Kunst im sozialen Wohnbau
Die Gemeinnützige Bau- u. Wohnungsgenossenschaft „Wien-Süd“ ist eines der ältesten und traditionsreichsten Wohnbauunternehmen in Österreich. Mit der Bilanzsumme von ca. einer Milliarde Euro im Geschäftsjahr 2013 und einer durchschnittlichen Bau- und Sanierungsleistung von ca. 1.350 Wohneinheiten pro Jahr steht sie an der Spitze der Bauträger in Österreich. Mit Vorstand Dr. Friedrich Klocker sprach Peter Reischer über das Konzept „Kunst am Bau“, über den Zugang zu diesem Thema und die Umsetzung im sozialen Wohnbau.
Herr Dr. Klocker, wie sehen Sie Ihre Ambitionen, Kunst in die Architektur zu integrieren? Alle Aktivitäten, die dazu dienen, Kunst in einen Bereich, der noch nicht von Kunst besetzt ist, hineinzubringen, Kunst überhaupt dem Menschen nahe zu bringen kann man ja als Kunstvermittlung bezeichnen.
Es geht dabei sicher nicht um Behübschung. Die Wien-Süd wird der „linken Reichshälfte“ zugeordnet, in der als politisches Konzept die Bildung und Bildungsvermittlung in allen Bereichen, durchgängig durch das ganze Leben, gilt. Insofern gibt es im Vorstand der Wien-Süd einen Gleichklang der Idee, die dahinter steht.
Es geht uns – ich betreibe dieses Projekt gemeinsam mit Herrn Mag. Anetzhuber in unserem Haus – darum, über die Integration von Kunst die Trennung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit ein wenig zu lockern, aufzuheben. Gleichzeitig aber einen permanenten Dialog zu ermöglichen.
Das Schlimmste ist, Wohnen auf die vier Wände, in die man sich einsperrt, zu reduzieren. Alles was das Leben dann ausmacht – die soziale Interaktion, die Auseinandersetzungmit verschiedenen Formen in der Kunst – wird davon abgeschottet.
Das geht ja auch auf den sozialen Wohnbau in Wien zurück, da wurde dieses Prinzip institutionalisiert betrieben – und das wollen wir aufleben lassen. Schon bei unseren ersten Bauten 1910 hat man Kunstobjekte ganz natürlich in den Wohnbereich integriert. In einem Wohnhaus, das von Architekt Gessner konzipiert wurde, hat dann in den 1950er Jahren der bekannte Künstler Prof. Friedl, als aktive Form der Kunstvermittlung, Figuren, konkret Tiere, als Spielgeräte für Kinder hingestellt. Der Treppenwitz der Geschichte ist eben, dass mittlerweile die gesetzlichen Auflagen es nicht mehr ermöglichen, dass mit diesen Geräten gespielt wird. Zwar haben Generationen unfallfrei damit gespielt – aber heute darf man das nicht mehr.
Wie versuchen Sie nun der Kunst eine wesentliche Rolle in der Architektur zuzuschreiben?
Wir haben konzeptiv damit begonnen in Projekten, bei denen sich das umsetzen lässt, Kunst zu integrieren. Zwei Projekte sind realisiert, das Dritte – die Mautner Markhof-Gründe – ist in Planung. Dieses wird eine spannende Geschichte: Hier agieren wir „Indoor“, aber doch im zentralen Zugangsbereich. Es geht dabei um ein Gemälde, das aber auch eine politische Botschaft hat. Es stammt von dem weißrussischen Künstler und Maler Valentin Gubarev. Er befasst sich systemkritisch mit der Situation in seiner Heimat, das Motiv lässt sich aber auch sehr gut auf unsere politische Situation, aber ebenso auf das „Häuslbauen“ insgesamt übertragen.
Welche persönlichen Beweggründe haben Sie als Vorstand, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen (abgesehen von den politischen)?
Wir wollen das Thema Wohnen ausweiten, ergänzen, etwas Neues, Kreatives schaffen. Dazu ist das Thema Kunst und Kultur am Bau ein gutes Vehikel.
Leider ist es manchmal noch so, dass die Architektur glaubt, die Menschen verhalten sich so, wie man Räume gestaltet. Ein typisches Beispiel einer Fehlentwicklung oder einer falsch verstandenen Romantik ist, dass in Wien einige wichtige Architekten als Gegenkonzept zu Harry Glück und seinen innen erschlossenen Wohnungen, das sogenannte „Bassenakonzept“ gestellt haben. Sie waren der Meinung, so die Kommunikation und das soziale Miteinander der Hausbewohner verbessern zu können. Dabei war die Bassena ja nicht immer ein Ort der friedlichen Kommunikation und des Miteinander, sondern sehr oft des Streitens; hier sind sich die Hausfrauen in die Haare geraten. Das –unter der romantischen Idee, dass sich die Menschen dort treffen werden – 120 Jahre später nachzuzeichnen, ist ein Irrtum jener, die sich rein intellektuell mit dem menschlichen Sein auseinandersetzen und Praxisbezüge ausblenden.
Das geht ja auch völlig an dem Thema der Aneignung einer Architektur vorbei.
Bei unserem derzeitig größten Projekt auf den ehemaligen Mautner Markhof Gründen gibt es einen sehr großen, gestalteten Freiraum, in dem auch Skaten und Radfahren usw. vorgesehen sind. Da es dabei auch um Bewegung geht, haben wir eine Skulptur des Bildhauers Ondrej Kohout, der dieses Thema in seiner Skulptur „Tandem“ reflektiert, aufgestellt.
Es gibt ja bei Kunst und Künstlern im öffentlichen Raum auch immer den Anspruch, sich kritisch mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Geben Sie dem einen Raum?
Selbstverständlich! Das hängt von zwei Kriterien ab. Es muss ein vernünftiges Thema in der Herangehensweise an diesen Diskurs definiert werden und es müssen geeignete Wohnhausobjekte gefunden werden.
Die Grenze des Möglichen und Realisierbaren ist immer auch eine Finanzielle. Im sozialen Wohnbau sind wir ja dem Kostendeckungsprinzip unterworfen und in Wahrheit zahlen wir das alles aus unseren eigenen Erträgen. Ich bin sehr froh, dass das Thema „Kunst im sozialen Wohnbau“ in der Wien-Süd absolut mehrheitsfähig ist und Unterstützung findet.
Welches Budget haben Sie jährlich für Kunst am Bau?
Das werden ca. 50.000 Euro sein.
Sehen Sie – bezüglich der Akzeptanz der Benutzer – einen Unterschied zwischen Kunst im ÖR und der Kunst, die Sie in Ihren Wohnbauten machen?
Nein, ich glaube, der Anspruch ist derselbe. Die Rückmeldungen, sowohl von den Arbeitern am Bau wie auch von den Damen und Herren, die die Wohnungskäufer durch den Prozess begleiten, waren – die Akzeptanz der Mieter und Mieterinnen betreffend – äußerst positiv.
Bei Kunst im ÖR sind jene die schimpfen immer die Ersten.
Wir versuchen die Kunden durch die Zeit zu begleiten, bis sie einziehen. Wir sprechen das Thema auch immer wieder an, wir verteilen Unterlagen über die Kunstobjekte und -projekte.
Welches Konzept verfolgen Sie bei Ihren Bauten? Warum scheitern Sie bei der Kunst nicht?
Das kann nur an der Vermittlung liegen. Man muss permanent, ständig in einem Dialog sein. Bei unseren Bauten versuchen wir eine Emotionalisierung des Wohnens bei unseren Kunden, also den Mieterinnen und Mietern zu erreichen. Dass dieser Weg durchaus erfolgreich ist, und eine hohe Akzeptanz und Identifikation mit dem, was wir da machen, gegeben ist, sieht man auch daran, dass wir – über das Jahr gesehen – nur sehr geringe Vandalismusschäden, trotz der 36.000 Einheiten, die wir betreuen, haben.
Fotos: Wien Süd, Andreas Laser
Kategorie: Kolumnen, Sonderthema