Gedanken über die Zukunft für nachhaltige Städte machen

26. April 2021 Mehr

Seit 2001 widmet sich der Architekt Franz Denk interdisziplinären Projekten zu den Themenschwerpunkten Stadtentwicklung, Stadterneuerung und öffentlicher Raum. Als Sitz im Stadtnachhaltigkeitsausschuss der Kammer der Ziviltechniker Wien-NÖ-Bgld leistet er einen wichtigen Beitrag, um österreichische Städte nachhaltig für die Zukunft zu entwickeln. Zusätzlich ist er auch Vorstandsmitglied im Architekturnetzwerk ORTE-NÖ, das unter dem Dach der Architekturhäuser Österreich eine wichtige Vermittlerrolle für die Baukultur übernimmt.

 

Architekt Franz Denk
© Franz Denk

 

Was macht eine Stadt aus?
Stadt bedeutet für mich Schönheit, Vielfalt, Möglichkeiten, Stress, und Konsum. Stadt ist ein Ort des Fortschritts und Experiments, der Attraktion und des Angebots. Adolf Loos hat die Stadt qualitativ als Möglichkeitsraum beschrieben, dessen Einrichtungen man nicht nutzen muss, aber jederzeit nutzen könnte. Die Stadt bietet, soziologisch betrachtet, vielfältige Räume für Interaktion in unterschiedlichsten sozialen Milieus.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Nachhaltigkeit ist für mich die Gegenthese zur Globalisierung: Wachstum, Profitmaximierung, Konzentration, Kapitaldominanz. Wenn ich von all diesen Begriffen das Gegenteil nehme, dann komme ich schnurstracks in nachhaltiges Fahrwasser. Globalisierung bedeutet ja permanentes Stadtwachstum, aber diesen Entwicklungen muss man entgegenwirken. Gefragt sind vielmehr Dezentralisierung, Kleinteiligkeit in den Zentren oder umweltfreundlicher Verkehr. Hauptziel muss es sein, unsere Städte für möglichst viele Menschen lebenswert zu gestalten.

Ist es am Land oder in der Stadt leichter nachhaltig zu leben?
Der Unterschied zwischen beiden verschwimmt ja zusehends. Die Stadt verländert und das Land verstädtert. Die Wege sind in der Stadt kürzer, am Land komme ich ohne Auto fast nirgends hin. Für die Stadt habe ich eine viel konkretere Zukunftsvision, bei der die Vorteile auf der Hand liegen: etwa effiziente Energieversorgung, geringerer Bodenverbrauch, Marktakkumulation. Insofern bin ich ein bekennender Urbanist.

 

Bei dieser Vision stellt sich Franz Denk ein verdichtetes „Wien an die Donau“ vor, deren Ausgangspunkt die drei dortigen U-Bahn-Standorte sind. Die städtebauliche Grundkonzeption umfasst unterschiedliche konzentrierte Bauformen zwischen Hoch- und Reihenhäusern.

 

Woran erkennt man eine nachhaltige Stadt?
Auf den ersten Blick erkennt man sie nicht. Die Nachhaltigkeit in Städten umfasst Prozesse, Lebensweisen und Regeln, die man erst nach längerem Aufenthalt begreift. Wie der Verkehr funktioniert, durchschaut man ja relativ schnell, aber wie sind die Wirtschaftskreisläufe geregelt? Wie funktioniert die Mülltrennung? Wie wird Partizipation gelebt? Diese gesellschaftlichen Konventionen entschlüsselt man nicht so schnell. Die Frage ist ja, welche Strategien, Konzepte und Szenarien bietet eine Stadt an? Wie ist der Umgang mit Öffentlichkeit? Eine Stadt, die sich solchen Zukunftsfragen stellt, ist schon auf dem richtigen Weg.

Wie lässt sich die Nachhaltigkeit der Städte bewerten?
Nachhaltigkeit ist ein Bekenntnis, das für jede Stadt subjektiv und spezifisch ist. Jede Stadt muss selbst entscheiden, welchen Themen sie sich wann widmet. Wenn wir im Stadtnachhaltigkeitsausschuss Flächenwidmungs- und Bebauungspläne bekommen, prüfen wir diese auf Übereinstimmung mit den Zielen der Stadt. Diese ist oft, aber nicht immer gegeben. Ist es wirklich nachhaltig, Schulfreiflächen mit Turnhallen zu verbauen?  Die bekannten Stadt­rankings, die man durchaus kritisieren kann, basieren meist auf ziemlich nachhaltigen Bewertungskriterien: etwa das politische und soziale Umfeld, die sozio-kulturelle Situation, auf Gesundheit und medizinische Versorgung, Sicherheit, Schule und Bildung. Konsumgüter und Ökonomie bilden da oft nicht die großen Schwerpunkte.

Welche Aufgabe haben Stadtentwicklungs- und Flächenwidmungspläne?
Auf Basis von Konzepten und anderen Grundlagen formulieren diese die räumliche Entwicklung der Stadt. Stadtentwicklungskonzepte sind in Wien nicht verbindlich. Flächenentwicklungs- und Bebauungspläne schon, haben aber mit dem Bestand mitunter wenig zu tun. Im Prinzip geht es um ein Zukunftsszenario, das vom Baulichen über den Freiraum bis hin zu Infrastruktur und Konsum reicht. Alle Bereiche des Zusammenlebens sind betroffen.

 

Im Zuge des kooperativen Verfahrens entwickelte Franz Denk für das Sonnwendviertel ein Szenario, bei dem Bebauung und Landschaft miteinander verzahnt werden.
Im Zuge des kooperativen Verfahrens entwickelte Franz Denk für das Sonnwendviertel ein Szenario, bei dem Bebauung und Landschaft miteinander verzahnt werden. © Franz Denk

 

Welche Punkte fehlen auf der Agenda, um nachhaltige Städte zu schaffen?
Im Neubau sind die Baulose oft zu groß und das führt in vielen Stadt­erneuerungsgebieten zu ähnlichen Strukturen mit reinen Wohngebieten. Nicht die Dichte an sich, sondern die unausgewogene Verteilung derselben führt zu fragwürdigen Ergebnissen mit omnipräsenten „Freien Mitten“ als Kompensation. In der aktuellen Stadtplanung fehlen mir einfach echte Zentren und urbane Stadtparks. Man denkt zu wenig darüber nach, wie man „Stadt“ durch Kleinteiligkeit entwickeln kann. Das beinhaltet auch das Thema der Durchmischung. Wo bleiben Gewerbe und Kultur, wo gibt es leistbaren Platz für Selbstinitiative?  Die Gründerzeitstadt hat uns gezeigt, wie Durchmischung funktionieren kann. Zugegeben, man ist zu schnell mit Urteilen, denn es braucht oft 10 – 20 Jahre, die man Stadtentwicklungsgebieten zur Entfaltung Zeit geben muss.

Was sind verfolgenswerte Konzepte, um nachhaltige Städte zu schaffen?
Übergeordnete Konzepte sind sehr intelligent, wie in Zürich die 2000-Watt-Gesellschaft oder das Ziel von Kopenhagen bis 2025 CO2-frei zu sein. Solche Langzeitkonzepte geben Spielraum für Adaptierungen und Korrekturen. Es gibt kein Generalkonzept für Nachhaltigkeit, aber jede Stadt muss ihre spezifischen, ortsbezogenen Ziele festlegen und umsetzen. Ich denke auch, der internationale Städtewettbewerb um Ideen ist hier sehr befruchtend.

Welches Potenzial hat Partizipation  in einer Stadt?
Eine qualitätvolle Stadt ist ein Mini-Modell für Demokratie. In partizipativen Prozessen soll die Bevölkerung informiert und mit ihr eine Entscheidungsgrundlage entwickelt werden. Vorab müssen die Prozessgrenzen dafür aber genau definiert sein. Es geht um Vermittlung, um Nachvollziehbarkeit und um Bewusstseinsbildung. Je transparenter ein Beteiligungsprozess, desto größer die Akzeptanz der Bevölkerung. Ich denke, die Leute müssen sich artikulieren können und die eigentlichen Entscheidungen müssen dann die Verantwortlichen fällen. Bei partizipativen Prozessen geht es auch um das voneinander Lernen, denn die Leute wissen am besten über ihre Umgebung Bescheid. Sie sind die wahren Experten.

 

Durch offene Übergänge kann der öffentliche Raum erweitert werden, hier am Beispiel eines Schulvorplatzes in der Wiener Kauergasse.
Durch offene Übergänge kann der öffentliche Raum erweitert werden, hier am Beispiel eines Schulvorplatzes in der Wiener Kauergasse. © Franz Denk

 

Kann Architekturvermittlung die Stadt verändern?
Architektur und Städtebau sind untergeordnete Kategorien in der österreichischen Kultur. Die Bewusstmachung dieser Begriffe ist aber unglaublich wichtig, denn erst damit entstehen Problembewusstsein und der Wille zur Auseinandersetzung. Die Menschen verkennen ja den großen Einfluss von Architektur und Städtebau auf ihr Leben. Sie denken viel zu wenig darüber nach, dass man seine Wohn- und Umweltsituation in Frage stellen könnte. Deshalb ist Architekturvermittlung schon ab dem Kindergartenalter wichtig. Und vermutlich noch wichtiger für Politiker und Entscheidungsträger. Denn die Zukunft des städtischen und ländlichen Raumes liegt in deren Händen.

Worin soll eine Stadt unbegrenzt sein?
Eine Stadt soll in ihren Möglichkeiten der Entfaltung unbegrenzt sein. Aber es gibt Grenzen: Megacities können nie umfassend nachhaltig sein. Dort überlagern die technischen Infrastrukturen dann soziologische, städtebauliche und stadträumliche Milieus. Wasserversorgungsnetze oder Flughafenzubringer dominieren die Stadtplanung. Zu große Agglomerationen sind schlicht unplanbar sind. Daher setzt die Größenausdehnung eine natürliche Grenze für die Nachhaltigkeit.

 

www.franzdenk.at

 

 

Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen