Komfort, nicht Klima, macht nachhaltige Bauten für viele interessant
Ästhetisch, authentisch aber auch nachhaltig wertvoll und natürlich – dafür steht die Architektur von sps architekten und damit die von Simon Speigner. Diese Werte spiegeln auch die Räumlichkeiten des Planungsbüros wider: Sie befinden sich in einem ökologischen „Kulturkraftwerk“ aus Stampfbeton und Holz mit Photovoltaikanlage am Dach – dem oh456 in Thalgau. Simon Speigner beschäftigte sich bereits früh mit Themen wie Bauökologie. Heute blickt er auf diverse Auszeichnungen und Preise zurück und gibt sein Wissen als Lehrbeauftragter weiter.
Wie verändert sich die Berufswelt der ArchitektInnen und was müssen diese machen, um den stetigen Wandel zu meistern?
In der Architektur müssen wir sehr umfassend denken. Dieser Spagat zwischen Kreativ- und technischem Beruf ist oft gar nicht so leicht und auch die Ausbildung, die man bekommt, oft gar nicht so vielseitig und spezifisch. Das digitale Zeitalter wirkt sich natürlich auch auf unseren Berufsstand aus: Wir brauchen weniger Wissen, da wir auf Google alles jederzeit abrufen können, ein Fachbuch ersetzt das für mich aber nicht.
Generell glaube ich, dass wir wieder ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln müssen, um zukunftsfähig zu sein. Mit Profitgier und Eigensinn allein kommen wir nicht weiter. Miteinander geht es leichter – das gilt für die Architektur, den Bausektor und unsere Gesellschaft.
Wie beeinflusst die Digitalisierung die Arbeit von ArchitektInnen?
Die Digitalisierung bietet für unseren Berufsstand enorm viele Möglichkeiten. Heute schafft man mit Robotern oder einem Fräskopf verschiedenste Formen, dazu kommen die neueste Plot-Technik und sogar Drohnen. Das vereinfacht auch die Arbeit auf der Baustelle. Dort müssen am Ende zum Teil nur noch die fertigen Teile zusammengebaut werden. Gleichzeitig ist die digitale Fertigung für mich aber nicht an traditionellem Handwerk zu messen. Für mich bleibt das Handwerk der reizvollere Prozess: diese Umsetzung vom Geist in die Hand. Das ist etwas völlig anderes als das Füttern von Maschinen.
Auf welche Dinge sollten sich Architekturschaffende dabei konzentrieren?
Wir müssen uns vor allem auf Themen wie Langlebigkeit konzentrieren. Dinge, die wir heute schaffen, sollten nicht nur digital und möglichst schnell gebaut werden, sondern über Generationen hinaus bestehen. Derzeit sind wir davon weit entfernt, weil wir viel Müll produzieren. Wirklich gute Bauten gibt es wenige. Wenn ich etwas baue, das ohne viel Zutun über 20 Jahre und länger seine Qualität hält, wäre das meiner Meinung nach Nachhaltigkeit. Vor allem in der Architektur kommen häufig beschichtete, lackierte Materialien zum Einsatz, die sich schnell abnützen. Natürliches, geöltes Holz wäre hier oft die bessere und umweltfreundlichere Wahl, da es mit der Zeit schön altert und die rohe Schönheit eines Gebäudes hervorkehrt. Dann kann man sich auch wieder mehr auf die Qualität der einzelnen Räume konzentrieren, anstatt sich nur von einer glänzenden Fassade blenden zu lassen.
Mit oh456, dem ökologischen „Kulturkraftwerk“, schufen sps architekten einen Hybridbau aus Stampfbeton und Holz und kreierten damit ein gesundes Arbeitsumfeld für ihr eigenes Büro. © Kurt Hoerbst
Ist bei Auftraggebern hinsichtlich des Klimawandels ein Umdenken festzustellen?
Lediglich bei kritischen Geistern. Bedingt durch den nachhaltigen Fokus unseres Büros ziehen wir natürlich eine bestimmte Klientel an. Aber grundsätzlich interessieren sich die Menschen für die Thematik eher aufgrund eines Komforts, den sie sich wünschen, nicht aber wegen des Klimas. Sie wollen Photovoltaik – aber nicht um dem Planeten etwas Gutes zu tun, sondern weil sie eine gewisse Unabhängigkeit bzw. einen gewissen Komfort wollen.
Wie sehr sind die Auswirkungen der Pandemie immer noch zu spüren?
Bedingt durch die Investitionsprämie haben wir derzeit mehr Aufträge denn je. Natürlich macht sich die Verknappung von Rohstoffen bzw. Baustoffen bemerkbar. Der Preis steigt, weil eben auch die Lieferketten unterbrochen wurden. Durch die Kurzarbeit in den Betrieben und die Tatsache, dass die Rohstoffe an den Bestzahlenden gehen, kommt natürlich alles zusammen. Ein bisschen lässt sich das mit den Klopapier- und den Hamsterkäufen in den Supermärkten vergleichen – die gibt es im Bausektor genauso. Einige Firmen konnten es sich leisten, ihre Lager vor der Preissteigerung zu füllen, aber eben nicht alle. Für viele scheint das Geld heute ohnehin keine Rolle mehr zu spielen, die bauen, koste es was es wolle.
Wie sollte die perfekte Zusammenarbeit mit Lieferanten, Herstellern und Entwicklern aussehen?
Auch hier ist für mich wieder das Miteinander der Schlüssel zum Erfolg. Mit Partnern, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind, funktioniert für mich die Zusammenarbeit nicht. Es sollte nicht immer nur um die billigsten Preise, sondern vor allem um hochwertige, langlebige Ergebnisse gehen. Innovative, qualitative Produkte und eine faire, nachhaltige Firmenethik sollten einem immer mehr wert sein. Firmen dieser Art sind es für mich auch, die sich auf lange Frist auf dem Markt durchsetzen werden.
Gibt es Firmen, mit denen die Zusammenarbeit besonders gut funktioniert?
Da gibt es viele kompetente Partner, Firmen, mit denen wir besonders gern zusammenarbeiten. Bei denen stimmt das Gesamtpaket und man weiß, dass man nicht nur zuverlässige Produkte, sondern auch den dazugehörigen Service bekommt. Und das rechtfertigt für mich auch einen höheren Preis.
Auch beim Feuerwehrhaus Unterdorf in Thalgau lag der Fokus auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Es ist komplett in Vollholz umgesetzt. Das lokale Naturmaterial sorgt nicht nur für eine zeitlose Optik, sondern verkürzt auch die Transportwege. © Andrew Phelps
Was macht ein Produkt nachhaltig bzw. effizient und was muss es in Zukunft können?
Bei Produkten ist für mich besonders wichtig, dass sie auf die Energie, die sie beinhalten – über ihren gesamten Lebenszyklus gesehen – getestet werden. Dazu gehören nicht nur ihre Herstellung, sondern auch was am Ende mit ihnen passiert. Das beinhaltet ihre CO2-Bilanz ebenso wie Wasser- und Energieverbrauch.
Um wirklich nachhaltig zu sein, müssen sie in einen Kreislauf rückgeführt werden können und das gilt es, schon in der Produktion zu berücksichtigen. Bis jetzt gibt es für die einzelnen Materialien keine wahre Kostenrechnung, was aber notwendig wäre.
In Zukunft sollte man sich auch darauf konzentrieren, der Wegwerfkultur im Bausektor ein Ende zu setzen. Intelligente Produkte können zwar sehr viel und öffnen uns viele neue Türen, über Themen wie Reparatur, Wiederverwertung und Entsorgung machen sich allerdings die wenigsten Gedanken. Hier sollte der Fokus darauf liegen, zerlegbare Produkte zu entwickeln, die nicht nur im Müll landen.
Was ist bei modernen Produkten noch wichtig zu beachten?
Für mich müssen Produkte den Eigenschaften des Materials entsprechen. Beispielsweise Holz ist zwar ein ökologischer Baustoff, was die Industrie daraus aber teilweise macht, ist grenzwertig. Mit Chemie werden die einzelnen Lagen verleimt und damit eine spätere Entsorgung oder Wiederverwertung äußerst schwierig bzw. unmöglich gemacht. Darüber hinaus sollte verstärkt auf die individuellen Bedürfnisse und Qualitäten vor Ort eingegangen werden. Die Globalisierung macht alles überall verfügbar. Dass es aber oft wenig sinnvoll ist, das gleiche Produkt in verschiedenen Klimazonen einzusetzen, vergessen viele. Nur weil etwas auf der Nordhalbkugel gut funktioniert, gilt das nicht automatisch für den globalen Süden – das ist einfach nicht effizient. Unser Planet bietet eine enorme Vielfalt. Diese sollten wir uns auf jeden Fall bewahren und die Besonderheiten und Potenziale der unterschiedlichen Landschaften nutzen, anstatt zu versuchen, sie immer mehr zu vereinheitlichen und aneinander anzugleichen.
Um welche Entwicklung gibt es in den nächsten Jahren keinen Weg vorbei?
Ich träume von einem Haus, das einfach zusammenfallen kann, das vollkommen kompostierbar ist. Das haben wir versucht mit oh456, dem Bau, in dem sich unser eigenes Büro befindet, umzusetzen: Unser Vollholzparkett besteht aus gelaugter, geseifter Eiche und wurde eingenagelt. Er ist nicht nur langlebig, sondern kann am Ende für andere Projekte verwendet oder einfach recycelt werden. Die Fassade kleiden Holzschindel, die am Ende ihres Lebenszyklus einfach verrotten. Dazu kommen unbewehrte Stampfbetonwände, die das ganze Jahr für ein angenehmes Raumklima sorgen. An ganzheitlichen Projekten dieser Art, die auf die Eigenschaften der Materialien eingehen und ihre Stärken nutzen, führt für mich auch in Zukunft kein Weg vorbei.
Außerdem gilt es – auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmern – verstärkt auf Regionalität zu setzen. Beispielsweise in der Sterneküche wirbt man mit lokalen Zutaten aus der Region und sieht das als Qualitätsmerkmal an – warum sollte das im Bauwesen anders sein?
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen