IR-Kompaktkameras: Thermografie 2 go!

19. April 2017 Mehr

Kompakte Thermografie-Kameras im Smartphone- und Tablet-Format oder als IR-Kamera-Aufsatz werden auch für Planer immer interessanter. Was leisten sie und wo sind ihre Grenzen?

Die Wärmebildtechnik wird immer leichter und portabler: Inzwischen gibt es auf Smartphones aufsteckbare IR-Kameraaufsätze oder IR-Kompaktkameras, die aussehen wie ein Smartphone oder Tablet. Damit hat man ein nützliches Analyse- oder Akquisewerkzeug in der Hemd-, Mantel- oder Hosentasche stets parat: Wärmebrücken an der Gebäudefassade lassen sich damit ebenso eindrucksvoll dem Hauseigentümer präsentieren, wie ungedämmte Leitungen, Leckagen, potenzielle Schimmelstellen oder undichte Stellen im Rahmen der Differenzdruck-Messung (Blower-Door).

 

IR Kompaktkameras FLIR

Thermografie to go: aktuelle IR-Kompaktkameras passen inzwischen sogar in die Hemdtasche.

© FLIR

 

Technische Neuerungen

Technische Neuerungen machen es möglich, …dass die früher nur in gekühlten, koffergroßen Kisten erhältliche hochsensible Messtechnik jetzt sogar in ein streichholzschachtelgroßes Gehäuse passt. Die Miniaturisierung wurde unter anderem durch die Entwicklung ultrakompakter In-frarot-Detektoren mit integrierter Optik und Abmessungen von nur wenigen Millimetern ermöglicht. Auch die Optik wurde kompakter: Während in hochwertigen IR-Kameras große, teure Germanium-Linsen mit fokussierbarer Optik verbaut sind, verfügen IR-Kameras der Einstiegsklasse meist nur über ein winziges Silizium-Objektiv mit fester Brennweite. Das erübrigt zwar eine Fokussierung auf das Objekt, mindert aber insgesamt die Bildschärfe. Leider nimmt mit dem Durchmesser der Infrarot-Optik auch die Bildqualität ab, denn je kleiner dieser ist, desto weniger Wärmeenergie gelangt durch die Optik auf den Detektor. Dass auch die Kamerapreise deutlich gesunken sind, lässt sich neben den erwähnten Einsparungen an der Technik auch durch hohe Produktionszahlen erklären. Einsteiger-Wärmebildkameras gibt es inzwischen schon für unter 500 Euro. Damit wird diese vielseitige Messtechnik endlich erschwinglich. Gleich mehrere Anbieter bieten kompakte Einsteiger-Modelle: Thermografie-Spezialist FLIR offeriert beispielsweise mit der C2 eine Einsteiger-Wärmebildkamera in der Größe eines Outdoor-Smartphones. Das flache, gummierte Gehäuse verfügt über ein großes Touch-Display, über das die Kamera per Fingertipp bedient wird. Der Fixfokus erübrigt das Scharfstellen, sodass man nur noch das Motiv anvisieren und auf den Auslöseknopf drücken muss.
Ein zur herkömmlichen Pistolenform alternatives Gehäuse-Design hat auch Messgerätehersteller Trotec mit der AC080V gewählt. Die Wärmebildkamera im Tabletgehäuse verfügt ebenfalls über ein Touch-Display und zusätzlich über eine 8-Megapixel-Digitalkamera. Einen Infrarot-Detektor von FLIR direkt in ein Rugged-Smartphone hat CAT Phones verbaut. Das CAT S60 kann alles, was ein robustes Smartphone kann. Zusätzlich kann es aber auch Wärmebilder aufnehmen und anzeigen. Ein anderes Konzept verfolgen ultrakompakte IR-Kameraaufsätze. Das sind IR-Kameras ohne Display, die für die Wärmebildanzeige ein Smartphone oder Tablet nutzen. Beispiele dafür sind die FLIR ONE, die ThermApp von OPGAL oder die Thermal CompactPro von Seek (siehe auch Infokasten). Diese Aufsätze werden einfach auf ein Android- oder iOS Smartphone aufgesteckt und verwandeln es in Verbindung mit der entsprechenden App in eine Wärmebildkamera.

 

IR Kompaktkameras Smartphones

Auch als Aufsatz für Smartphones sind IR-Kompaktkameras mittlerweile zu haben.

© Opgal Optronic Industries

 

 

Kompaktkameras im Vergleich

Bei der Auswahl sollte man die wichtigsten Kamera-Parameter miteinander vergleichen. Dazu zählt zunächst die Detektorauflösung. Sie gibt an, in wie viele Pixel in X- und Y-Richtung der Detektor die von der Optik erfassten Daten auflösen kann. Sinnvoll sind Kameras mit einer Detektorauflösung ab 160 x 120 IR-Pixeln. Das „Sichtfeld“ gibt in vertikaler und horizontaler Richtung den Erfassungsbereich der mitgelieferten Optik an. Auch die geometrische Auflösung (IFOV) entscheidet über die Bildqualität. Sie ist abhängig vom aktuell eingesetzten Objektiv. Weitere wichtige Parameter sind der messbare Temperaturbereich, der mindestens zwischen -20° und +100° Celsius liegen sollte und der sogenannte NETD-Wert. Er gibt die kleinste Temperaturdifferenz an, die vom Detektor erfasst werden kann und liegt bei Einsteigergeräten zwischen 0,1 und 0,07 Kelvin. Je niedriger dieser Wert ist, desto geringer ist die Gefahr des „Bildrauschens“, das die Bildqualität erheblich beeinträchtigen kann. Die Genauigkeit gibt die Messabweichung in Prozent bei 30°C an. Sie nimmt mit hohen oder niedrigen Temperaturen ab. Zu den Kameraeinstellmöglichkeiten sollten mindestens eine präzise Eingabe des Emissionsgrades und der reflektierten Temperatur sowie optional des Messabstands und der Luftfeuchte gehören. Bei vielen Einsteigermodellen muss man hier allerdings Abstriche machen. Ist beispielsweise der Emissionsgrad, also der materialspezifische Wärmeabstrahlkennwert, nicht einstellbar, sind Messfehler vorprogrammiert. Bei den Messfunktionen, d. h. das, was direkt am Kamera-Display radiometrisch ausgewertet werden kann, sollte mindestens eine Anzeige des Minimal- und Maximalwerts vorhanden sein. Meist wird aber nur die Temperatur eines Messpunkts im Displayzentrum angezeigt. Die Kameraoptik verfügt meist über eine feste Brennweite, eine Wechseloptik bieten aber nur wenige Modelle (z. B. Opgal ThermApp HZ). Auch dreh- und schwenkbare Displays, die eine bequeme Aufnahme auch aus ungünstigen Kamerapositionen heraus ermöglichen, sind die Ausnahme. Im internen Speicher sollten möglichst viele Bilddaten abgelegt werden können. Ein zusätzlicher Wechselspeicher im SD- oder Micro-SD-Kartenformat, über den allerdings nicht alle Kameras verfügen, schafft unterwegs Speicherreserven. Beim Gehäuse sollte man auf kompakte Abmessungen, ein geringes Gewicht und „Baustellentauglichkeit“ (Schutzklasse ab IP 54 = staub- und spritzwassergeschützt) achten.
Ein Schwachpunkt sind häufig die Akkus. Sie sind teilweise fest verbaut und damit für Anwender nicht ohne Weiteres austauschbar. Eine Ladestandanzeige gibt meist Auskunft über die verbleibende Betriebszeit der Lithium-Ionen-Akkus, mit zwei bis vier Stunden ist diese bei realistischem Nutzungsprofil aber etwas knapp bemessen. IR-Kameraaufsätze wiederum können die Akkus des Smartphones schnell „leersaugen“. Zum Standard-Zubehör gehört in der Regel ein Netzteil, eine Ladestation, ein Netz- und USB-Kabel, ein stabiler Transportkoffer, eine Auswertungs-Software sowie gegebenenfalls weiteres Zubehör. Die Preise von IR-Kameras der Kompaktklasse liegen zwischen 500 und 3.500 Euro.

 

IR Kompaktkameras Tablet

Interessant ist die Kombination von IR-Kamera- mit Tablet-Funktionen …

© Trotec

 

Was spricht für, was gegen die Kompaktklasse?

Zu den wichtigsten Vorzügen zählen die kompakten Abmessungen, das geringe Gewicht und die einfache Bedienung. Verglichen mit Profimodellen, sind IR-Einsteigerkameras einfacher bedienbar, weil die Scharfeinstellung entfällt und Kamerafunktionen sich auf das Wesentliche beschränken. Da man die Kameras bequem um den Hals tragen, respektive schnell in die Tasche stecken kann, lassen sie sich praktisch immer und überallhin mitnehmen. So kann man sich auf der Baustelle oder beim Kunden zusätzlich zum visuellen immer auch ein thermografisches Bild von der jeweiligen Situation machen, ohne ein schweres, unhandliches und teures Equipment mitnehmen zu müssen. Besonders interessant ist die Kombination von IR-Kamera- mit Smartphone- oder Tablet-Funktionen, denn damit lassen sich die aufgenommenen Wärmebilder unmittelbar mit den entsprechenden Apps be- und verarbeiten oder per E-Mail sofort versenden. Zwar gibt es viele Schwachstellen, aber sie fallen weniger deutlich aus, als noch vor wenigen Jahren.

 

IR Kompaktkameras Smartphonefunktion

…oder Smartphone-Funktionen, weil Wärmebilder unmittelbar mit Apps be- und verarbeitet, per E-Mail versandt oder in Sozialen Netzwerken geteilt werden können.

© Caterpillar

 

 

So bleibt die Detektorauflösung keineswegs auf 160 x 120 IR-Pixel oder weniger beschränkt. Die Wärmebilder weisen akzeptable, teilweise sogar gute Qualitäten mit Auflösungen bis zu 384 mal 288 IR-Pixeln auf (z. B. Opgal ThermApp TH). Per sogenannter Resolution Enhancement-Technologie (RET) kann die IR-Auflösung bei einigen Modellen zusätzlich gesteigert werden. Funktionen wie die intelligente Überlagerung von visuellem und IR-Bild (z. B. MSX von FLIR oder IR-Fusion von Fluke) verbessern den Kontrast und die Orientierung im Bild. Dass kein Sucher vorhanden oder das Display häufig nicht dreh- und/oder schwenkbar ist, kann sich in der Praxis als Nachteil erweisen – etwa wenn von der Sonne beschienene PV-Module, Objekte über Kopf oder in Bodennähe thermografisch erfasst werden müssen. Angezeigt wird das von der Kamera erzeugte Wärmebild auf einem LCD-Display, dessen Bildauflösung meist erheblich höher ist, als die Thermogramm-Auflösung. Das gilt insbesondere für IR-Kameraaufsätze. Dadurch kann beim unerfahrenen Kaufinteressenten ein falscher Eindruck über die „gute“ Qualität des IR-Kameradetektors entstehen. Achten sollte man auch darauf, ob der Anbieter eine Auswertungssoftware mit einem entsprechenden Funktionsumfang anbietet, mit der man die Wärmebilder radiometrisch analysieren und im Rahmen von Berichten interpretieren kann. Das ist nicht bei allen Anbietern der Fall, was die Einsatzmöglichkeiten der Kamera einschränkt.

 

 

 

Kompaktkameras der Einstiegsklasse sind für die Leitungs-oder Leckgesuche, für die vorbeugende Instandhaltung der Gebäudetechnik …..  © Trotec

…und teilweise auch für  die Ortung von Wärmebrücken an Fenstern und Haustüren einsetzbar. © Testo

 

Fazit: immer kompakter, besser, billiger

Aktuelle IR-Kompaktkameras eignen sich längst nicht mehr nur für den schnellen Vorab-Check oder für Akquisezwecke. Auflösungen ab 160 x 120 IR-Pixeln erlauben auch geschäftliche Anwendungen, beispielsweise die Lokalisierung von Wärmebrücken oder Leitungsleckagen. Mit Auflösungen ab 320 x 240 IR-Pixeln sind sie auch für die Gebäude-Energieberatung oder für die vorbeugende Instandhaltung der Gebäudetechnik geeignet. Braucht man aber detailreiche Thermogramme, sind Profimodelle ab 640 x 480 IR-Auflösung und mehr gefordert (siehe auch folgender Praxisbericht). Auch wenn preiswerte Einsteigerkameras suggerieren, dass die Thermografie einfach sei – Fachwissen ist dennoch erforderlich. Thermografie-Kameras sind bildgebende Temperatur-Messgeräte, deren Interpretation Fachwissen aus den Bereichen Optik, Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Materialkunde oder Bauphysik voraussetzt, die man sich am besten im Rahmen mehrtägiger Schulungen bei seriösen Schulungsanbietern aneignet.

 

Teilweise verbessern Zusatzfunktionen, wie die intelligente Überlagerung von visuellem und IR-Bild, den Kontrast und die Orientierung im Bild (IR-Auflösung 80×60, ohne/mit MSX) © FLIR

 

Text: Marian Behaneck, Walter Riemenschneider

 

Weitere Infos*
www.notebookcheck.com                     Smartphone-/Tabletkameras im Test
www.thech.ch                                         Thermografie Verband Schweiz        
www.thermografie.co.at                       Österr. Gesellschaft für Thermografie
www.thermografie.de                           Dienstleister mit vielen Infos/Beispielen
www.vath.de                                          Bundesverband für angew. Thermografie
www.waermebildkamera-test.de       Produktvergleich Einsteiger-Kameras
www.wikipedia.at                                 Basisinfos (Suchwort: „Thermografie“ etc.)

 

Modelle und Anbieter *
CAT S60 Smartphone (www.catphones.com)

FLIR ONE, C2 (www.flir.at)

Fluke TiS 40 (www.fluke.at)

ICOdata IR 80, 100 (www.icodata.de)

InfraTec mobileIR E4, E9 (www.infratec.de)

irPOD TI160/384 (www.irpod.net)

Milwaukee M12TI-21 M12 (www.milwaukeetool.de)

Opgal ThermApp HZ, TH (www.lk-shop.com)

CEM DT-980 (www.reichelt.de)

Seek Thermal Compact-Pro (www.thermal.com)

Testboy TV294-160 Digital (www.testboy.de)

testo 865 etc. (www.testo.at)

Trotec AC080V (https://de.trotec.com)

Laserliner ThermoCamera-Compact Pro (www.umarex-laserliner.de)

PCE-TC 31 (www.warensortiment.de)

* Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit

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Kategorie: EDV, News