Modulare Bautechnik – Erschwinglicher Variantenreichtum
Die Bedingungen des 21. Jahrhunderts verlangen der Architektur ein hohes Maß an Flexibilität ab. Das gilt vor allem für den städtischen Wohnungsbau. In urbanen Regionen führen die anhaltende Binnenmigration, gesellschaftlicher Wandel, aber auch veränderte Lebensstile zu einem erhöhten Wohnraumbedarf. Es stellt sich Planern dabei die Frage, wie sich Wohnbauten schnell und trotzdem qualitativ hochwertig realisieren lassen. Erste Lösungsansätze dazu liefert das modulare und serielle Bauen.
Modularer Holz-Wohnbau in Judenburg © purelivin
Die Planung von Prototypen in Serie könnte sich also schon bald zu einem bewährten Instrument der Wohnraumbeschaffung entwickeln. Allerdings gilt es, die sogenannte „Standardisierung“ den aktuellen Anforderungen an die Architektur anzupassen. Denn urbane Wohnviertel müssen nicht nur durch städtebauliche Vielfalt und architektonische Qualität, sondern auch durch Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Wohnkomfort überzeugen. Könnte die serielle Bauweise diese Herausforderungen meistern, ließe sich mit ihr leistbarer Wohnraum in großem Maßstab schaffen.
Modularer Holz-Wohnbau in Judenburg © purelivin
Die modulare Technik im Kultur- und Wohnungsbau
In der Architekturszene sind Modulbauten eigentlich keine Neuheit. Gebäude dieser Art wurden bereits zwischen 1950 und 1970 vermehrt gebaut – das Ergebnis waren damals allerdings die heute wenig beliebten Plattenbauten, die noch immer viele Großwohnsiedlungen am Stadtrand definieren. Daher bedienen sich Experten der – heute mittlerweile revolutionierten – Bautechnik immer noch zögerlich; das jedoch zu Unrecht. Denn Häuser dieser Art entsprechen den heutigen Ansprüchen an moderne und nachhaltige Immobilien. Dies ist vor allem dem verbesserten Image und den zahlreichen Designmöglichkeiten zu verdanken – auch sind zeitgenössische Modulbauten energie- und bautechnisch optimiert. Sie stehen konventionell errichteten Gebäuden in puncto Qualität in nichts nach.
In Anbetracht dieser Entwicklung überrascht es nicht, dass auch das größte Kulturzentrum in Europa – der Münchner Gasteig – bald in dieser Bauweise vorzufinden ist. Und zwar handelt es sich hierbei um eine Installation temporärer Bauten, die den diversen Kultureinrichtungen während der Sanierung des Hauptstandorts als Unterkunft dienen. Dank der seriellen Bautechnik war eine schnelle Errichtung derselben auf dem Gelände in Sendling möglich. Mit dem Bau wurde das international agierende Architekturbüro gmp Architekten beauftragt.
Ein Modulbau entspricht übrigens nicht einem Fertigteilhaus. Es werden bei der seriellen Bauweise, im Gegensatz zu letztgenannter Technik, keine Strukturelemente, sondern gleich gesamte Raumeinheiten in einem Schritt konstruiert und in dieser Form zur Baustelle befördert. In den Elementen sind zudem bereits Elektroinstallationen und Verrohrungen enthalten. Arbeiten, wie das Verlegen der Dämmung, finden in einer Fabrik statt. Auf die Dauer der Konstruktion hat das Wetter bei der modularen Bauweise also keinen Einfluss – vor Ort sind mit dieser Herangehensweise kürzere Bauzeiten gewährleistet.
Kulturzentrum Gasteig © gmp Architekten
Das serielle Bauen und die Kreislaufwirtschaft
Die modulare Bauweise hat viele Vorteile. So lässt sich mit ihr die gesamte Bauweise effizienter gestalten. Da ein großer Teil des Konstruktionsverfahrens in Fabriken stattfindet, lassen sich Gebäudeteile damit bei jedem Wetter realisieren. Architekten und Bauherren erhalten dadurch auch eine bessere Kontrolle über Kosten und Qualität. Die Ausgaben für die Umsetzung eines Bauvorhabens lassen sich leichter und genauer Vorausplanen.
Auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit überzeugt das serielle Herstellungsverfahren. Selbstverständlich müssen Bauten, die auf diese Weise errichtet werden, denselben Anforderungen wie konventionell realisierte Projekte entsprechen. Erfolgt die Produktion eines Gebäudes quasi in einer Fabrik, entsteht deutlich weniger Abfall. Des Weiteren lässt sich etwaiger Müll durch das ständige Recycling der Materialien und die Kontrollen des Lagerbestandes besser verwalten. Es ist sogar möglich, alte Module zu zerlegen und diese einer neuen Nutzung zuzuführen – auch eine Renovierung des Gebäudes ist auf diese Weise möglich. Diese Herangehensweise erlaubt es Architekten, beim Bau Rohstoffe zu sparen und den Energieverbrauch zu senken.
Gleichzeitig sind modulare Gebäude flexibel und vielseitig. Die Konstrukte eignen sich am besten für großflächige Planungen wie Hotels, Studentenheime sowie Wohnsiedlungen. Am leichtesten lässt sich die Bauform bei Nutzungs- und Funktionseinheiten, die sich oft wiederholen, umsetzen. Praxisbeispiele zeigen, dass Architekten die Technik unter anderem beim sozialen Wohnbau und temporären Unterkünften gewinnbringend anwenden können.
Zu guter Letzt lässt sich mit dem flexiblen Modulbau auch Wohnraum auf geringer Grundfläche schaffen. Somit ist es möglich, die Technik zur Nachverdichtung von Städten einzusetzen. Brachflächen in Ballungsräumen lassen sich dadurch in nur kurzer Zeit mit leistbaren Wohngebäuden füllen.
Kulturzentrum Gasteig © gmp Architekten
Moderne Ansätzen gegen die Wohnungsknappheit
In vielen Städten wird der Wohnraum knapp. Und nicht nur das: Steigende Immobilienkosten erschweren Mietern und Käufern die Wohnungssuche. Die modulare Bauweise könnte eine Antwort auf diese Problemstellung sein. Da sich selbst besonders umfangreiche Projekte mit der Technik schnell und kostengünstig realisieren lassen, wäre damit einen positiver Einfluss auf die Wohnungs- und Mietpreise denkbar.
Damit jedoch gefürchtete Szenarien wie der „Plattenbau 2.0“ nicht eintreffen, gilt es, die Planung im Wohnungsbau bewusst und kreativ anzugehen. So könnte ein Lösungsansatz darin bestehen, einzelne und vor allem gestalterisch vielfältige Bestandteile in Serienfertigung herzustellen. Fügt man diese anschließend zusammen, bleibt die Individualität der Architektur erhalten.
In diesem Kontext ist anzumerken, dass sich die modulare Bauweise heute nicht nur auf Betonplatten beschränkt. Es ist immerhin auch möglich, Raummodule und Wände aus Materialien wie Kalksandstein, Ziegelsteinen, Holz und Porenbeton-Plansteinen im Werk vorzufertigen. Architekten können bei der Realisierung von Wohnbauten ihrer Kreativität also durchaus freien Lauf lassen.
Der serielle Wohnungsbau in der Praxis
Nicht nur in der Theorie klingt das Konzept der modularen Bauweise vielversprechend – auch in der Praxis hat sich die Technik durchaus bewährt. In den letzten Jahren war es mit dieser Bauweise möglich, städtebauliche Lücken zu schließen und Wohnraum für alle Einkommensgruppen zu schaffen.
Wie sich Wohnbauprojekte in Modulbauweise in den urbanen Kontext integrieren lassen, beweist das Konzept von Vonovia in Dresden. Gemeinsam mit dem Architekturbüro Lorenzen Maier realisierte der Bauherr Wohngebäude in Modulbauweise. Die Planer legten bei diesem Projekt großen Wert auf eine stimmige Einbindung der Neubauten in das Ortsbild – differenziert gestaltete Putzfassaden stellen gekonnt eine stilistische Verbindung zu den historischen, denkmalgeschützten Nachbarbauten her. Dafür setzten die Architekten auf Häuser mit Satteldächern und verspielte Winkel. Dank der seriellen Bautechnik ließ sich die innerstädtische Nachverdichtung auf der 10.000 m2 großen Fläche in nur kurzer Zeit umsetzen. Dieses Projekt zeigt auf, dass die Modulbauweise eine vielfältige Formensprache zulässt, die sich deutlich von den Plattenbauten der Nachkriegsarchitektur unterscheidet.
Einen modularen Wohnbau mit Fokus auf Nachhaltigkeit realisierte mit Oktober 2020 das Team von Johannes Kaufmann Architekten. Im Zuge dessen entstanden in Judenburg, in der Steiermark, 58 Holzmodule die insgesamt 20 Mietwohnungen beherbergen. Der Bau erfolgte in Kooperation mit dem Vorarlberger Unternehmen purelivin Gmbh, das sich auf die Produktion seriell vorgefertigter, klimapositiver Module aus Holz spezialisiert hat. Auf einer Wohnfläche von 1.170 m2 wurden etwa 500 m3 Holz verbaut. Dank der Vorfertigung konnte die Montage bereits nach nur vier Tagen abgeschlossen werden. Das gelungene Referenzprojekt zeigt auf, dass serieller Wohnungsbau nicht nur funktional ist, sondern sich auch mit der Rücksicht auf das Klima verwirklichen lässt.
Architektur lebt von der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Damit die Bauplanung aber auf Strömungen und Bedürfnisse der heutigen Zeit reagieren kann, bedarf es neuer Ansätze. Letztere liefert unter anderem die serielle Bauweise. Der moderne Modulbau hat einiges dazugelernt und dadurch mit der monotonen Plattenbauweise nicht mehr viel gemein – er ist zwar nach wie vor effizient, lässt aber ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum zu.
Text: Dolores Stuttner
Kategorie: Architekturszene, Kolumnen