Standort-Entwicklungsgesetz – öffentliches Interesse im Fokus

2. September 2019 Mehr

Standort-Entwicklungsgesetz – öffentliches Interesse im Fokus

In jüngster Vergangenheit ist im Zusammenhang mit der dritten Piste des Flughafen Wien öffentlich darüber diskutiert worden, ob das Interesse an Umweltschutz – und damit einhergehend die lange Dauer insbesondere von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP-Verfahren) – dem Interesse an einem prosperierenden Wirtschaftsstandort Österreich vorgehen könne.

Gemäß dem UVP-Bericht 2018 haben UVP-Verfahren im Zeitraum 2009 bis 2017 vom Antrag bis zur Entscheidung der UVP-Behörde durchschnittlich 16,4 Monate in Anspruch genommen, wobei die Verfahrensdauer in den letzten Jahren jedoch eine steigende Tendenz aufweist. Gerade bei Infrastrukturvorhaben (Schiene, Straße, Luftfahrt, Energie, etc.), die für den Wirtschaftsstandort Österreich besonders relevant sind, ist aber eine überlange Verfahrensdauer als kritisch zu betrachten.

Die österreichische Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich durch standortspezifische Vorhaben und die Beschleunigung der Verfahren zu fördern. Vor diesem Hintergrund ist das Bundesgesetz über die Entwicklung und Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich (Standort-Entwicklungsgesetz – StEntG) mit 01.01.2019 in Kraft getreten. Mit diesem StEntG hat der Gesetzgeber im Wesentlichen ein neues Verfahren geschaffen, das einem Projektwerber die Bestätigung der Republik Österreich verschaffen kann, wonach sein Projekt im besonderen öffentlichen Interesse gelegen ist. Dieses neue Verfahren bzw. die entsprechende Bestätigung soll Projektwerbern, Investoren und Betroffenen von standortrelevanten Projekten rascher Planungs- und Rechtssicherheit verschaffen und insbesondere die darüber zu führenden Verfahren beschleunigen.

Entscheidend für die Erlangung einer solchen Bestätigung ist, ob ein standortrelevantes Vorhaben und dessen Umsetzung außerordentlich positive Folgen für den Wirtschaftsstandort Österreich erwarten lassen, wobei das StEntG für die Beurteilung der zu erwartenden außerordentlichen positiven Folgen der standortrelevanten Vorhaben eine demonstrative Aufzählung von Kriterien enthält.

 

Standort Entwicklungsgesetz 2019

 

Diese Kriterien sind insbesondere
• die für überregionale Kreise der Bevölkerung relevante oder strategische Bedeutung des standortrelevanten Vorhabens;
• die direkte oder indirekte Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen am österreichischen Arbeitsmarkt in einem für die jeweilige Region relevanten Ausmaß;
• ein maßgebliches Investitionsvolumen;
• eine durch das standortrelevante Vorhaben zu erwartende gesteigerte volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Die Prüfung des besonderen öffentlichen Interesses eines potenziell standortrelevanten Vorhabens erfolgt einzelfallbezogen, weshalb auch andere als die genannten Kriterien relevant sein können und daher erheblicher Interpretationsspielraum besteht. Entscheidend ist jedoch, dass der Projektwerber eines potenziell standortrelevanten Vorhabens die Erteilung einer Bestätigung des besonderen öffentlichen Interesses der Republik Österreich nicht beantragen, sondern nur beim jeweiligen Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) anregen kann. Der Projektwerber eines eingereichten Vorhabens hat daher keinen Rechtsanspruch auf Erledigung seines Anbringens.

Einer solchen Anregung sind vom Projektwerber bereits eine Darstellung der wesentlichen Eckpunkte des Projekts und eine begründete Stellungnahme anzufügen, warum das dargestellte Projekt standortrelevant bzw. im öffentlichen Interesse gelegen sein soll. Der BMDW kann diese Anregung sodann aufgreifen und darüber unter Mitwirkung der fachlich zuständigen Bundesminister und des Standortentwicklungsbeirats ein Verfahren durchführen. Die fachlich zuständigen Bundesminister haben diesfalls innerhalb von vier Wochen nach Erhalt der Unterlagen eine Stellungnahme zu verfassen, ob die Erteilung der Bestätigung des besonderen öffentlichen Interesses befürwortet wird oder nicht. Der Standortentwicklungsbeirat (ein Expertengremium bestehend aus sechs ehrenamtlichen Mitgliedern, welche für eine Funktionsdauer von fünf Jahren bestellt werden) hat ebenfalls binnen vier Wochen eine Empfehlung zum Vorhaben abzugeben.

Die endgültige Entscheidung, ob einem potenziell standortrelevanten Vorhaben die Bestätigung des besonderen öffentlichen Interesses der Republik Österreich erteilt wird, hat im Einvernehmen zwischen dem BMDW und dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) zu erfolgen. Die Bundesminister haben zumindest einmal im Kalenderhalbjahr über die Erteilung oder Nichterteilung solcher Bestätigungen bei Vorliegen von begründeten Empfehlungen für standortrelevante Vorhaben zu entscheiden. Die Entscheidung wird jedoch nicht in Bescheidform erteilt, sondern ist durch öffentliche Kundmachung der Standort-Entwicklung-Vorhaben-Verordnung zu veröffentlichen. Eine Verständigung des Projektwerbers erfolgt nur bei Ablehnung seiner Anregung.

Abgesehen von den vorgenannten Verfahrensbestimmungen regelt das StEntG Sonderbestimmungen für Genehmigungsverfahren von standortrelevanten Vorhaben, somit ein an die Bestätigung des besonderen öffentlichen Interesses der Republik Österreich anknüpfendes Sonderverfahrensrecht. Dieses soll den Bestimmungen des allgemeinen Verfahrensrechts (AVG, VwGVG, etc.) sowie des UVP-Gesetzes vorgehen und insbesondere eine Verfahrensbeschleunigung bezwecken. So soll die zuständige Behörde demnach die Entscheidung über ein standortrelevantes Vorhaben ohne unnötigen Aufschub, spätestens zwölf Monate nach Antragstellung treffen. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde die Genehmigung zu erteilen, es sei denn, das Vorhaben ist gemäß § 11 Abs 6 StEntG nicht genehmigungsfähig. Die Bestimmungen des StEntG führen daher nicht – wie vielfach fälschlich kritisiert – zu einem Genehmigungsautomatismus.

Für den Fall, dass die zuständige Behörde über das Vorhaben nicht binnen zwölf Monaten ab Antragstellung entscheidet, ist der Projektwerber zudem zu einer Säumnisbeschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht berechtigt. Das Verwaltungsgericht hat diesfalls in der Sache selbst zu entscheiden. Ein Auftrag an die säumige Behörde zur Nachholung der Entscheidung bei einem bestätigten besonderen öffentlichen Interesse der Republik Österreich an dem standortrelevanten Vorhaben ist sohin nicht mehr möglich, was ebenfalls der Verfahrensbeschleunigung und Effizienzsteigerung dienen soll.

Darüber hinaus normiert das StEntG eine Verfahrensförderungspflicht der Parteien, was ebenfalls zur Beschleunigung der Verfahren beitragen soll. Genehmigungsverfahren über standortrelevante Vorhaben, welchen das besondere öffentliche Interesse bestätigt wurde, sind per Edikt im Amtsblatt zur Wiener Zeitung und im Internet (auf der Homepage der jeweiligen Behörde) kundzumachen. Einwendungen gegen solche Vorhaben können dann schriftlich binnen 30 Tagen erhoben werden. Bei schuldhaft verspätetem Vorbringen soll der jeweilige Verfahrensbeteiligte zum Kostenersatz der zusätzlich entstandenen Verfahrenskosten verpflichtet werden, um die Verfahrensparteien zu einem rascheren Tätigwerden zu veranlassen und eine Verfahrensverzögerung durch Projektgegner hintanzuhalten.

Die Intention des Gesetzgebers, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich durch raschere Behördenentscheidungen zu fördern, ist aus den Bestimmungen des StEntG sohin deutlich erkennbar. Ob und inwieweit sich diese Intention tatsächlich durchsetzt und das StEntG einen verfahrensbeschleunigenden Effekt auf die Entscheidungspraxis der Behörden hat, bleibt jedoch abzuwarten. Ganz generell wäre eine Beschleunigung behördlicher Entscheidungen auch über Vorhaben, für die das besondere öffentliche Interesse der Republik Österreich nicht bestätigt ist, durch Steigerung der Effizienz der Behördenstrukturen und der Verfahrensabläufe zu begrüßen.

Text:©Mag. Matthias Nödl, Ing. Mag. Julia Mörzinger

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Kategorie: Bau & Recht