Der Kulturerhalt sollte eine Verpflichtung sein
Im Gespräch mit Julia und Maximilian Kneussl:
Sie haben als Immobilienentwickler einen ganz anderen Zugang zu Architektur. Was wünschen Sie sich von Architektur?
Julia Kneussl: Gute Architektur ist der Luxus des Alltags. Nicht (russisches) Gold und Silber und Extravaganz, sondern ein Grundriss, der funktioniert, eine tolle Sichtachse, eine Großzügigkeit, sodass ich in der Früh aufstehe und gerne meinen Kaffee in der Küche trinke, mich einfach wohlfühle.
Der Unterschied zwischen guter und schlechter Architektur liegt ausschließlich im Detail und wie Materialien aufeinandertreffen.
Investor Maximilian Kneussl und seine Frau, die Innenarchitektin Julia Kneussl, haben das Unternehmen Crownd Estates in Wien gegründet und eine exakte Vorstellung von Architektur, die sie in ihren Projekten auch umzusetzen versuchen. Foto:©Julia Stix
Was soll gute Architektur können?
JK: Die Kombination von Funktion und Form muss gegeben sein. Sie muss fürs Auge schön sein, gut riechen, sich gut anfühlen.
Soll Architektur auch provozieren?
JK: Das kommt auf den Ort an. Wir als junges Unternehmen, die wir für den Endverbraucher bauen, wollen, dass Architektur im städtebaulichen Kontext funktioniert. Grundsätzlich muss sie provozieren, aber wir bevorzugen einen eher konservativeren Zugang.
Herr Kneussl, beeinflusst Sie Ihre Frau in der Entscheidung über Architektur?
Maximilian Kneussl: Ja, sehr! Ich bin eher für das große Ganze und meine Frau ist für die Details zuständig. Wenn mir eine Immobilie gefällt, wenn ich ein Gefühl für Entwicklungsmöglichkeit habe, dann kaufe ich. Wir ergänzen uns in den Punkten, in denen ich nicht die Geduld für Feinheiten und Kleinigkeiten habe, denn jedes Projekt muss bis in das kleinste Detail durchentwickelt werden. Ich lasse mich schnell von einem Architekten oder Fachplaner mit der Aussage „das geht so nicht“, abspeisen, meine Frau hinterfragt diese Aussagen immer und bleibt hartnäckig.
Wo wird sich die Architektur der nächsten Jahre hin entwickeln?
MK: Es wird nicht mehr das Optische, das Aussehen eines Objektes im Vordergrund stehen, sondern die Funktionalität. Besonders in den innerstädtischen kleinen Wohnungen. Der Fokus wird sich auf die Möbelkultur, Einbaumöbel und das Innere richten.
Ein Projekt von David Chipperfield in New York. Genauso elegant im Einsatz der Materialien soll das Projekt, das Crownd Estates mit Chipperfield gerade in Wien entwickeln, werden. Foto:©David Chipperfield
Also ist die Zeit der imageträchtigen Architektur vorbei?
MK: Ja, in den Städten auf jeden Fall. Der Trend geht in die Richtung, nicht zu großspurig zu sein, es soll in zehn Jahren auch noch gut ausschauen. Leider befasst sich die Neubaukultur in Wien nicht mit dieser Frage. Die Baurechtsnovelle kann da hilfreich sein, indem ohne Konzept kein Gründerzeit- oder Jugendstilhaus mehr abgerissen werden darf.
Ist die Nachhaltigkeit für Sie ein Thema bei Ihren Projekten?
MK: Ja, gerade im innerstädtischen Bereich trachten wir, die Energiekosten so gering wie möglich zu halten. Bei Altbauten oder Renovierungen ist das durchaus eine Herausforderung.
Lernen wir von der Natur?
JK: Ich habe vor dem Innenarchitekturstudium sechs Jahre Molekularbiologie studiert. Die Pflanzen und Zellstrukturen sind hervorragende Inspirationen für Architektur. Sie funktionieren perfekt.
Würden Sie solche Ansätze in Ihre Architektur einbeziehen?
JK: Ich sofort, aber da kommt sofort unser Finanzexperte und legt ein Veto ein. Im Privatbereich geht das einfacher, im öffentlichen Bereich sind wir da ein bisschen schaumgebremst.
MK: Wien ist noch nicht so weit, wir wären es schon. Das Klientel zögert hier noch.
JK: Das ist eine Frage der Aufklärung und der Vermittlung, der „Erziehung“ des Kunden. Haben wir einen Bildungsauftrag, ja oder nein? Natürlich können wir nicht jahrelang experimentieren, am Ende des Monats müssen auch Löhne gezahlt werden.
MK: Wir versuchen mit unseren Budgetvorgaben etwas umzusetzen, das sich sehen lassen kann. Für uns beide privat, hat das Wohnen einen großen Stellenwert. Bei uns muss auch im Urlaub die Architektur passen. Wir suchen ein Haus aus und fahren dorthin, nicht auf eine Insel. Luxus liegt nicht in den technischen Dingen, sondern eher in der Einfachheit.
Sie sind also ein gutes Teamin der Arbeit?
MK: Ja, ich bin eher das Trüffelschwein mit dem Riecher für Projekte und Julia macht dann die Knochenarbeit, sie ist mein Herz und meine Seele. Weil ich fast nur mit Akquisitionsgesprächen, dem Verkaufen und den Banken beschäftigt bin.
Hat die Architektur im Immobilienmarkt einen zu großen oder zu kleinen Stellenwert?
MK: Sie hat heute einen viel zu kleinen Stellenwert.
Ein Einfamilienhaus in Vorarlberg, das Crownd Estates mit Dietrich Untertrifaller entwickelt haben. Foto:©Bruno Klomfar
Sie konzentrieren sich auf die Qualität. Welchen Zugang haben Sie da?
JK: Etwas in uns weigert sich, es anders zu machen. Speziell beim Altbau und dessen Sanierung: Wir leben in einer wunderschönen Stadt und haben eine Verantwortung für unsere Umgebung, für die Architektur.
Der Kulturerhalt sollte eine Verpflichtung für jeden Bauträger sein. Wir sind keine hauptsächlichen Verkäufer, wir machen nur das, wo wir authentisch dahinterstehen.
MK: Wir haben uns ja auf den Eigen- oder Endnutzerbereich spezialisiert, nicht auf Wohnungen als Anlage- oder Finanzprodukt. Da muss man sich ständig weiterentwickeln und dem Kunden auch etwas bieten. Bei uns fängt Qualität bereits bei der Bankpräsentation eines Projektes an. Wahrscheinlich könnten wir wirtschaftlicher sein, wenn wir einen schnelleren, unkomplizierteren Weg nähmen. Wir schauen uns jede Wohnung so an, als ob wir selbst oder unsere Kinder dort einziehen würden. Die Wohnungen, die wir anbieten, sind teuer, aber sie beinhalten auch ein Full-Service-Package. Der Kunde kann, wenn er will, alles bis zu den maßgefertigten Einbaumöbeln von uns bekommen. Sodass er nur den Koffer packen und einziehen kann.
Text:©Peter Reischer
Kategorie: Kolumnen