Bauhaus – Baukunst oder Bausünde?
Mit dem Jahr 2019 ist das sogenannte „Bauhausjahr“ angebrochen. Denn schließlich feiert die einst und auch heute noch prägende Strömung heuer ihr 100-jähriges Jubiläum. Dadurch ergibt sich die Gelegenheit, die wohl berühmteste Kunstschule der Moderne kritisch zu hinterfragen, aber auch deren positive Seiten zu durchleuchten.
Ein kostensparender Baustil, der sich nach den Bedürfnissen seiner Bewohner richtet. Nach diesen Grundsätzen arbeiteten die Anhänger der Bauhaus-Schule. Heute ist das historische Bauhaus als einflussreichste Bildungsstätte in der Sparte der Architektur im 20. Jahrhunderts bekannt. Die von 1919 bis 1933 bestehende Einrichtung gilt daneben als Gründungsstätte der Avantgarde in der Klassischen Moderne. Und auch heute noch lassen sich Einflüsse des Bauhaus in den modernistischen Strömungen der Baubranche erkennen.
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Unverkennbarer Stil oder experimentelle Kunst?
Seinen Ursprung fand die Idee des Bauhaus in der gleichnamigen Schule für Architektur und Kunst. Der Architekt Walter Gropius gründete sie im Jahr 1919 in Weimar, um das Experimentieren mit neuen Formen und Stilen zu ermöglichen – neben der Baulehre wurden Malerei, Grafik, Tanz, Bühnenkunst und Fotografie unterrichtet. Ab 1927 trat aber der praktische Ansatz und mit ihm die Architektur in den Vordergrund – sowohl für das Design als auch für bildnerische Tätigkeiten sollte der Bau stets das Endziel sein. Der Grundgedanke des Gründers Walter Gropius war, das Kunsthandwerk und mit ihm, einen auf Funktionalität hin ausgerichteten Stil wiederzubeleben. Damit entwickelte er eine Gegenströmung zum auf Ästhetik ausgerichteten Historismus mit seinen verzierten Gründerzeithäusern.
Gleich drei Direktoren – Walter Gropius, Mies van der Rohe und Hannes Meyer – machten sich mit ihren Baustilen, die allesamt Teil der Kunstströmung der 1920er-Jahre waren, einen Namen. Die Meister verfolgten aber jeweils unterschiedliche Ziele. So ging es Walter Gropius in erster Linie darum, das kostensparende Bauen mit Fertigteilen voranzutreiben. Mies van der Rohe wollte die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum verschwimmen lassen, während Hannes Meyer bei seinen Arbeiten stets die Bedürfnisse der Bewohner in den Mittelpunkt stellte. Ein einheitlicher oder gar unverkennbarer Stil hat sich aufgrund der unterschiedlichen Strömungen also nie etabliert.
Und doch fand die Idee des Bauhaus im internationalen Raum Verbreitung. Da viele Absolventen nach der Auflösung der Schule durch die Nationalsozialisten auswanderten, wurden die Lehren nicht nur in deutschsprachigen Ländern, sondern auch in den USA und in Israel angewendet. So gilt Tel Aviv auch heute noch als die Bauhausmetropole schlechthin.
„Form follows Function“
Eine Verbindung aus Kunst und Industrie, modern und sachlich zugleich – so lässt sich Bauhaus als Baustil beschreiben. Es galt, die Unterscheidung zwischen Künstler und Handwerker aufzuheben und rationale Entwürfe in den Vordergrund zu stellen. Der Grundgedanke vom Bauhaus bestand darin, das Bauen zu industrialisieren. Wohnbauten sollten – in Anlehnung an die Autoproduktion Henry Fords der 1920er-Jahre – wie auf dem Fließband entstehen und so für die Allgemeinheit leistbar sein. So schuf die Strömung erstmals die Grundlage für anonymisiertes Wohnen.
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Das Bauhaus steckte sich seine Ziele dabei sehr hoch – viele davon erreichte es nicht. Eine Bestrebung der Anhänger war es, lebenswerten und leistbaren Wohnraum für „alle“ zu schaffen. Die Umsetzung dieser Idee scheiterte bereits bei den „Vorzeigeprojekten“. Zu erwähnen ist hier unter anderem die Wohnsiedlung in Dessau-Törten. Die Bau- und damit die Wohnkosten fielen hier im Endeffekt deutlich höher als ursprünglich geplant aus; Schuld daran war eine Fehlplanung, die aus technischen Mängeln resultierte. Beauftragt wurde Walter Gropius von der Stadt Dessau, weil er versprach, nicht nur effizienter, sondern auch billiger als die Konkurrenz zu sein. Da er damals auf modernste Fertigungsprozesse setzte, war das Tempo, in welchem die Siedlung gebaut wurde, tatsächlich beeindruckend. Leider wiesen die Wohnbauten Konstruktionsfehler auf. So fielen die Wände viel zu dünn und auch die Wärmedämmung unzureichend aus. Weitere bauliche Maßnahmen – darunter das Errichten von Vormauern – waren notwendig, um diese Mängel zu beheben. Dies führte wiederum zu Rissen zwischen Fenstern und Deckenbalken. Das Experiment mit der innovativen Bauweise erwies sich letzten Endes als ziemlich teuer. Da es sich um Eigenheime handelte, musste die Bevölkerung für die Kosten der Umbauten selbst aufkommen. Viele Bürger konnten sich dies nicht leisten – Proteste seitens der Bevölkerung, aber auch der Politik waren die Folge. Für die Sozialdemokratie war diese Entwicklung ein Drama. Daher kam es zwischen den Sozialdemokraten und dem Bauhaus zu einer Entfremdung, die unter der nationalsozialistischen Diktatur im Jahr 1933 schließlich zur Schließung der Schule führen sollte.
Lehren aus der Schule „Bauhaus“ ziehen
Ihr Ziel erreichte die sachliche Strömung in der Architektur also nur bedingt. Zwar schaffte es Walter Gropius, Projekte zu realisieren, die erste Lösungsansätze für die Wohnungsnot im Deutschland der 1920er-Jahre lieferten. In mehreren Städten errichtete der Architekt Massenwohnbauten, deren Gestaltung den Prinzipien des Bauhauses entsprach. Das Problem der Wohnungsknappheit wurde in vielen Orten so tatsächlich gelöst. Allerdings kam es hier auch zu unvorhersehbaren Entwicklungen. Walter Gropius bedachte nämlich nicht, dass die kühle, auf Anonymität ausgerichtete Gestaltung der Bauten letztendlich zum sozialen Zerfall der betreffenden Ortsteile beitragen würde. Auch die Anpreisung des Punkthochhauses als ideale Wohnform ging auf das Konto der Lehren des Planers. Architekten wie Dankwart Guratzsch üben daran heute Kritik. Ironischerweise ist die vom Bauhaus kritisierte Blockbauweise der Gründerzeit als Wohnform viel eher geeignet. Die verzierten Wohnbauten strahlen Individualität aus und sind auch in ihrer Erhaltung wirtschaftlicher.
Was den Wohnbau im Bauhaus betrifft, waren für die Allgemeinheit auch nur die wenigsten der in den 1920er-Jahren realisierten Objekte erschwinglich. Lediglich Designprojekte wie die Bauhaustapete oder die Schreibtischlampe der Firma Kandem gingen in die Massenproduktion, sind durch Imitate noch heute bekannt und waren tatsächlich für die breite Öffentlichkeit leistbar.
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Nichtsdestotrotz leben die Ideen des Bauhaus in der heutigen Architektur weiter. So zeichnet sich vor allem der moderne Wohnbau, der sich ab den 1950er-Jahren etablierte, durch eine schlichte, praktische und oft quadratische Gestaltung aus – auch wenn gerade dieser Stil von vielen Experten kritisiert wird. Gemäß dem Architekten und Stadtplaner Christoph Mäkler sei die Prämisse des Bauhaus, dass die Form der Funktion folgen solle, für den sozialen Verfall vieler Siedlungen am Stadtrand verantwortlich. Die oft einheitlich gestalteten Vorstädte der heutigen Zeit wirken auf den Professor klinisch und abweisend.
Und doch ist die Schuld für diese Entwicklungen im Wohnbau nicht alleine bei der Weimarer Kunstschule zu suchen. Immerhin hatte das Bauhaus selbst nur wenig Zeit, um sich zu etablieren und weiterzuentwickeln. Die Strömung sah sich von Beginn an als Experiment. Dazu gehörte auch das Eingehen von Risiken. Dies taten sowohl die Lehrenden als auch die Schüler durch die Umsetzung ihrer Ideen. Faszinierend sind am Bauhaus nicht alleine die technischen Errungenschaften, sondern vor allem die Ideologien hinter den Projekten. Mit der vorzeitigen Auflösung der Bildungseinrichtung ging mit Sicherheit viel Potenzial verloren – mit dem Fortschreiten der Technik hätte die Schule durchaus die Möglichkeit gehabt, ihre Idee weiterzuentwickeln.
Text:© Dolores Stuttner
Kategorie: Architekturszene