Bestandteil einer „guten“ Architektur. Auch Zeit ist ein wichtiger Faktor für gute Architektur. Oft sind es – für den Endnutzer, den Menschen – kaum merkliche Einzelheiten, über die wir tagelang reden, immer wieder Punkte verändern, um schließlich zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. Gerade das, was man als Nutzer nicht oder kaum sieht, macht gute Architektur aus. Das ist wie ein gut geschriebenes Buch, das man nicht mehr aus der Hand geben will. Das, was dann so leicht erscheint, ist jedoch schwere Arbeit.“

Architektur hat zwar einen künstlerischen Aspekt, ist für die Geiswinkler Architekten aber nicht Kunst. Gute Architektur ist notwendig, sie bewirkt vieles. Sie ist Bestandteil unserer Baukultur. Sie muss sensibel und fein sein, auch auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Dabei darf sie aber nicht vernachlässigen, dass es Termine und Kosten gibt. Ökonomie ist absoluter Teil des Ganzen – „Darunter hat schon Michelangelo gelitten!“ Qualität kostet etwas, das darf sie auch, keine Frage.

 

Schönbrunn

Schönbrunn, Foto:©Manfred Seidl

 

Die Architekturbiennale heuer in Venedig hat die beiden Architekten sehr inspiriert. Sie haben von fast jedem Projekt etwas für sich und für ihre Arbeit mitnehmen können. Für sie war das Event eine starke gedankliche Anregung, was natürlich auch mit dem Leitmotiv „Freespace“ zusammenhing. Sie sind der Meinung, dass endlich wieder die Themen Architektur, Städtebau und „die Welt gestalten“ im Bewusstsein angekommen sind. Man wird sehen, was davon in naher Zukunft in ihren Werken zu finden sein wird.

 

Text:©Peter Reischer

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Kategorie: Kolumnen