Highend-Thermografie: Profis sehen mehr
Mit Thermografiekameras kann man Wärmebrücken oder potenzielle Schimmelstellen schnell erkennen. Doch was macht eine gute IR-Profikamera aus und was sind die Unterschiede zur Einstiegsklasse?
Wenn es draußen kälter wird, kommen Gebäudefassaden verstärkt auf den energetischen Prüfstand. Thermografiekameras decken Schwachstellen schnell auf und ermöglichen gezielte Gegenmaßnahmen. Bei der Inspektion spielt allerdings die Kameraauflösung eine entscheidende Rolle. Ist sie zu gering, besteht die Gefahr, dass man Probleme übersieht. Mit einer hoch auflösenden Thermografiekamera lassen sich diese Fehlerquellen ausschließen. Außerdem ist man schneller: Während man bei großen Objekten mit Einsteiger-Kameras geringerer Auflösung (architektur 02/17: IR-Kompaktkameras) mehrere Aufnahmen, respektive kürzere Distanzen zum Messobjekt braucht, um Details erkennen zu können, reicht mit einer Profi-Kamera meist eine einzige Aufnahme. Das beschleunigt die thermografische Erfassung vor Ort, aber auch die Auswertung der Wärmebilder später im Büro.
Hochwertige Kameras machen bessere Wärmebilder und verkürzen sowohl Erfassungsdauer vor Ort als auch den Auswertungsaufwand. © Testo
Was macht eine Profi-Thermografiekamera aus?
Die Unterschiede beginnen bereits bei den „inneren Werten“: Während Einsteigermodelle beispielsweise winzige Silizium-Objektive mit fester Brennweite verwenden, werden in hochwertige Kameras Germanium-Objektive mit erheblich höheren Material-, Herstellungs-, Bearbeitungs- und Kalibrierungskosten verbaut. Auch andere Kamerabauteile wie der Detektor, die Optomechanik, Elektronik etc. und deren Parameter (Detektorauflösung, geometrische Auflösung, thermische Auflösung etc.) sowie das Serviceangebot (Kalibrierung, Wartung, Schulung etc.) machen den Unterschied aus. Ein wichtiges Auswahlkriterium ist die Qualität des Detektors (siehe Glossar). Mittelklasse-Kameras verfügen über eine Detektor-Auflösung von 320 x 240 IR-Bildpunkten, weil sie auch im Sachverständigenbereich oder bei thermografischen Gutachten vor Gericht Bestand haben. Doch die Infrarot-Technik schreitet voran und immer mehr Anbieter offerieren Kameras mit höheren Auflösungen (z.B. 400 x 300, 640 x 480, 1.024 x 768 und mehr). Das ist gegenüber der Einsteiger oder Mittelklasse etwa 10 bis 40 mal mehr und macht sich in der Bildqualität direkt bemerkbar (siehe Abb.). Auch die von einigen Herstellern integrierte Resolution Enhancement-Technologie (siehe Glossar) zur Steigerung der IR-Auflösung trägt dazu bei, dass Wärmebilder immer mehr der Bildqualität von Fotos nahekommen. Neben der Detektorauflösung haben die thermische Auflösung sowie weitere Kamerakomponenten Einfluss auf die Bildqualität – allen voran die Infrarotoptik. Zu den Qualitätskriterien von Objektiven gehören die Lichtstärke, die angibt, wie viel Wärmestrahlung vom Objekt auf dem Detektor ankommt, das Auflösungsvermögen, die Abbildungstreue sowie die Qualität der Beschichtung. Elektronik und Software entscheiden darüber, wie schnell nach dem Einschalten die Kamera hochgefahren und einsatzbereit ist. Von der eingebauten Optomechanik und Steuerelektronik hängt ebenso ab, wie schnell und präzise der ergänzend zum manuellen Fokus zuschaltbare Autofokus anspricht.
Neue Kameradesign-Konzepte jenseits der Pistolen- oder Camcorder-Bauform versprechen eine einfachere Bedienung und mehr Ergonomie. © FLIR Systems
Bauform und Gehäuse
Beim Gehäusedesign dominiert nicht mehr wie früher die Pistolen- oder Camcorder-Bauform. Neue Designkonzepte mit großem Touchscreen und seitlich angeordnetem, drehbarem Objektiv versprechen mehr Ergonomie. Wichtig ist, dass die Kamera ausgewogen, bequem und mithilfe einer individuell einstellbaren Handschlaufe sicher in der Hand liegt. Ebenso unterschiedlich wie die Bauform ist die Qualität des Kameragehäuses. Während Allround-Kameras aus dem mittleren Preisbereich meist über ein kratz- und schlagfestes ABS-Kunststoffgehäuse verfügen, bestehen hochwertige Profikamera-Gehäuse in der Regel aus Leichtmetall (Aluminium oder Magnesium). Meist sind die Gehäuse teilgummiert und damit griffiger. Für den rauhen Outdoor-Einsatz sind heute alle Kameras gemäß Schutzart IP54 staub- und spritzwassergeschützt, vereinzelt auch gegen Stürze aus geringer Höhe. Dieser Schutz gilt jedoch nur mit geschlossenen Geräteklappen, respektive aufgeschraubten Steckeranschlüssen. Über letztere verfügen nur hochwertige Modelle. Das möglichst helle und gut aufgelöste Display sollte sich ausklappen und um zwei Achsen in beliebige Richtungen drehen lassen. Dadurch sind Aufnahmen beispielsweise auch in beengten Räumen aus jeder Position heraus möglich. Ein zusätzlicher Sucher ermöglicht auch Aufnahmen bei starker Sonneneinstrahlung, wenn man auf dem Display nichts mehr erkennt – etwa bei der Untersuchung von PV-Anlagen oder bei der aktiven Thermografie im Sommer.
Wichtige und häufig benutzte Funktionen sollten schnell zugänglich sein. Ein drehbares (oder separates) Display ermöglicht eine bequeme Aufnahme aus jeder Situation heraus. © Testo
Bedienung und Ergonomie
Bedient wird die Kamera in der Regel über einen Mini-Joystick und mehrere, teilweise programmierbare Tasten. Zusätzlich lassen sich einige Kameras per Touchscreen bedienen, meist allerdings nicht mit Handschuhen. Wichtig ist, dass häufig benötigte manuelle Einstellungsfunktionen wie Messbereich, Emissionsgrad, reflektierte Temperatur, Temperaturskala und -spreizung etc. ohne umständliche Suche direkt aufrufbar sind. Zu den mobilen Mess- und Analysefunktionen sollten die Hotspot-/Coldspot-Anzeige, frei positionierbare Messpunkte sowie eine in ihrer Größe änderbare und ebenfalls frei positionierbare Messbereichsmarkierung mit Minimal-, Maximal- und Durchschnittswertanzeige gehören. Damit lassen sich – noch vor der eigentlichen Auswertung per Auswertungssoftware im Büro – bereits vor Ort am Kamera-Display Wärmebilder analysieren. Alarmmarken machen auf Messwertüber- oder -unterschreitungen aufmerksam, Isothermen heben alle Bildbereiche eines zuvor definierten Temperaturbereichs farblich hervor. Eine Anzeige der Oberflächenfeuchte ist für bauphysikalische Untersuchungen und Schadensanalysen unerlässlich. Dabei wird aus den Umgebungstemperatur- und Luftfeuchte-Messwerten für jeden Messpunkt die relative Oberflächenfeuchte ermittelt. Ein daraus generiertes Feuchtebild zeigt schimmelgefährdete Bereiche farbig an. Standard bei den meisten Kameras ist die Bild-im-Bild-Funktion oder die partielle Überlagerung von Thermografie- und Realbild. Damit lassen sich Sachverhalte anschaulicher darstellen und Problemstellen besser lokalisieren. Teilweise werden Wärmebild- und visuelle Bilddaten in Echtzeit rechnerisch zusammengefügt (z.B. per MSX-Funktion von FLIR Systems), was für einen höheren Kontrast im Wärmebild sorgt. Bei sehr großen Messobjekten kann eine in der Kamera integrierte Panorama-Funktion nützlich sein. Mit ihrer Hilfe lassen sich nacheinander in horizontaler und/oder vertikaler Richtung aufgenommene Einzelbilder schon bei der Aufnahme rechnerisch zu einem Gesamtbild zusammenfügen.
Kameras mit großer Detektorauflösung bieten bessere Bildqualitäten und einen größeren Bildausschnitt – Vergleich unterschiedlicher Detektorformate. © InfraTec
Je besser die Thermische Auflösung (NETD) ist, desto geringer ist die Gefahr des die Bildqualität beeinträchtigenden „Bildrauschens“: v.l.n.r.: 0,08 / 0,05 / 0,03 K © InfraTec
Worauf sollte man noch achten?
Obige Standardfunktionen werden häufig durch Zusatzfunktionen ergänzt. Praktisch ist eine lasergestützte Anzeige des aktuellen Objektabstands zur Ermittlung der kleinstmöglichen Messfleckgröße. Auch ein Headset für Sprachnotizen kann wertvolle Dienste leisten, weil man so die Hände frei hat. Drahtlose Funkübertragungsstandards wie etwa Bluetooth oder WLAN ermöglichen die drahtlose Datenübernahme von externen Funk-Feuchtefühlern oder Strommesszangen, die Anzeige von Wärmebildern auf einem Smartphone oder Tablet sowie eine Kamera-Fernsteuerung. Eine weitere, beispielsweise für die Instandhaltung technischer Anlagen nützliche Zusatzfunktion, ist eine Messorterkennung per GPS-Modul, mit der sich Wärmebilder geografisch verorten lassen. Ein Schwachpunkt bei nahezu allen Modellen ist die integrierte visuelle Digitalkamera. Bildauflösungen von 3 bis 5 Megapixeln sind einfach nicht mehr Stand der Technik, denn sie erlauben meist nur verschwommene Fotos, auf denen Details kaum erkennbar sind. Dem kann man nur abhelfen, wenn man eine zusätzliche Digitalkamera mit optischem Zoom und Blitzfunktion bereithält. Bedingt durch die Infrarotstrahlung auf den Detektor und aufgrund von Umwelteinflüssen kann sich nach einer Weile das Messverhalten einer IR-Kamera ändern. Damit sie weiterhin korrekte Messwerte liefert, ist eine in der Regel zweijährliche Inspektion und Kalibrierung erforderlich. Dabei werden die einzelnen Temperaturbereiche, das Objektiv sowie der Umgebungstemperaturausgleich der Kamera überprüft und gegebenenfalls neu kalibriert. Die dafür anfallenden Kosten liegen zwischen 500 und 1.500 Euro. Zum Servicepaket des Anbieters sollten auch eine kostenfreie Servicehotline, ein Auswertungssoftware-Updateservice sowie ein umfangreiches Schulungsangebot gehören, das sowohl Einstiegskurse, als auch anwendungsorientierte Schulungen oder Zertifizierungen umfasst.
Zu den vielen Zusatzfunktionen von IR-Profikameras gehört die Funkübertragung von Messwerten, etwa von Feuchtefühlern. © Testo
IR-Profikameras im Vergleich
Namhafte Anbieter wie Avio/NEC, Flir, Fluke, Testo oder InfraTec haben gleich mehrere Modelle aus der mittleren und oberen Leistungsklasse im Programm. Deshalb sollte man bei der Kameraauswahl auf wichtige Bild- und Messdaten achten: Neben der Detektorauflösung bestimmt die thermische Auflösung und die geometrische Auflösung (siehe Glossar) die Qualität des Thermogramms. Das Seh- oder Bildfeld gibt in vertikaler und horizontaler Richtung den Erfassungsbereich der jeweiligen Optik an. Die Bildfrequenz sollte etwa um die 50 Hz (und höher) liegen und ist vor allem für die zeitliche Betrachtung thermischer Vorgänge wichtig. Weitere wichtige Parameter bei der Messung sind, neben dem Spektralbereich (Standard: 7,5-14 µm), der erfasste Temperaturbereich, der im TGA-Bereich zwischen 20° und +500°C liegen sollte, sowie vor allem die thermische Auflösung (NETD-Wert, siehe Glossar). Die Genauigkeit gibt die Messabweichung an; sie liegt bei ±2% oder ±2K. IR-Profikameras für den Baubereich sollten standardmäßig mit einem für die Fassaden- und Innenraumthermografie geeigneten Weitwinkelobjektiv (z.B. 8-15 mm) mit großem Sehfeld ausgeliefert werden, das optional durch Standard- (z.B. 30-50 mm) und Teleobjektive (z.B. 60-130 mm) erweiterbar sein sollte. Eine automatische Objektiverkennung macht den Objektivwechsel komfortabler und beugt Messfehlern vor, doch nicht alle Kameras haben sie. Damit man auch ein umfangreicheres Objekt ohne Akkuwechsel erfassen kann, sollten die Akkulaufzeiten zwischen 3 und 5 Stunden liegen. Anbieterangaben sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, denn sie basieren meist auf einem praxisfremden Nutzungsprofil. Deshalb sollte eine Ladestandsanzeige vorhanden und bei längeren Einsätzen ein geladener Ersatzakku immer in der Nähe sein. Zum Standard-Lieferumfang einer IR-Kamera sollten in jedem Fall ein Netzteil, eine Ladestation, ein Netz- und USB-Kabel, ein stabiler Transportkoffer sowie eine Auswertungs-Software gehören. Darüber hinaus offerieren einige Anbieter ein umfangreiches optionales Zubehör, wie etwa Wechseloptiken, Filter, Stative, Kamera-Schutzgehäuse, Datenkabel und anderes mehr. Die Preise für IR-Profikameras liegen aktuell zwischen etwa 5.000 und 35.000 Euro – und mehr.
Damit IR-Kameras stets korrekte Messwerte liefern, ist eine in der Regel zweijährliche Inspektion und Kalibrierung erforderlich. © InfraTec
Thermografie-Glossar
Detektor: Optoelektronisches Bauelement das Wärmestrahlung in ein elektrisches Signal umwandelt und dadurch messbar macht. Detektoren handgeführter Thermografiekameras bestehen aus Mikrobolometer-Focal Plane Arrays (FPA) – einer Matrix aus winzigen Strahlungsdetektor-Zellen. Je dichter das Matrixraster ist und je mehr Detektorzellen vorhanden sind, desto höher ist die Bildauflösung. Die Anzahl der auf dem Sensor in X- und Y-Richtung verteilten Detektorzellen ist deshalb ein wichtiges Qualitätskriterium.
Geometrische Auflösung: Auch IFOV (Instantaneous Field of View), ist abhängig vom Kameraobjektiv und definiert die kleinstmögliche Messfleckgröße. Das ist jene Fläche auf dem Messobjekt, die aus einem Meter Entfernung einer einzelnen Detektorzelle in einem Wärmebild zugeordnet werden kann. Multipliziert man den IFOV-Wert mit der Objektentfernung und einem Korrekturwert für die verwendete Optik, erhält man die Messfleckgröße in Millimetern. Sie entscheidet bei kleinen Objektstrukturen bzw. großen Entfernungen darüber, wie genau gemessen werden kann.
Resolution Enhancement: Kombination aus optomechanischem und rechnerischem Verfahren zur Verbesserung der nutzbaren geometrischen Auflösung des Wärmebilds gegenüber der nativen Detektorauflösung, so dass beispielsweise aus ursprünglichen 1.024 x 768 IR-Pixeln die 4-fache Pixelanzahl, nämlich 2.048 x 1.536 IR-Pixel erzeugt wird. Dabei werden keine Messdaten interpoliert, sondern echte Messwerte generiert.
Thermische Auflösung: … auch NETD (Noise Equivalent Temperature Difference), teilweise auch thermische Empfindlichkeit genannt, gibt die kleinste Temperaturdifferenz an, die vom Detektor erfasst werden kann. Sie liegt bei Mittelklasse-Kameras zwischen 0,06 und 0,03 Kelvin bei 30°C. Bei Profigeräten liegt sie unter 0,03 Kelvin. Je kleiner dieser Wert ist, desto geringer ist die Gefahr des die Bildqualität beeinträchtigenden „Bildrauschens“.
Anbieter
www.bosch.de, www.catphones.com, www.flir.de, www.fluke.de, www.hikmicrotech.com, www.infratec.de, www.irpod.net, www.milwaukeetool.de, www.opgal.com, www.panasonic.de, www.pce-instruments.com, www.reichelt.de, www.testboy.de, www.testo.de, www.thermal.com, www.trotec.de, www.umarex-laserliner.de
Text: Marian Behaneck