(K)eine Trendfrage?!
Im Interview spricht Hannes Bäuerle, Gründer der Rechercheplattform für Material “raumprobe” über Materialien, Trends und Innovationen. In der Stuttgarter „Materialwelt“ lassen sich mehr als 60.000 Musterexponate sprichwörtlich begreifen. Ergänzend dazu können Architekt:innen und Designer:innen in der digitalen Materialapplikation selbständig nach Materialien und Herstellern recherchieren: „Da wir selbst Architekten, Innenarchitekten und Designer sind und in ständigem Kontakt mit den Materialherstellern stehen, verstehen wir beide Seiten – Planende und Produzenten. So liegt der Fokus unseres Angebots nicht auf dem Vertrieb, sondern der Kommunikation und dem Vernetzen der Beteiligten.“
Hannes Bäuerle studierte Maschinenbau und Innenarchitektur und ist seit 2023 Geschäftsführer der D/A/CH-Region bei Material Bank. Darüber hinaus ist der Günder von raumprobe seit über 15 Jahren als Fachreferent an verschiedenen Architektenkammern tätig und verantwortlich für die hauseigene Materialakademie. Seit 2013 lobt raumprobe den materialPREIS aus, in dessen Rahmen im jährlichen Wechsel Hersteller und deren neueste Materialentwicklungen ausgezeichnet und entsprechend realisierte Projekte von Architekt:innen und Innenarchitekt:innen mit herausragendem Materialeinsatz gewürdigt werden.
Herr Bäuerle, woher kommt der Name „raumprobe“ und was genau ist damit gemeint?
Unser Unternehmensname setzt sich als kleines Wortspiel aus „Raum“ und „Probe“ zusammen und trifft den Kern unserer Tätigkeit: wir sammeln Materialien, Muster, Proben für den Raum – ob innen oder außen, ob groß oder klein, ob Neubau oder Umbau.
Wieviele Materialien haben Sie bei sich lagernd und was ist das ausgefallenste oder favorisierte Material?
Nach fast 20 Jahren ist inzwischen ein Fundus von wahrscheinlich mehr als 60.000 Mustern zusammengekommen. Gezählt hat diese beeindruckende Menge aber noch keiner – wir suchen dafür noch Freiwillige. Ausgefallene Materialien landen regelmäßig bei mir auf dem Schreibtisch, das ist das wunderbare an meinem Job. Daher ändert es sich bei mir auch kontinuierlich, was mein Lieblings-Material ist. Gerade bei den Einreichungen zum Materialpreis komme ich oft ins Staunen und Schwärmen. Die Palette reicht von XXXL-Holzbauplatten über wunderschöne Oberflächen aus sorgfältig collagiertem Stroh, neue Bausteine aus Kalk-Hanf, Studien eines Eierschalenputzes bis hin zu textilbewehrtem Beton oder innovativen Verbundwerkstoffen wie Kork und Beton.
Wieviele Anfragen bekommen Sie etwa am Tag und wie recherchieren Sie (neue) Materialien und Hersteller?
Auf „Material Bank“ werden jeden Tag zahlreiche neue Projekte angelegt, mit entsprechend vielen zugehörigen, ganz konkreten Anfragen. Die Recherche nach (neuen) Materialien ist ein stetiger Prozess, bei dem alle Quellen und Kanäle genutzt werden. Im Freundeskreis werde ich auch gerne als „Trüffelschwein für Materialien“ bezeichnet.
Der Grund, warum Architekt:innen Ihren Service in Anspruch nehmen?
Ja und neue Materialien eröffnen neuen Gestaltungsspielraum, verschieben Grenzen und inspirieren. Für unsere Kunden können wir das Beste aus beiden Welten verknüpfen: eine digitale Datenbank und digitale Tools mit einer realen Ausstellung und echten Ansprechpartnern.
Ihnen liegt auch das Thema Nachhaltigkeit am Herzen – welche Maßnahmen haben Sie hier schon gesetzt und was vielleicht noch geplant?
Gesunde Materialien sind für mich die wertvollsten Materialien. Zu der komplexen Thematik geben wir Weiterbildungen, machen Ausstellungen und Sondershows und haben einen eigenen, schnell wachsenden Bereich dazu in der Ausstellung. Mit den digitalen Filtermöglichkeiten von Material Bank sind das Suchen und Finden passender Baustoffe mittlerweile wirklich einfach geworden. Der Bereich wird aktuell mit Hochdruck weiter ausgebaut, sowohl digital als auch real.
Können Sie einen Trend beobachten, welche Materialien momentan besonders gefragt sind?
Die Top 10 der beliebtesten Materialien wandelt sich kontinuierlich und es ist hochspannend zu beobachten, wer gerade ganz oben steht. Dabei sehen wir Unterschiede je nach Branche, Kategorie oder Berufs- und Altersgruppe. Mit dem Materialreport und dem Materialpreis haben wir zwei Werkzeuge geschaffen, die uns einen detaillierten und umfangreichen Einblick verschaffen. Unter dem Motto „heute wissen, womit morgen gebaut wird“ erstellen wir auch kundenspezifische Analysen.
Aktuell beobachte ich beispielsweise eine große Vorliebe – von Trends spreche ich bei Materialien in der Baubranche nicht, da dieser Begriff für mich zu kurzlebig ist und wir genau das Gegenteil bewirken müssen – für Anmutungen, die an Terrazzo erinnern und für Oberflächen, die deutlich zeigen, dass die Rohstoffe recycelt sind. Generell sehe ich auch wieder mehr Mut zur Farbe – und leider auch eine gewisse Konsistenz erfolgreicher Phänomene von astreinem Greenwashing – ich denke da an veganes Leder …
Sie bieten in diesem Kontext auch Schulungen an …
In der Materialakademie bieten wir Fachseminare zu Themen wie Beton & Innenarchitektur, Textil & Akustik, Gesunde Baustoffe, Farbseminare & Farbgestaltung und vieles mehr. Wir sind aber auch auf Fachmessen mit Sondershows vertreten und in Stuttgart finden regelmäßig als Weiterbildung anerkannte Expertenrunden statt, die sich aktuellen Neuheiten oder spezifischen Themen der Materialwelt widmen.
Interview: Linda Pezzei
Fotos: raumprobe
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen, Sonderthema