Mehrwert durch Landschaftsarchitektur
Die Landschaftsarchitektin Alice Größinger beschäftigt sich mit ihrem Büro idealice seit 2001 mit der Gestaltung der Freianlagen von Wohnbauten, Bildungsbauten, Gesundheitseinrichtungen, privaten Außenräumen und auch öffentlichen Räumen. Die Projekte entstehen dabei immer ergänzend zur Architektur. Viele Architekturbüros schätzen ihre Kompetenz – unter ihnen querkraft, caramel, StudioVlayStreeruwitz, Rüdiger Lainer, Feichtinger Architectes. Ergänzend lehrt Alice Größinger auch an österreichischen Hochschulen und übernimmt Jurytätigkeiten bei Wettbewerben.
Was macht eine Stadt aus?
Die Stadt steht für mich für Vielfalt und das Leben in allen Bereichen. Sie ist ein Zusammenspiel aus Anonymität und gleichzeitiger Vertrautheit, durch die ihr auch ein dörflicher Charakter zugeschrieben werden kann. Eine eigene Architektursprache und ein breites Angebot an Freiräumen gehören dazu. Die Vielseitigkeit einer Stadt schlägt sich auch in der Lebensqualität nieder.
Sehen Sie Landschaftsarchitektur als eine städtische Disziplin?
Es muss nicht immer ein städtischer Kontext vorhanden sein, doch meist arbeiten wir in urbanen Räumen. Als Landschaftsarchitektin beschäftige ich mich mit der Umgebung gebauter Räume, also mit Allem, was sich zwischen den Gebäuden abspielt. Der Bezug ist dabei immer objektspezifisch. Im Unterschied zur Landschaftsarchitektur beschäftigt sich die Landschaftsplanung mit übergeordneten Konzepten in größeren Maßstäben.
Wohnen mit Naturbezug im Mio – (d)ein lässiger Typ. Der Außenraum übernimmt die Funktion eines Quartiersplatzes für die Bewohnerinnen und Bewohner, auch der Dachgarten steht zu ihrer Verfügung. Seit kurzem befinden sich im ersten Stockwerk des Gebäudes auch die Büroräumlichkeiten der Landschaftsarchitektin Alice Größinger. © Bruno Klomfar
Warum ist Landschaftsarchitektur wichtig für Städte?
Vom ökologischen Standpunkt her leistet Landschaftsarchitektur wichtige Arbeit im Bereich Nachhaltigkeit und Verbesserung des (Mikro)Klimas. Hinzu kommen soziale Aspekte, die große Auswirkung darauf haben, ob sich Menschen in einer Stadt wohlfühlen und wie Freiräume genutzt werden können. Großes Potenzial bieten hierbei kooperative Planungsverfahren, in welche auch die Landschaftsarchitektur eingebunden wird. In interdisziplinären Planungsteams wird zusammen mit den BauträgerInnen, der Gemeinde oder auch den Magistratsabteilungen die Gestaltung des öffentlichen Raumes konzipiert. Wenn man für viele Menschen plant, braucht man gut funktionierende öffentliche Orte für Kommunikation, als Treffpunkt, zur Erholung und beispielsweise auch für sportliche Betätigung. Gendergerechte Planung verhindert die Entstehung von Angsträumen oder schafft es solche aufzuheben. Bei der Landschaftsarchitektur geht es aber nicht nur um die Menschen und den klimasensitiven Städtebau, denn man kann durch ausgewählte Pflanzen auch die Artenvielfalt der Flora und Fauna fördern. Das betrifft zudem auch Insekten oder Vögel. Dafür arbeiten wir mit Ökologen und – im speziellen mit Tierökologen – zusammen.
Welche urbanen Bereiche besitzen Potenzial für die Landschaftsarchitektur?
Teilweise ungenutzte Bereiche oder Baulücken, die oft jahrelang leer stehen, könnten eine Zwischennutzung oder temporäre Nutzung erfahren. Das wäre aus meiner Sicht eine große Qualität und würde die Außenräume aufwerten. Solche Flächen könnten von der Stadtverwaltung temporär freigegeben werden, um zwischenzeitlich alternative Nutzungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel temporäre zusätzliche Grünräume oder Spielplätze, zu schaffen.
Im Ladinigpark im 22. Wiener Gemeindebezirk gestalten idealice mit ihrem Projekt die „Perle von Kagran“ einen lebendigen und vielfältigen Ort für Kinder und Jugendliche. Die Grundidee dabei ist eine „Spielperle“, die sich durch die gesamte Parkanlage zieht. © Bruno Klomfar
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Architektur und Landschaftsarchitektur?
In der Architektur liegt der Schwerpunkt bei Gebäuden, in der Landschaftsarchitektur in der Gestaltung des Außenraumes und der Auswahl der Bepflanzung. Um einen qualitätsvollen urbanen Raum zu schaffen, benötigt es eine enge Zusammenarbeit beider Disziplinen, damit ansprechende Ergebnisse erzielt werden können.
Welche Rolle spielt die Lehre für die Zusammenarbeit beider Disziplinen?
Unterschiedliche Disziplinen ergänzen und bereichern sich im Berufsalltag gegenseitig – deshalb sollten Studierende bereits im Studium lernen, effektiv zusammen zu arbeiten. Beispielsweise sollten bei Projektarbeiten KulturtechnikerInnen hinzugezogen werden, wenn es um Fragen des Wassermanagements geht. Das sollte mehr in den Fokus rücken.
Ist es mittlerweile selbstverständlich, dass Landschaftsarchitekten in die Planung einbezogen werden?
In Deutschland ist das bei allen Bauprojekten Grundvoraussetzung, in Österreich basiert es oft noch auf Freiwilligkeit. Trotzdem werden LandschaftsarchitektInnen aber zunehmend einbezogen – vor allem in Städten. Wenn LandschaftsarchitektInnen von Anfang an in die Planung miteinbezogen sind, wirkt sich das auf die Qualität der Ergebnisse aus.
Das ist leider nicht immer der Fall – derzeit arbeiten wir an einem Projekt, wo das vom Gestaltungsbeirat gefordert wurde. Leider waren wir nicht von Beginn an dabei und als wir mit der Planung begonnen haben, waren uns die ArchitektInnen bereits einige Planungsschritte voraus. Bei Wettbewerben sind wir jedoch immer von Anfang an eingebunden.
Durch einen partizipativen Planungsprozess konnte herausgefunden werden, was sich die Bewohnerinnen und Bewohner des Baufelds D12 in Wien Aspern von ihrem zukünftigen Freiraum wünschen. Berger + Parkkinen und querkraft architekten zeichnen für die Architektur verantwortlich, idealice für die Landschaftsarchitektur. Die Höfe wurden als Großraum gedacht, in dem auch einige Terrassen als Außenraum der Wohnungen vorhanden sind. Sollten diese nicht privat genutzt werden, können sie der öffentlichen Fläche zugeschrieben werden. © Hertha Hurnaus
Wie kann die Wertschätzung für Landschaftsarchitektur gefördert werden?
In einigen österreichischen Städten wird mittlerweile gefordert, dass ein/e LandschaftsarchitektIn beim Gestaltungsbeirat dabei ist. Auch bei Wettbewerben ist das zunehmend gewünscht – sowohl bei der Auslobung als auch bei der Zusammensetzung einer Jury. Für unsere Branche ist das ein positiver Trend, denn dadurch werden wir stärker wahrgenommen. Viele Architekturbüros sind sich bereits dessen bewusst, dass die Zusammenarbeit mit LandschaftsarchitektInnen einen Mehrwert darstellt, der sich auf die Ergebnisse sehr bereichernd auswirkt.
Welche Disziplinen spielen im städtischen Umfeld mit der Landschaftsarchitektur zusammen?
Bei der Projektarbeit ist Interdisziplinarität ein wichtiges Thema. Wir kooperieren mit den Disziplinen Architektur, Raumplanung, Städtebau, Bauingenieurswesen, Statik, Beleuchtungsplanung und Kulturtechnik. Auch die Zusammenarbeit mit VerkehrsplanerInnen ist zentrales Thema bei der Freiraumgestaltung. Die Zusammenhänge sind sehr facettenreich und vielseitig.
Worin soll eine Stadt unbegrenzt sein?
Die Stadt benötigt ersichtliche Stadtgrenzen, um eine Zersiedelung zu verhindern. Sie soll einen qualitätvollen urbanen Raum bilden. Ein solcher kann durch Projekte in Wohngebieten gemeinsam mit LandschaftsarchitektInnen entwickelt werden. Die Förderung des urbanen Lebens, in dessen Mittelpunkt der Mensch steht, bedeutet für eine Stadt ein Plus an Qualität.
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen