BIM to Field: BIM auf der Baustelle
BIM auf der Baustelle ist häufig noch ein Fremdwort. Dabei bietet die modellorientierte Planung auch für die Bauausführung Vorteile – etwa bei der Simulation von Bauabläufen, bei Soll-/Ist-Vergleichen, der Qualitäts- oder Baufortschrittskontrolle.
BIM to Field bietet Vorteile beispielsweise in der Baustellenvorbereitung, der Baufortschrittsdokumentation und Qualitätskontrolle. © Autodesk
Building Information Modeling (BIM) unterstützt auch die Bauausführung in vielen Bereichen: So lassen sich beispielsweise Massen und Mengen für die Bestellung und Bauausführung oder Kosten für Kalkulationen und Angebote aus dem BIM-Modell ermitteln. Darüber hinaus können Bauteile maschinell produziert, Bauabläufe simuliert und optimiert, der Baufortschritt einfacher dokumentiert, Mängel erfasst oder Soll-/Ist-Stände verglichen werden. Auf der Baustelle können Markierungspunkte für Bohrungen projiziert, Baumaschinen gesteuert werden und noch vieles mehr.
Massen, Mengen und Kosten
Aus dem BIM-Modell automatisch ermittelte Massen und Mengen können für Angebote und Materialbestellungen verwendet werden. Mit bauteilorientierten Kalkulationsprogrammen lassen sich schon in frühen Projektphasen Kostenaussagen mit einer hohen Genauigkeit treffen. Mit kostenlosen, intuitiv bedienbaren IFC-Viewern können Bauunternehmer und Handwerker BIM-Projekte dreidimensional aus verschiedenen Blickwinkeln auf dem PC oder Tablet betrachten oder virtuell „begehen“ und so Projekte schneller erfassen und verstehen, als anhand von 2D-Plänen. Beliebige horizontale oder vertikale (Schnitt-)Ansichten können ebenso erzeugt, wie Raum- oder Bauteildaten, Mengen, Längen, Flächen oder Volumen abgefragt und gegebenenfalls als Excel-Datei für Kostenberechnungen, Kalkulationen und Angebote exportiert werden. Darüber hinaus verfügen IFC-Viewer über zusätzliche Funktionen – etwa für die Anzeige von Bauteileigenschaften wie Bauteilnummer, Material, Abmessungen, Oberfläche etc. oder für das Filtern der Bauteildaten nach verschiedenen Kriterien, was eine selektive Anzeige des Bauwerks, beispielsweise aller brandschutzrelevanten Türen ermöglicht.
BIM to Field/Fielt to BIM ist vielseitig und bietet in vielen Bereichen neue Möglichkeiten. © Buildingpoint Schweiz
BIM-Bauablaufsimulation
Wird das dreidimensionale BIM-Modell um die vierte Dimension Zeit erweitert (4D BIM), kann der geplante Bauablauf visualisiert werden. So werden zeitliche oder räumliche Kollisionen schon am Bildschirm erkannt – und nicht erst auf der Baustelle. Damit Vorgänge und Abläufe über einen bestimmten Projektzeitraum visuell dargestellt werden können, müssen BIM-Modellelemente mit Bauzeitenplänen verknüpft werden. Nach der Einteilung des Modells in Arbeitsabschnitte werden Reihenfolgebedingungen für die Bauausführung, gegebenenfalls Ressourcen und deren Verfügbarkeit sowie die Start- und Endtermine der Vorgänge definiert. Anschließend können mithilfe eines Viewers durch die sukzessive Einblendung von Bauteilen oder Bauteilgruppen Bau- und Montageabläufe als kurze Videosequenzen dargestellt werden. Damit lassen sich auch gewerkübergreifende Konflikte erkennen und Prozesse optimieren. Die 5D-Simulation berücksichtigt zusätzlich zum Faktor Zeit auch Ressourcen und Kosten und verknüpft neben Geometriedaten und Terminen auch erforderliche Ressourcen, wie Baumaterialien, Maschinen oder Personal. Logistische Prozesse können so besser geplant, gesteuert und Kostenabweichungen vermieden werden. Insbesondere bei komplexen innerstädtischen Bauvorhaben, die zahlreiche verkehrstechnische und städtebauliche Vorgaben berücksichtigen müssen, lassen sich durch die 5D-Simulation im Vorfeld Transport-, Bau- und Montageprozesse optimieren.
Mängelerfassung und Qualitätskontrolle
Wird die bauliche Situation auf der Baustelle erfasst und mit dem BIM-Modell abgeglichen (Field to BIM), können Bau- und Montagequalitäten optimiert werden. Dazu müssen aktuelle Informationen von der Baustelle über mobile Endgeräte, teilweise auch Messgeräte, Baustellenkameras oder Drohnen und entsprechende Programme kontinuierlich gesammelt, aufbereitet und im BIM-Modell verortet werden. Das erübrigt ein nachträgliches Eintippen, Sortieren und Zuordnen handschriftlich erfasster Notizen im Büro. Neben Baustellenfotos lassen sich auch gescannte Pläne, LVs oder andere Dokumente einbinden, teilweise auch Sprachnotizen oder Videos. Wertet die Dokumentations-App auch GPS-Daten der Mobilhardware aus, weiß man auch, welches Foto an welcher Baustelle fotografiert wurde. Aus den erfassten Daten lassen sich Bautages- und Mängelberichte, Behinderungsanzeigen oder Mahnungen generieren. Diese werden den betroffenen Projektpartnern zugeordnet und über einen Verteiler als PDF-Bericht versandt oder auf einem Cloudserver gespeichert. Damit können Projektbeteiligte die Baustellendokumentationen online einsehen und entsprechend ihrer persönlichen Zugriffsrechte gegebenenfalls bearbeiten. Das macht Baustellenaktivitäten transparenter und verkürzt Reaktionszeiten. Allerdings verorten die meisten Apps Baustellenaktivitäten oder Baumängel bisher lediglich im 2D-Plan, so dass Modellbezüge in einem separaten Arbeitsschritt hergestellt werden müssen.
Werden Ist-Stände auf der Baustelle erfasst und mit dem BIM-Modell abgeglichen, können Bau- und Montagequalitäten überprüft, Abweichungen und Fehler sichtbar gemacht werden. © BuildingPoint Schweiz
Baufortschrittsdokumentation und Soll-/Ist-Vergleiche
Eine modellbasierte Baufortschrittskontrolle macht die Überwachung von Terminen und Kosten komfortabler, weil diese mit dem BIM-Modell verknüpft und Abweichungen unmittelbar mit Bauteil-Bezug visualisiert und ausgewertet werden können. Werden Abweichungen und Fehler, beispielsweise eine falsche Ausführung von Aussparungen digital erfasst, kann man sie im Modell qualifizieren, quantifizieren, Folgen abschätzen und Gegenmaßnahmen einleiten. Wird der Baufortschritt regelmäßig erfasst (Ist-Zustand), mit dem BIM-Ausführungsmodell (Soll-Zustand) abgeglichen und auf einem Cloud-Server abgelegt, können Projektmanager Baustellen besser kontrollieren und steuern, SiGe-Verantwortliche Maßnahmen zur Baustellensicherheit oder Ausführende die nächsten Bau- und Montageschritte besser vorbereiten. Werden alle baubegleitenden Änderungen der Planung dokumentiert und in das Modell eingepflegt, entsteht aus einem BIM-Ausführungsmodell ein As-Built-Modell, das den tatsächlich ausgeführten Zustand („as-built“, englisch für „wie-gebaut“) abbildet und für die spätere Nutzung, für die Wartung und Instandhaltung oder für Umbaumaßnahmen verwendet werden kann. Die Ist-Datenerfassung auf der Baustelle und das Einpflegen in das BIM-Modell ist allerdings aufwendig und setzt spezielle Hilfsmittel wie mobile Erfassungs-Apps, Tachymeter, 3D-Laserscanner, Baustellenkameras oder Drohnen voraus. Um den Erfassungsaufwand zu minimieren werden für die Bauteilidentifikation so genannte Auto-ID-Systeme, wie Barcodes, QR-Codes, RFID- und NFC-Transponder oder stromsparende Bluetooth-Funksysteme (BLE) eingesetzt.
Über die modellbasierte Absteckung lassen sich beispielsweise Bohrpunkte aus dem BIM-Modell direkt auf die Baustelle übertragen. © Hilti
Modellbasierte Absteckung
Bei der modellbasierten Absteckung werden im BIM-Modell enthaltene Markierungspunkte auf das reale Objekt (Gebäudebestand, Rohbau, Gelände etc.) übertragen – digital, papierlos und präzise. Auf die Baustelle übertragen lassen sich BIM-Markierungsdaten über Totalstationen, das sind motorisch gesteuerte elektronische Tachymeter. Auch tachymetrische Aufmaßsysteme wie Flexijet, Leica 3D Disto, TheoCAD etc. beherrschen die CAD-Datenprojektion. Mithilfe dieser, meist über ein Tablet gesteuerter Geräte, kann eine Person die im BIM-Modell markierten Punkte per Funk auf das Messgerät übertragen. Zuvor muss es über mehrere Kontrollpunkte im Modell im realen Objekt positioniert und orientiert werden. Die abzusteckenden Punkte werden anschließend mit einem Laserpunkt auf Boden, Wand oder Decke projiziert. Gefälle, Unebenheiten oder ein Versatz in der Ebene werden in der Regel erkannt und bei der Projektion berücksichtigt. Damit können beispielsweise Befestigungspunkte von Stützen, Trägern, Konsolen etc. zeitsparend und absolut präzise auf der Baustelle markiert oder direkt gebohrt werden. Auch im Rohbau nachträglich einzufügende Schlitze oder Durchbrüche etc. können so exakt markiert werden. Im Vergleich zur herkömmlichen Arbeitsweise kann man damit den personellen Aufwand minimieren, Ungenauigkeiten und Fehler vermeiden.
CNC-Fertigung und 3D-Druck
3D-Geometriedaten werden in vielen Gewerken für die Produktion von Bauteilen auf computergesteuerten Maschinen (CNC) verwendet, sei es im Holz-, Stahl-/Metall-, Fenster- oder Betonfertigteilbau. Dabei werden aus den CAD- oder BIM-Daten nicht nur Baupläne generiert. Schnittstellen zu CNC-Fertigungsprogrammen ermöglichen eine Übergabe der CAD-Daten an die Fertigung von Sonderbauteilen, direkt aus dem 3D-Modell heraus und ohne Medienbrüche. Mithilfe additiver Druckverfahren wie dem Rapid Prototyping, respektive 3D-Druck können ferner Einzelteile oder Objekte in geringen Stückzahlen gefertigt werden, die mit herkömmlichen Fertigungsverfahren überhaupt nicht oder nicht wirtschaftlich realisierbar sind. 3D-Druckobjekte lassen sich inzwischen mithilfe eigener 3D-Drucker, 3D-Druckdienstleister, oder mithilfe spezieller, vor Ort montierbarer Portaldrucker direkt auf der Baustelle realisieren. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und reichen vom Einzelstück-, Prototypen- oder Ersatzteildruck bis zum 3D-Druck kompletter Bauwerke.
BIM-Planungsdaten können auch für die Maschinensteuerung auf der Baustelle eingesetzt werden, beispielsweise für die Steuerung von Bohrrobotern. © Hilti
Baumaschinen- und Robotersteuerung
BIM-Planungsdaten können auch für die Maschinensteuerung auf der Baustelle eingesetzt werden, zum Beispiel von mit 3D-Maschinensteuerungssystemen ausgestatteten Baggern. Dabei wird das Geländemodell über einen Monitor im Führerstand der Baumaschine angezeigt. Darauf sieht der Fahrer kontinuierlich die Position der Maschine im Gelände sowie weitere Gelände- und Positionsdaten. Damit ist er in der Lage, zentimetergenau zu arbeiten. Ungenaue Schätzungen oder zeitaufwändige, manuelle Vermessungsarbeiten und Absteckungen zur Positionierung und der Ermittlung von Soll- und Ist-Maßen werden damit vermieden, Arbeitsabläufe lassen sich optimieren. Allerdings können für die Steuerung notwendige Globale Navigationssatellitensysteme (GNSS) nicht in Innenräumen genutzt werden. Hier kommen andere, beispielsweise auf einer Totalstation basierende Verfahren zur Positionsbestimmung zum Einsatz. Damit können etwa Fliesenverlege- oder Bohrroboter-Arbeiten auf der Grundlage von BIM-Daten ausführen. Der Jaibot von Hilti ist beispielsweise in der Lage, sich selbständig in Innenräumen zu orientieren, Löcher zu bohren und diese anschließend für Montage- und Installationsarbeiten zu markieren. Damit unterstützt er Handwerker bei körperlich schweren, sich wiederholenden Tätigkeiten und verbessert die Arbeitssicherheit. Allerdings muss der Jaibot von einer Bedienperson per Fernsteuerung auf der (möglichst aufgeräumten, unverstellten und menschenleeren) Baustelle navigiert werden.
Per AR-Brille kann vor Ort beispielsweise die geplante Installationsführung auf Kollisionen oder ausreichende Montageräume überprüft werden. © BuildingPoint Schweiz
BIM und VR, AR, MR
Mithilfe Virtueller Realitäten (engl. Virtual Reality, VR) lassen sich BIM-Modelldaten realitätsnah per VR-Brille betrachten. Bauherren oder Handwerker können beispielsweise das Bauvorhaben virtuell betreten, Platzverhältnisse und Ausstattungsdetails begutachten und so eine bessere Vorstellung vom Projekt bekommen, so dass Missverständnisse, Planungs- oder Ausführungsfehler vermieden werden. Erweiterte Realitäten (engl. Augmented Reality, AR) bringen BIM direkt auf die Baustelle. Dabei lassen sich über transparente AR-Brillen oder Tablets in das Realbild zusätzliche digitale Informationen, beispielsweise die gebäudetechnische Leitungsführung am Rohbau, in der jeweils richtigen Perspektive und im richtigen Maßstab einblenden. Komplexe Details können so direkt an Ort und Stelle besprochen und gegebenenfalls Konfliktpunkte gelöst werden. Ebenso kann vorab überprüft werden, ob für die Montage ausreichend Platz vorhanden ist, ob Installationsschächte zugänglich oder Funktionsbauteile im eingebauten Zustand auch bedienbar sind etc. Mixed Reality (MR) erkennt zusätzlich die jeweilige Umgebung und ermöglicht eine Interaktion mit den eingeblendeten digitalen Inhalten sowie zwischen mehreren Teilnehmern einer MR-Präsentation. Eingesetzt werden MR-Techniken vor allem bei großen Projekten, um sich etwa zwischen mehreren Projektbeteiligten von verschiedenen Standorten aus an einem virtuellen Modell im Rahmen von virtuellen Baustellenbesprechungen abzustimmen.
Systeme zur automatischen Identifikation und Datenerfassung (Auto-ID) vereinfachen die Bauteilverfolgung und Dokumentation vor Ort. © Strabag
Fazit: BIM to Field ist schon Realität
BIM to Field ist insbesondere bei großen Bauunternehmen wie Implenia, Max Bögl, Obermeyer, Strabag, Wolff & Müller, Züblin etc. und großen Baustellen schon Realität. Praxiserfahrungen zufolge (vgl. [3] und [4]) werden damit Fehler minimiert, Produktivitäten und Ausführungsqualitäten gesteigert, Arbeitszeiten und Personalkosten eingespart. Aber es fehlt häufig noch an direkt nutzbaren BIM-Daten. Diese werden von Planern entweder überhaupt nicht oder nicht in der notwendigen Detaillierung und Qualität zur Verfügung gestellt. Deshalb sollten die Anforderungen an BIM-Ausführungsmodelle im BIM-Abwicklungsplan (BAP) genau beschrieben werden. Die digitale Baustelle hängt nämlich entscheidend von der Qualität der zur Verfügung gestellten BIM-Ausführungsmodelle ab. Diese setzen allerdings Know-how voraus, da bereits bei der Konstruktion des BIM-Modells die bauliche Umsetzung und Montage berücksichtigt werden müssen. Deshalb sollten BIM-Ausführungsmodelle von einem mit der Bauausführung und dem Baubetrieb vertrauten Mitarbeiter erstellt oder von diesem begleitet werden. Last but not least müssen auf der Baustelle eingesetzte Systeme intuitiv bedienbar, robust und baustellentauglich sein, damit sie in der Praxis auch funktionieren und angenommen werden.
Text: Marian Behaneck
Glossar
BIM to Field: (BIM 2 Field) … bezeichnet die BIM-Modelldatenübertragung auf die Baustelle. Beispiele sind die modellbasierte Absteckung oder die Baumaschinensteuerung.
Field to BIM: (Field 2 BIM) … bezeichnet das Einpflegen von Baustellendaten in das BIM-Modell. Beispiele sind die 3D-Erfassung für Baufortschrittdokumentationen oder Soll-/Ist-Vergleiche.
BIM-Ausführungsmodell: … steht für das während der Werk- und Detailplanung entstandene digitale Bauwerksmodell, das für die Bauausführung genutzt wird.
As-Built-Modell: … basiert in der Regel auf dem BIM-Ausführungsmodell und bildet den tatsächlich ausgeführten Zustand des Bauprojekts ab („as-built“, englisch für „wie-gebaut“).
BAP: (BIM-Abwicklungsplan) … definiert die Ziele in einem BIM-Projekt und deren technische Umsetzung, beispielsweise Leistungen, Verantwortlichkeiten, Detaillierungsgrade des BIM-Modells, Softwareanforderungen, Übergabe-Formate etc.
Literaturtipps*
[1] Gasteiger, A.: BIM in der Bauausführung. Automatisierte Baufortschrittsdokumentation mit BIM, deren Mehrwert und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Phase der Bauausführung, Innsbruck University Press, Universität Innsbruck, 2015
[2] Günthner, W./Borrmann, A. (Hrsg.): Digitale Baustelle – innovativer Planen, effizienter Ausführen, Werkzeuge und Methoden für das 21. Jahrundert, Springer, Heidelberg 2011
[3] BuildingPoint Schweiz: Digitale Baustelle: Wo steht die Praxis heute?, aus: Die Baustellen 09/2020, Fachkom, Langau
[4] Diezi, G.: BIM-to-Field: Eine papierlose Modellbaustelle, aus. Baublatt 05/20, Doku Media Schweiz, Adliswil
* Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.