Frauen in der Architektur – Architektin DI Claire Braun
Architektin DI Claire Braun
Die Oberösterreicherin sucht in ihrem Leben als Architektin nach Schönheit und den Grundlagen für Ordnung und Struktur.
Selbst in Architektenkreisen ist Schönheit ein oft verpönter Begriff, der durch Funktionalität und Energieeffizienz ersetzt wird. Auch als Frau muss ich Kant widersprechen, denn Schönheit hat aus meiner Sicht nichts mit Geschmack zu tun, dieser ist individuell, Schönheit ist absolut. Oder gibt es jemand, der eine Villa von Andrea Palladio nicht als schön bezeichnet? Ich spreche hier über Schönheit im ästhetischen Sinn, ich spreche von Proportionen, Harmonie, Sinn und Nachhaltigkeit, Begriffe, die durchaus hochkomplex sein können und auf Ordnungsprinzipien aufbauen; auch vom Respekt vor alter Bausubstanz, ohne das Neue aber weniger zu bewundern. Schönheit kann überall sein, in der Kunst, in der Natur, im Alltag, im Kleinen und im Großen, im Alten und im Neuen.
Das Erkennen von Schönheit setzt das aufmerksame Betrachten der Umgebung voraus, die Kunst des Sehens (siehe Arnheim). Das ist leider bei vielen Menschen verloren gegangen. Männer sehen Schönes anders als Frauen, sie haben andere Kriterien dafür. Dabei ist der Wunsch nach einer ansprechenden Umgebung durchaus bei beiden vorhanden. Warum fangen wir nicht in unserem unmittelbaren Lebensumfeld an, eine ansprechende und beglückende Umgebung zu schaffen, anstatt im Urlaub irgendwo hin zu fliehen? Eine optimierte Stadtgestaltung kann auch die Wochenendflucht aus der Stadt aufhalten und reduziert somit Verkehr und Fläche. Von Autos verparkte Flächen brauchen wir, um unsere Städte lebenswert zu gestalten, denn Städte sind für Menschen konzipiert, nicht für Autos. Es sind die zufälligen Begegnungen im öffentlichen Raum, die das städtische Leben interessant machen. Und zwar an den Orten, an denen die öffentliche und private Sphäre aneinanderstößt und die traditionell einer konkreten, vorbestimmten Nutzung entzogen ist. Mit entsprechender Begrünung kann dieser Bereich auch der Erholung und Stadthygiene dienen und in den südeuropäischen Städten funktionieren die Fußgängerzonen ausgezeichnet!
Verlassen wir die Stadt und begeben uns aufs Land: Bedingt durch die politische Zuständigkeit der örtlichen Raumordnung auf Gemeindeebene ist ein heilloses Durcheinander entstanden. Verstärkt wird die Situation durch die Kommunalsteuer, welche die Haupteinnahmequelle der Gemeinden ist. Anstatt unsere Landschaft an definierten Knotenpunkten dicht und ästhetisch zu bebauen, baut jeder irgendwo irgendwas. Das Ergebnis ist eine großteils zersiedelte Landschaft mit hohen Kosten für die Herstellung und Erhaltung der Infrastruktur. Zersiedelung ist auch Umweltverschmutzung, das haben die Entscheidungsträger (noch) nicht bemerkt. Die Bebauung zu steuern wird sinnvolle, starke Gestaltungsrichtlinien und strenge Baugesetze erfordern. Das ist in einer immer bevölkerungsreicheren Welt nicht zu vermeiden. Übrigens gab es auch in Siena, der kleinen, viel bewunderten Stadt in der Toskana, bereits im Mittelalter sehr strenge Baugesetze.
Halten wir Maßstab, Maß und Sparsamkeit (Bodenverbrauch) ein und erkennen wir den Wert der Schönheit und die Einhaltung von Regeln, wird das auch sehr positive volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Und uns vor allem glücklicher und zufriedener machen!
Text:©Peter Reischer
Frauen in der Architektur Teil 1
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen