Damals, heute, morgen – Universität Weimar

12. Juli 2019 Mehr

Die Lehre an der Bauhaus-Universität Weimar

1919, vor 100 Jahren, wurde Walter Gropius zum Gründungsdirektor des Staatlichen Bauhaus Weimar berufen. Für das Fachmagazin architektur unterhielt sich Linda Pezzei mit Julia Heinemann, akademischer Mitarbeiterin am Lehrstuhl Bauformenlehre und Doktorandin an der Fakultät Kunst und Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar, über ihre Sicht auf die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Lehre an der Bauhaus-Universität Weimar.

 

Universität Weimar

Hauptgebäude Universität Weimar, Foto:©Obias Adam

 

Universität Weimar Julia Heinemann

Julia Heinemann, Foto:©Bauhaus-Universität

Welche Gedanken in Bezug auf die Lehre haben an der Bauhaus-Universität Weimar bis heute Bestand?

Ich kann natürlich nicht für die gesamte Hochschule sprechen, beziehe mich aber – wie sicherlich meine Kollegen auch – auf Ansätze von Gropius und überführe diese in neue Methoden und Lehrkonzepte. Im Bezug auf seinen Erziehungsplan leitete Gropius für sich die These ab, dass erfolgreiches Lernen auf der Basis von objektiven Tatsachen aufgebaut werden sollte, die uns allen gleichermaßen zugänglich sind. Das heißt, es muss erst einmal ein Common Sense als Basis der gemeinsamen Kommunikation geschaffen werden.
Ziel sei es, so Gropius, durch eigene Beobachtung und praktische Versuche zur Kenntnis einer objektiven Gesetzmäßigkeit des Ausdrucks zu gelangen.
Die Aufgabe des Erziehers sollte daher nach Gropius darin bestehen, seinen Schüler aus dem Zustand intellektueller Verstopfung zu befreien und ihn zu ermutigen, seinem unterbewussten Empfinden mehr Raum zugeben.
Meine Rolle als Dozentin und Wissenschaftlerin an der Bauhaus-Universität Weimar sehe ich darin, Vermittlungsmethoden und Anschauungsmodelle zu entwickeln, um genau diesen Anspruch des eigenständigen Erarbeitens und Erfahrens von Sinnzusammenhängen basierend auf substanzieller Sinneswahrnehmung anzuregen, um daraus resultierend eine eigene Urteilsfähigkeit zu ermöglichen.

Wie spiegelte sich der viel zitierte Satz von Gropius bzgl. der Einheit von Kunst und Technik damals im Lehrangebot wider? Wie hat er sich bis heute gewandelt und wie soll er in Zukunft die Lehre beeinflussen?

Damals bezogen sich Kunst und Technik vornehmlich auf die Möglichkeiten der Industrialisierung. Das bedeutet, dass bereits im Vorfeld der Massenproduktion das Endprodukt soweit durchdacht und künstlerisch gestaltet ist, dass dieses entsprechend nachhaltig ist und durch seine gute Form den Alltag sowohl als Kunst- als auch als Nutzobjekt bereichert.

Der Tatsache, dass der heutige Mensch von Anbeginn an zu sehr der traditionellen Spezialausbildung ausgeliefert ist, durch die er lediglich spezialisiertes Wissen erwerben kann, ihm aber weder Sinn und Zweck seiner Arbeit, noch seine Beziehung zur Umwelt begreiflich macht, trat das Bauhaus dadurch entgegen, dass es zunächst nicht den Beruf in den Vordergrund der Ausbildung stellte, sondern den Menschen in seiner natürlichen Bereitschaft, das Leben als Ganzes zu verstehen.

Gropius erkannte also bereits damals das Problem des Unverständnisses für Produktionsprozesse durch das Separieren in Teilaspekte. Der Unterschied zwischen Industrie und Handwerk lag damals wie heute weniger in der Verschiedenheit der Produktionswerkzeuge – heute verstärkt durch den Verlust des körperlich-sinnlichen aufgrund der Digitalisierung – als vielmehr in der Arbeitsteilung der Industrie gegenüber der ungeteilten Kontrolle des gesamten Arbeitsvorganges im Handwerk. Gropius erkannte in der zwangsläufigen Beschränkung persönlicher Initiative die drohende kulturelle Gefahr der damaligen modernen Wirtschaftsform. Hinzu kommt heute, dass die nicht-nachhaltige Produktionsweise und unser mangelndes Vermögen derartige Gesamtzusammenhänge zu erfassen, um nachhaltige Entscheidungen zu treffen, sogar die Existenz unseres Planeten aufs Spiel setzen.

Das Hauptanliegen der Bauhäusler war es, den Menschen auf eine demokratiebasierte Zukunft vorzubereiten, die vorausschauender und kluger Köpfe bedarf, die den technischen Fortschritt zum Wohle aller nutzen sowie Entwicklungen nachvollziehen, weiterdenken und darauf sinnvoll reagieren können. Solch allseitig gebildete Menschen hervorzubringen, so hoffe ich, wird immer Ziel der Lehre an der Bauhaus-Universität Weimar bleiben.

 

Siebdruckwerkstatt-Bauhaus-Universitaet-Weimar,-Nathalie-Mohadjer

Siebdruckwerkstatt, Foto:©Nathalie Mohadjer

 

Wie hat sich das Universitätsgebäude selbst als physischer Ort der Lehre im Laufe der Jahre gewandelt?

Genau genommen gibt es in Weimar so gut wie keine Bauhaus-Gebäude. Dreh- und Angelpunkt ist allerdings, das vom Jugendstil geprägte van de Veldsche Hauptgebäude, welches im Zuge des Jubiläums renoviert wurde. Die historischen Atelier- und Werkstatträume und die heutigen Seminarräume im Hauptgebäude mit ihren enormen Deckenhöhen und den riesigen Fenstern werden von den Studierenden und Lehrenden nach wie vor sehr wertgeschätzt.

Läuft man an einem so geschichtsträchtigen Ort wie der Bauhaus-Universität nicht unweigerlich Gefahr, zu sehr im Alten zu verharren, mit neuen Ansätzen das Erbe vielleicht gar zu verraten?

Um es mit den bekannten Worten zu sagen: „Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.” Nur durch die Nutzung bleibt das Erbe lebendig, Verrat am Erbe findet dann statt, wenn Räume aus konservatorischen Gründen verschlossen bleiben und nur für elitäre Delegationen oder touristische Zwecke und damit aus marktwirtschaftlichen Aspekten unterhalten werden.

 

Universität Weimar

Fakultät, Foto:©Nathalie Mohadjer

 

Text:©Linda Pezzei

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Kategorie: Architekturszene