Licht in ehrwürdigen Räumen

16. Juni 2014 Mehr

 

Das Fachmagazin architektur gratuliert popod design, unseren langjährigen Fachkolumnisten im Bereich Licht, zum Gewinn des Titels ‚Lichtdesigner des Jahres 2014‘. Außerdem wurden zwei Projekte der Designer mit dem deutschen Lichtdesignpreis 2014 ausgezeichnet. Diese Arbeiten stellen wir unseren Lesern in dieser Ausgabe vor.

 

 

Das, als erstes bedeutendes Bauwerk des Hochbarock in Wien geltende, Stadtpalais Liechtenstein wurde in der Zeit von 2008 – 2013 restauriert. Erbaut ist es von den Architekten Domenico Martinelli, Enrico Zuccalli und Gabriel di Gabrieli in den Jahren 1694-1711.

Fürstin Nora Fugger (1864–1945) beschrieb das Palais in ihrer Biografie: „Das Palais hat, was Schönheit und Großartigkeit betrifft, wohl kaum seinesgleichen in Europa. Der Ballsaal ist von ungeheurer Höhe. Wenn die Lichter in den Armleuchtern an den Wänden, in den großen Girandolen und in dem riesigen Glasballon, dem Luster über der Saalmitte, entzündet wurden, musste der herrliche Raum wie in Licht gebadet erscheinen. An den Ballsaal stoßen zwei Seitengemächer, die durch hohe Glaswände vom Saale geschieden sind. An den anderen Seitenwänden sind hohe Spiegel angebracht, deren Konstruktion einen wahrhaft märchenhaften Eindruck macht. In dem einen der Salons ist mitten im Raum ein Bassin mit einem Springbrunnen“.

Nun wurde das prunkvolle Gebäude, nach vier Jahren umfassender Renovierungsarbeiten unter der Ägide von Architekten Wehdorn, im 1. Bezirk neu eröffnet.

Auf Wunsch des Bauherrn sollte die Fassade mit zurückhaltender Eleganz beleuchtet werden, wodurch das Gebäude auch in der Nacht seiner Würde entsprechend strahlt. Bei nur geringem Einsatz von Leuchten ist die Fassade nun in einen zarten Hauch von Licht getaucht.

Es wurde jedoch nicht nur die Fassade neu in Szene gesetzt, sondern auch der Innenhof mit dem Eingangsbereich ausgeleuchtet, die Stiegenhäuser mit ihren prunkvollen Reliefs und Stelen hervorgehoben, sowie die Prunkräume, wie der Tanzsaal und der Ausstellungsbereich der privaten Kunstsammlung, beleuchtet. Es war eine große Herausforderung in dem denkmalgeschützten Gebäude die richtigen Positionen der Leuchten zu finden, sodass sie weder Substanz noch Betrachter stören. Das Licht sollte im Hintergrund fungieren und die Feinheiten und Besonderheiten des Prunkbaus hervorheben.
Das Stadtpalais Liechtenstein verfügt über zahlreiche Prunksäle, welche mit übergroßen Lustern ausgestattet sind. Im Quadratsaal erhellt ein Bronzeluster mit 186 Kerzen den Raum. Er ist ca. 3 Meter hoch, hat einen Durchmesser von 3,60 Meter und ist 2,5 Tonnen schwer. Entwickelt wurde er von Louis Philippe Giraud.

Der vor Neorokkoko-Dekor überschäumende Tanzsaal war mit technischen Raffinessen auf der Höhe der Zeit ausgestattet. Ober der Kuppel war früher das Orchester untergebracht, das unsichtbar, quasi magisch, den Saal mit Musik erfüllte. Die ursprünglich mit Kerzen bestückten Luster wurden mit von podpod design und der Fa. Schrutek neu entwickelten LED-Kerzen, die schließlich von der Fa. Svarovsky zur Ausführung gelangten, beleuchtet. Neben dem 267-flammigen vergoldeten Zinkluster im Tanzsaal wurden auch die Kontinente und die Eckkandelaber mit 5W LED-Kerzen bestückt.

Mit dem Entwurf von podpod design wird die elektrifizierte Kerze in ihrer Form der ursprünglichen Wachskerze angepasst. Der lange Schaft hat einen Durchmesser von nur 22 mm, der Leuchtenkopf ist klein und asymmetrisch wie eine Flamme. Im Palais wurden ca. 2000 Stück Glühbirnen 40W (80 kW) durch LED-Kerzen 5W (10 kW) ersetzt. So sparte man ca. 87% Energie und reduzierte gleichzeitig den Hitzeeintrag für die Klimaanlage.

Doch nicht nur die Leistung und Langlebigkeit der LED-Kerzen ist eine Besonderheit. Auch das Design der Kerze ist innovativ und einzigartig. Anhand von Recherchebildern erzielte man eine originalgetreue Nachbildung der Proportionen der Lusterkerze, welche viel schlanker und optisch ansprechender ist, als alle anderen handelsüblichen elektrifizierten Kerzen. Denn nicht nur der Kerzenkörper ist speziell designt, sondern auch die Flamme – der Streukörper – ist asymmetrisch geformt, um einen naturgetreueren Kerzenschein zu ermöglichen.

 

Amalienbad

Das Amalienbad in Wien wurde on der MA44 in den Jahren 1923 – 1926 nach dem Vorbild einer römischen Therme erbaut. In Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt entschied man, das die Leuchten aus den 70er Jahren nicht erhaltenswürdig sind und dass mit der neuen Beleuchtung primär die historische Architektur der Schwimmhalle in ihrer Besonderheit betont werden soll. Die neuen Beleuchtungskörper sollten so unauffällig wie möglich in der Architektur integriert werden, sodass der Besucher die Raumwirkung erleben kann, ohne geblendet zu werden. Die Leuchten selbst treten in den Hintergrund, das Licht lässt die Architektur wirken. Die Grundbeleuchtung der Schwimmhalle erfolgt tagsüber mit natürlichem Licht über die Glaskassettendecke, ab Dämmerung wird automatisch das künstliche Licht aktiviert. Gut ausgeblendete Strahler, die uneinsehbar hinter den Oberlichten montiert sind, werden auf das Schwimmbecken gerichtet.

 


Ein wichtiger Aspekt war die Wartungsfreundlichkeit. Es wurden extra Leuchtenaufzüge konstruiert, welche eine leichte Zugänglichkeit ermöglichen. Versteckt hinter den Unterzügen der Balkonuntersichten wurden dimmbare Linearstrahler montiert, die die umlaufende Zone um das Becken und die vertikalen Säulen erhellen. Die Beleuchtung in den Gängen dahinter besteht aus Direktlicht von LED-Spots und einer stimmungsvollen farbsteuerbaren Aufhellung der Decke von den Lüftungskanälen aus. Je nach Lichtstimmung werden diese Deckenuntersichten in Türkis, Goldgelb oder Weiß akzentuiert. Die Stiegen leiten mit ihrer gleichmäßigen Beleuchtung in die oberen Stockwerke. Die tonnenförmige Hallendecke wird von den oberen Säulen aus mit LED-Strahlern aufgehellt. Damit in der Dunkelheit die Glasoberlichten nicht als schwarze Löcher erscheinen, wird mittels LED-Strahlern ein zartblauer Mondscheineffekt simuliert.

Farbsteuerbare LED-Leisten verwandeln den Sprungturm in eine effektvolle Bühne. Vorprogrammierte Lichtszenarien, abzurufen über Touch Screen, sorgen für die richtige Stimmung beim Schwimmunterricht, Wellness-Programm oder Turmspringen. Es ist gelungen, eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, in der sich die Badegäste gerne aufhalten. Trotz der Erhöhung des Lichtniveaus konnte der Energieverbrauch um 57% reduziert werden. Mit dem neuen Lichtkonzept konnte die bestehende Bausubstanz wesentlich aufgewertet werden. Es ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass man mit Licht einen Raum wesentlich verändern und veredeln kann, ohne bauliche Maßnahmen zu treffen.

 

Text: podpod design, Fotos:Jansenberger Fotografie

 

Tags: ,

Kategorie: Kolumnen, Licht