Neues Raumerlebnis im Rottweiler Münster
Seit der Renovierung des Heilig-Kreuz-Münsters in Rottweil rückt ein neues Lichtkonzept die gotische Architektur wieder in den Mittelpunkt und ermöglicht neue, ungeahnte Raumeindrücke.
Völlig neue architektonische Eindrücke könne man im renovierten Heilig-Kreuz-Münster gewinnen, schwärmten die Kirchenbesucher nach der Wiedereröffnung des Gotteshauses in Baden-Württembergs ältester Stadt. Anfang Advent 2017 kamen die Gemeindemitglieder nach zweijährigen Renovierungsarbeiten wieder in die Kirche, um am Eröffnungsgottesdienst oder einem Adventkonzert teilzunehmen. Bereits 2010 wurde die Außenrenovierung der Kirche, deren Ursprünge auf das 12. Jahrhundert zurückgehen, abgeschlossen. Im Inneren waren seit der Renovierung in den Jahren von 1912 bis 1915 keine wesentlichen Arbeiten mehr durchgeführt worden. Die Gewölbe waren also vor über hundert Jahren zuletzt gesäubert worden. Die letzte Reinigung der Ausstattung wie Altären und Ähnlichem geht sogar auf die 1840er Jahre zurück. Entsprechend verschmutzt waren die Raumoberflächen, Deckenmalereien und Altäre. Nach der kompletten Reinigung und Instandsetzung des Inneren sollte natürlich eine neue Beleuchtung den Kirchenraum entsprechend in Szene setzen.
Früher haben, laut Berichten der Kirchenbesucher, die abgehängten Pendelleuchten, die nur nach unten strahlten, eine zweite Ebene im Kirchenraum eingezogen. Der Raum endete über den Köpfen der Menschen, denn über diesen Lichtpunkten in halber Höhe der Kirche war es ziemlich dunkel, der Eindruck des Gewölbes eher ein schummriger. Die Reinigung aller Oberflächen mit modernsten Methoden sorgte auch für andere Reflexionsgrade der nun helleren Oberflächen, die in die Planung miteinbezogen werden mussten.
Ziel der Lichtplanung war es, soweit möglich, vor allem den Raum wirken zu lassen. Im Mittelschiff ist es gelungen, mittels Wandleuchten die notwendigen Beleuchtungsstärken zu erreichen. Für die Seitenschiffe kamen neue ringförmige Pendelleuchten zum Einsatz, die sich selbstbewusst in die gotische Architektur fügen. Die Leuchten entwickelte man eigens für das Münster in Rottweil aus bestehenden Modulen und fertigte sie maßgeschneidert für den Kirchenraum. Das Mittelschiff kann ohne Pendelleuchten nun völlig neu erlebt werden. Die neuen Wandleuchten sorgen nicht nur für gute Beleuchtung, sondern setzen Rippenstruktur und Gewölbesegel des Kirchengewölbes neu in Szene. In den Seitenschiffen schweben heute „Lichtkronen“ über den Köpfen der Kirchenbesucher. Sie strahlen sowohl nach unten als auch nach oben, darum wird auch dort das gotische Gewölbe entsprechend angeleuchtet.
Sowohl die ringförmigen Pendelleuchten als auch die Wandleuchten sind mit denselben Leuchtenmodulen, bestehend aus LED und Kühlkörper, bestückt. Sie sind so angeordnet, dass einige Module jeweils in derselben Leuchte nach oben, andere nach unten strahlen.
Aber nicht nur die Raumhöhe wird akzentuiert, auch die Tiefe des Raumes, etwa der Blick nach vorne zum großen Kruzifix, lässt sich neu erleben. Insgesamt erscheint der gereinigte Innenraum mit den Gelbrot-Tönen der Böden und Bänke mit der neuen Beleuchtung von 2.700 Kelvin auch „wärmer“ als zuvor. Außerdem folgen Lichtszenen dem liturgischen Jahr. Für festliche Anlässe wie Gottesdienste zu Ostern oder Weihnachten kann der Pfarrer andere Lichtstimmungen wählen als für herkömmliche Sonntagsgottesdienste, Werktagsmessen oder für Taufen.
Um einen entsprechenden Rahmen für solche kleineren Messen oder festliche Anlässe zu schaffen, wurde auch der Zelebrationsaltar verschoben. Er wurde aus dem Chorraum näher an die Gemeinde gerückt. Dadurch entsteht im Chorraum ein zweiter vollwertiger Gottesdienstraum, wenn keine große dreischiffige Kirche benötigt wird. Und dieser Raum musste mit entsprechenden Lichtszenen auch inszeniert werden. Wenn also während einer Messfeier der Chorraum festlich beleuchtet ist, gibt es für den Rest der Kirche nur eine Grundbeleuchtung.
Neben neuen Erscheinungsbildern bringt die LED-Beleuchtung natürlich auch andere Vorteile. Einerseits sind dies entsprechende Lichtverhältnisse für ein „gutes Sehen“, damit auch ältere Kirchgänger in ihren Gebetbüchern lesen können, anderseits geht es zum Beispiel um Energieeffizienz und geringe Wartungskosten.
Aber was noch viel mehr zählt, ist die neu gewonnene Gotik. Denn auch die Fachleute teilen die Einschätzung der Kirchgänger. Es ist ein Quantensprung und eine Lichterfahrung, wie es sie noch nicht gab. Es gibt keine dunklen Ecken, keine Schatten mehr und die Gotik spürt man völlig neu.
Text: ©Peter Zöch, Bartenbach lighting solutions
Fotos:©Berthold Hildebrand
Kategorie: Licht