KI am Bau: Maschinell planen und bauen

16. Mai 2022 Mehr

Neben der Digitalisierung und BIM beeinflusst zunehmend auch die Künstliche Intelligenz (KI) den Bausektor. Das ist ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Erforschung intelligenten Verhaltens und maschinellen Lernens, aber auch der praktischen Anwendung von Systemen befasst, die menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität nachahmen können. Welche aktuellen Anwendungen und Entwicklungen gibt es bereits, welche Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen entstehen dadurch?

 

KI am Bau: Maschinell planen und bauen - Neben der Digitalisierung und BIM beeinflusst zunehmend auch die Künstliche Intelligenz (KI) den Bausektor.

 

KI fürs Planen

Bestandserfassung: Bei der Bestandserfassung per 3D-Laserscanner müssen Millionen von Messpunktdaten ausgewertet und so strukturiert werden, dass sie für die CAD- und BIM-Planung verwertbar sind. KI-basierende Analysemethoden liefern dabei Informationen über die Art des Bauteils, z.B. Wand, Stütze, Decke, Fenster, Rohrleitung, verknüpfen sie mit weiteren Daten – etwa zu Materialien oder Bauschäden – und generieren aus diesen Informationen ein BIM-Modell. Andere KI-Projekte befassen sich mit der Vermessung von Räumen und Objekten mithilfe von Apps, die auf die besonderen Fähigkeiten aktueller Smartphone-Kameras zurückgreifen und aus den erfassten Messwerten selbstständig ein 3D-Modell berechnen. (Beispiele: www.actimage.de, www.aurivus.com, www.bimkit.eu)

 

Mit KI-basierenden Analysemethoden lassen sich aus 3D-Scans automatisiert Bauteile wie Wände, Böden und Decken, Öffnungen extrahieren.
Mit KI-basierenden Analysemethoden lassen sich aus 3D-Scans automatisiert Bauteile wie Wände, Böden und Decken, Öffnungen extrahieren. © Aurivus

 

Generative Gestaltung: (auch „Generatives Design“) Regelbasierte Prozesse, anwenderdefinierte Parameter und Verknüpfungen bestimmen bei der generativen Gestaltung das Entwurfsergebnis. Das ermöglicht eine mit konventionellen CAD-Planungsmethoden bisher nicht erzielbare Form- und Gestaltungsfreiheit. So können beispielsweise von der Natur inspirierte, bionische Formen einfacher geplant und über CNC-Maschinen oder 3D-Drucker auch direkt gefertigt werden. Verknüpft man die generative Gestaltung mit KI- Algorithmen, können auch komplexe Entwurfsvorgaben berücksichtigt und etwa Grundrisskonzepte unter Berücksichtigung von Raumfunktionen, Raumbeziehungen, Raumqualitäten etc. entwickelt werden (Beispiele: https://redshift.autodesk.de/generatives-design-ki)

 

Die auf KI-gestützte generative Gestaltung kann Entwurfsalternativen generieren und diese auch bewerten.
Die auf KI-gestützte generative Gestaltung kann Entwurfsalternativen generieren und diese auch bewerten. © Autodesk

 

Stadtplanung: Insbesondere in der Stadtplanung fließt eine Vielzahl von Entwurfskriterien und -parameter in die Entwurfsüberlegungen mit ein – wie etwa das städtebauliche Umfeld, Klima-, Wind-, Lärm- oder Belichtungsverhältnisse, soziologische Rahmendaten etc. Auch KI-Algorithmen basierende Software-Lösungen wie beispielsweise Spacemaker versprechen eine schnellere Generierung von Entwurfsalternativen, unter Berücksichtigung aller relevanten Einflussfaktoren. So kann das individuelle Potenzial eines Standortes optimal ausgereizt und die bestmögliche Lösung gefunden werden, etwa die optimale Bebauung eines Grundstücks unter Beachtung baurechtlicher Vorgaben und qualitativer Parameter, wie Besonnung, Lärm etc. (Beispiele: www.spacemakerai.com, www.propertymax.de)

 

Auch komplexe Entwurfsvorgaben, etwa in der Stadtplanung, können berücksichtigt und Lösungen selbständig entwickelt werden.
Auch komplexe Entwurfsvorgaben, etwa in der Stadtplanung, können berücksichtigt und Lösungen selbständig entwickelt werden. © Spacemaker, Autodesk

 

BIM-Modellkontrolle: Während der BIM-­Planung müssen Fachmodelle überprüft werden, ob sie mit Entwurfsvorgaben, baurechtlichen Vorgaben oder Richtlinien übereinstimmen. Werden sie zu einem Koordinationsmodell zusammengeführt, müssen sie gewerkübergreifend auf Kollisionen überprüft werden. Das geschieht entweder manuell oder (halb-)automatisch. Automatisierte Modellprüfungen, die auf einer großen Wissensdatenbank und lernfähigen Algorithmen basieren, sind in der Lage, auch komplexe Zusammenhänge zu überprüfen, beschleunigen dadurch Abläufe und entlasten Planer oder Behörden. KI unterstützt auch digitale Bauanträge, indem diese beispielsweise auf die Einhaltung wesentlicher gesetzlicher Vorschriften, wie Mindestabstände etc. überprüft werden. (Beispiele: www.tuvsued.com, www.contilio.com)

 

KI fürs Bauen

Baustellenerfassung: Will man den Ist-Stand, Abläufe oder Ausführungsqualitäten auf der Baustelle effizient kontrollieren, müssen Baustellendaten digital erfasst werden – beispielsweise indem Fotos oder Videos von Baustellen-Kameras, Mobilgeräten, 3D-Scannern, Drohnen, Robotern oder Helmkameras über KI-Algorithmen interpretiert und analysiert werden. Dabei werden Bauobjekte und deren Eigenschaften automatisiert erkannt und die Ergebnisse mit dem BIM-Ausführungsmodell abgeglichen. So entsteht ein digitales Abbild des aktuellen Bauzustands, das die Abrechnung vereinfacht oder den Baufortschritt, potenzielle Planungsabweichungen, Fehler oder Schäden dokumentiert. Mit den dabei gewonnenen Informationen lassen sich auch künftige Bauprojekte optimieren. (Beispiele: www.buildots.com, www.eskimo-projekt.de, www.tuvsued.com, www.contilio.com)

 

Helmkameras können den Baufortschritt erfassen und Unstimmigkeiten gegenüber der Planung, Schäden oder Mängel KI-gestützt dokumentieren.
Helmkameras können den Baufortschritt erfassen und Unstimmigkeiten gegenüber der Planung, Schäden oder Mängel KI-gestützt dokumentieren. © Buildots HQ

 

Bauablaufsimulation: Simulationen der Bau- und Montageablaufplanung können – unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten, Mängel- und Bautagesberichten oder Logistikdaten – dabei helfen, Bau- und Montageprozesse zu optimieren. KI-gestützte Risikovorhersagen ermöglichen darüber hinaus reibungslosere Baustellenabläufe. Diese bedienen sich smarter Techniken zur Datenanalyse, der datenbasierenden Ergebnisvorhersage oder maschinellen Lernsystemen. Dabei werden aktuelle und historische Fakten analysiert, um Vorhersagen über zukünftige Ereignisse treffen zu können. Wird die zunehmende Anzahl digital geplanter und kontrollierter Bauprojekte miteinander vernetzt, lässt sich die Verlässlichkeit von Risikovorhersagen steigern (Beispiele: www.autodesk.com/bim-360, https://pasc.ai).

 

KI und Big Data können auch die Projekt- und Qualitätskontrolle oder das Projektmanagement effizient unterstützen.
KI und Big Data können auch die Projekt- und Qualitätskontrolle oder das Projektmanagement effizient unterstützen. © Autodesk

 

Baurobotik: Ob bei der Produktion von Baustoffen, der Bewehrung von Betonbauteilen, der Montage von Schalelementen, Holzständer- oder Fachwerkkonstruktionen – Roboter sind in der Bauindustrie längst im Einsatz. Auch auf die Baustelle drängen sie inzwischen – in Form von Mauer- und Bohrrobotern oder 3D-Druckern, die auf der Grundlage von 3D-CAD- oder BIM-Daten Arbeiten ausführen, entweder autonom oder per Fernbedienung unterstützt. Bohrroboter beispielsweise orientieren sich selbständig im Raum und bohren Löcher für Montage- und Installationsarbeiten, was körperlich schwere Überkopf-Arbeiten erübrigt. Um noch komplexere Tätigkeiten autark ausführen und unvorhergesehene Situationen auf der Baustelle meistern zu können, müssen Roboter lernfähig sein und über viele Sensoren verfügen, deren Daten vernetzt und KI-gestützt in Echtzeit ausgewertet werden. (Beispiele: www.baubot.com, www.bostondynamics.com, www.hilti.de, www.peri.de, www.trimble.com)

 

Bauroboter können beispielsweise Überkopfarbeiten weitgehend autark ausführen.
Bauroboter können beispielsweise Überkopfarbeiten weitgehend autark ausführen. © Hilti

 

Bauprozessoptimierung: Planungs- und Bauprozesse hinken technologisch industriellen Prozessen hinterher. Das Planen und Bauen mithilfe aktueller Technologien wie BIM, IoT, KI oder Big Data moderner und wettbewerbsfähiger zu machen, haben sich mehrere Forschungsprojekte zum Ziel gesetzt. Smart Design and Construction (SDaC) zum Beispiel soll die Grundlage für die Transformation der Bauindustrie schaffen, die ein transparenteres, proaktiveres und kooperativeres Bauen ermöglicht. Dazu werden Metadaten aus Bauprojekten unternehmensübergreifend verknüpft und miteinander verglichen, was verlässliche Prognosen ermöglichen soll. Auch das Projekt ESKIMO soll die Überwachung der Bauausführung mit einer intelligenten Interpretation der Ist-Situation auf der Baustelle optimieren. Dabei werden Fotos mobiler Kameras analysiert und für das Baumanagement genutzt. (Beispiele: www.sdac.tech, www.eskimo-projekt.de)

 

KI fürs Nutzen

Smart Home: KI macht das smarte Heim noch smarter: Neben der Kommunikation per Spracheingabe kann das KI-gestützte Smart Home über Machine-Learning-Algorithmen aus den Gewohnheiten der Bewohner Rückschlüsse ziehen und dadurch den Wohnkomfort erhöhen oder den Energieverbrauch optimieren. Für mehr Sicherheit sorgt die maschinelle Gebäudeüberwachung. Werden Video- oder Infrarotkameras miteinander vernetzt und über KI-gestützte Systeme ausgewertet, lassen sich Zutrittskontrollen, der Brandschutz oder die Gebäudeüberwachung verbessern. Mit KI gestützten Sprachassistenten wie Amazon Echo, Apple Siri oder Google Assistant können vom Fernseher über die Lichtsteuerung bis zur Heizung alle technischen Systeme im Haus gesteuert werden. (www.amazon.com, www.apple.com, www.google.com)

Vorausschauende Wartung: Im Gegensatz zur herkömmlichen reaktiven Wartung, die erst nach Störungen eingreift, bietet die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) gebäudetechnischer Komponenten Vorteile: Ungeplante Ausfälle technischer Bauteile werden vermieden, Servicetermine und die Anlagen-Wirtschaftlichkeit werden optimiert, Wartungstermine und die Ersatzteil-Vorhaltung sind besser planbar. Dazu erfassen IoT-Bauteilsensoren (Internet der Dinge) Betriebs- und Zustandsdaten, die zentral mit Hilfe intelligenter Algorithmen ausgewertet werden. Anhand der Nutzungsmuster und anderer Parameter lässt sich automatisch der optimale Zeitpunkt für Wartungsmaßnahmen ableiten. (Beispiele: www.techem.com, www.tuvsud.com)

Gebäudeüberwachung: Die maschinelle Bildauswertung erweitert die Möglichkeiten visueller Überwachung. Werden mehrere Video- oder Infrarotkameras miteinander vernetzt und über KI-gestützte Systeme ausgewertet, ist eine effiziente Rund-um-die-Uhr-Überwachung von Gebäuden, Anlagen oder Baustellen möglich. Als Basis dienen Daten aus Überwachungskameras und ein IP-basiertes Videomanagement-System, das auch sehr viele und hochauflösende Videodaten in digital verwertbare Informationen umwandelt und eine maschinelle Auswertung ermöglicht. Über eine Gesichtserkennung können Zugänge kontrolliert und die Sicherheit verbessert werden. Visuelle Kameras und Infrarotkameras ermöglichen einen wirksamen Brandschutz. (Beispiele: www.boschbuildingsolutions.com)

 

KI-basierende Video-Branddetektionssysteme melden Flammen oder Rauch schnell und zuverlässig und verbessern die Gebäudesicherheit.
KI-basierende Video-Branddetektionssysteme melden Flammen oder Rauch schnell und zuverlässig und verbessern die Gebäudesicherheit. © Bosch

 

Chancen und Risiken

KI & Co. ist längst Teil des Planens, Bauens und Nutzens – oder wird es gerade. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und in ihren Potenzialen noch kaum zu überblicken. Viele KI-Systeme setzen als Datenbasis allerdings große Datenmengen (Big Data) voraus, anhand derer sie ihre Algorithmen, etwa zur Mustererkennung, trainieren und optimieren können. Das können Planungs- und Ausschreibungsdaten, Stücklisten, Aufmaßdaten, Baustellendaten, Fotos, Mängellisten oder Sensordaten sein. Werden diese Daten kombiniert und ausgewertet, können sie neben der Planung und Bauausführung auch den Gebäudebetrieb optimieren. Je größer die Datenbasis ist, umso zuverlässiger arbeiten KI-Systeme. Welche Quantität und Qualität diese Daten haben, wie diese verknüpft und welche Bewertungs- und Entscheidungskriterien herangezogen werden – etwa bei der maschinellen Bewertung und Auswahl von Entwurfsvarianten – ist aber meist nicht nachvollziebar. Kritiker warnen deshalb vor blindem Vertrauen in KI, Big Data und den häufig intransparenten Prozessen, die dahinterstecken.

 

 

Text: Marian Behaneck

 

Kategorie: EDV, Kolumnen