Urheber- und Werknutzungsrecht der ArchitektInnen
Der OGH hat in einem zweiten Rechtsgang die Causa „Hundertwasser-Haus“ endgültig entschieden – und hält fest, dass ArchitektInnen der Verwendung ihres Bauwerkes auf Souvenirs, Geschenkartikeln, Postern und sonstigen Gegenständen zustimmen müssen. Denn ihnen steht das Urheberrecht zu und ohne ihre Zustimmung ist die Übertragung von Werknutzungsrechten nicht möglich.
DER SACHVERHALT (vereinfacht)
1979 waren der Architekt Josef Krawina und der Maler Friedensreich Hundertwasser von der Gemeinde Wien mit der Planung für das später als „Hundertwasser-Haus“ bekannt gewordene Projekt gemeinsam beauftragt worden, da Hundertwasser nicht über das erforderliche Wissen und die notwendige Berechtigung zur Erbringung von Architektenleistungen verfügte.
In seinem Entwurf entwickelte Krawina ein städtebaulich, gestalterisch und funktional konsensfähiges Projekt, mit dem Hundertwasser nur teilweise einverstanden war. In der Folge kam es zu größeren Auffassungsunterschieden und Auseinandersetzungen, die bei der Gestaltung der Fassade eskalierten. Krawinas Architektenvertrag mit der Stadt Wien wurde einvernehmlich gelöst, und er erklärte sich einverstanden, keine weiteren Forderungen an die Gemeinde Wien zu stellen.
Hundertwasser führte das Projekt mit Unterstützung der MA 19 bis zur Fertigstellung weiter, wobei die von Krawina bis dahin erstellte Planung weiterhin als Grundlage diente. Rund 20 Jahre lang erhob der Architekt keine urheberrechtlichen Ansprüche.
2001 verkaufte Krawina alle Werknutzungsrechte an eine Gesellschaft, die sich mit der Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken befasste. Sie klagte den Betreiber des Museumsshops sowie den Produzenten der darin verkauften „Hundertwasser-Haus“-Artikel (Poster, Modelle, Kunstkarten etc.) und beantragte eine einstweilige Verfügung, wonach die Vervielfältigung und der Vertrieb dieser Artikel zu untersagen sei, wenn dies ohne Bezeichnung des Architekten Krawina als Original(mit)urheber geschehe.
Damals ging der Streit bis zum OGH; dieser stellte fest, dass der der Unterlassungsantrag der klagenden Gesellschaft gerechtfertigt war, weil Krawina als Miturheber anzusehen ist und mit jeder Vervielfältigung des Hundertwasser-Hauses auch dessen architektonische Gestaltung vervielfältigt und damit in seine Rechte eingegriffen wird (zur damaligen Entscheidung siehe „Das Urheberrecht der ArchitektInnen“ in Heft 4/2003). Formalrechtlich verwies der OGH die Rechtssache an das Erstgericht zurück, das in einer ergänzenden Beweisaufnahme durch ein weiteres Sachverständigengutachten die Frage der Miturheberschaft des Architekten bestätigen sollte.
Nun – im zweiten Rechtsgang – gab das Erstgericht der Verwertungsgesellschaft recht, da Krawina und Hundertwasser Miturheber des Hundertwasser-Hauses seien. Der Architekt habe gegenüber seinem Miturheber nicht auf seine Rechte verzichtet. Die Verwertungsgesellschaft sei zur Klage legitimiert, weil Krawina ihr seine Werknutzungsrechte übertragen habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Krawina sei Miturheber, weil er u. a. die Zugangslösung zum Innenhof und die den Gesamteindruck mitbestimmenden Terrassen geplant habe. Krawina habe nicht auf seine Ansprüche verzichtet und auch nicht stillschweigend der Verwertung seiner Rechte durch den Miturheber Hundertwasser zugestimmt. Auch das lange Zuwarten des Architekten könne keineswegs als Rechtsverzicht interpretiert werden. Der von der Verwertungsgesellschaft verfolgte Anspruch Krawinas sei daher weder verwirkt noch verjährt. Außerdem sei jeder Miturheber berechtigt, Verletzungen des Urheberrechts alleine gerichtlich zu verfolgen, weil eine Änderung oder Verwertung des Werkes das Einverständnis aller Miturheber erfordere. Weder Krawina noch die Verwertungsgesellschaft hätten aber einer Verwertung zugestimmt.
AUS DER BEGRÜNDUNG DES OGH
Auch dieses Verfahren ging bis zum OGH, der (im nunmehr abgeschlossenen zweiten Rechtsgang) die Miturheberschaft sowohl von Krawina als auch von Hundertwasser bestätigt. Auch Hundertwasser habe eigene Beiträge (Fassadengestaltung, Zwiebeltürme) zum „Hundertwasser-Haus“ eingebracht. Diese Beiträge können als eigenschöpferische Leistungen beurteilt werden und begründen seine Miturheberschaft. Ebenso wenig sind – wie das ergänzende Sachverständigengutachten erbracht hat – eigenschöpferische Beiträge von Krawina am Bauwerk zweifelhaft, weshalb er ebenfalls Miturheber ist.
Nach Feststellung des OGH hat der Architekt keinen stillschweigenden Verzicht abgegeben. Auch seine Zustimmung, dass das Gebäude ohne sein Mitwirken fertiggestellt werden dürfe, stellt keinen Verzicht auf seine Miturheberrechte dar, denn der österreichische Gesetzgeber sieht im Urheberrechtsgesetz keine Möglichkeit der „Verwirkung“ von Urheberrechten vor.
Letztlich entschied der OGH, dass die Klage berechtigt war und Architekt Krawina auf den „Hundertwasser-Haus“ Artikeln als Miturheber genannt werden muss.
PRAKTISCHE FOLGEN
In dieser Entscheidung wird jetzt endgültig bestätigt, dass ArchitektInnen Urheber ihres Architekturwerkes sind und dieses ohne ihre Zustimmung nicht weiterverwendet werden darf. Dies ist vor allem von Bauherren zu beachten, die das Werk als besonderes Identifizierungsmerkmal und/oder für Marketing-Aktivitäten verwenden wollen – dafür müssen sie sich die Werknutzungsrechte daran einräumen lassen. Wird das Werk von einer Architektengruppe geschaffen, dann müssen alle PlanerInnen der Übertragung der Werknutzungsrechte zustimmen. Dieses Thema sollte bereits im Architektenvertrag geregelt werden. Ist dies dort nicht erfolgt, muss vor der ersten Verwendung eine Vereinbarung getroffen werden. Erfolgt die Verwendung ohne Zustimmung des Architekten, so hat dieser auf dem Rechtsweg gute Chancen, seine Rechte zu sichern.
Abschließend soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass nach der derzeitigen österreichischen Rechtslage auf das Urheberrecht selbst nicht verzichtet werden kann, sondern (nur) die Werknutzungsrechte übertragbar sind. Ob allenfalls eine zukünftige EU-weite Regelung eine Änderung dieses Prinzips mit sich bringt, wird sich weisen.
OGH 4 Ob 195/09v vom 11.03.2010
Dipl.-Ing. Dr.techn. Dr.iur. Nikolaus Thaller
Sachverständiger für Bauwirtschaft
Kategorie: Bau & Recht