Roboterbasierter Reuse
Das in Rotterdam ansässige junge Forschungs- und Designstudio The New Raw verarbeitet Kunststoffabfälle mit Hilfe von Robotern und Handwerkskunst zu Designobjekten. Dabei setzt das Team des 2015 von Panos Sakkas und Foteini Setaki gegründeten Labs auf die Entwicklung von eigenen (digitalen) Handwerkstechniken, die sich in einer formalen und technischen Sprache ausdrücken. Die Textur und der Schicht-für-Schicht-Charakter des intern zur Verfügung stehenden roboterbasierten Herstellungsprozesses stehen bei allen Entwürfen im Fokus der Designer, die immer auch die Möglichkeiten bis an die Grenze auszuloten versuchen, welche die Robotertechnik zu bieten hat. Im Interview sprechen Foteini Setaki und Panos Sakkas über die The New Raw zugrundeliegende Idee, Herausforderungen und Chancen sowie Anwendungsgebiete von aufgearbeiteten Materialien.
„Obwohl wir einen architektonischen Hintergrund mitbringen, praktizieren wir keine Architektur im ›traditionellen‹ Sinne. Wir forschen und entwerfen basierend auf einem Trial-and-Error-Prinzip, was oft dazu führt, dass wir uns dem Design von Materialarchitekturen sowie der Konstruktion und Produktion von abstrakten Strukturen widmen und uns die Hände mit der Chemie von Kunststoffen schmutzig machen. Wir neigen dazu, an das große Ganze zu denken und unser Tun auf übergeordnete Ideen zu projizieren. Diese Mentalität entspringt unserer Architektur-DNA.”
© Michele Margot
Wie sind Sie dazu gekommen, das Potenzial von Kunststoffabfällen zu erforschen und dieses Material im Kontext der Architektur zu verwenden?
Kunststoff ist ein industrielles Material, das bisher noch nicht in der Handwerkskunst verwendet wurde. Wir untersuchen, wie wir mit unseren Robotern im Sinne einer Erweiterung unseres Designteams Plastikabfälle in handwerkliche Objekte verwandeln können. Design könnte eine wichtige Rolle dabei spielen, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Recycling zu schärfen. Obwohl das Recycling nicht so effektiv ist, wie es sein sollte, ist es der einzige Weg in die Zukunft! Wir müssen es zum Funktionieren bringen – genau dafür setzen wir uns ein.
Welche Herausforderungen und welche Chancen bringt die Verwendung dieser Materialien mit sich?
Wenn Kunststoffabfälle in den 3D-Roboterdruckprozess einfließen, entsteht ein neues Material mit neuen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Wir lieben es, Kunststoffabfälle mit Robotern zu bearbeiten, so als ob es sich um ein natürliches Material mit unvollkommenen und nicht homogenen Eigenschaften handeln würde. Wir betrachten uns als digitale Handwerker, da wir uns intensiv mit der Technik und den Werkzeugen beschäftigen und versuchen, neue, unerwartete Wege zu finden, um die Materialität von Kunststoffabfällen zum Ausdruck zu bringen. Wir bringen unseren architektonischen Hintergrund in unsere Designpraxis ein. Die meisten unserer Arbeiten sind projektbezogen und die meisten unserer Produkte sind aus Projekten entstanden.
Wofür ist das Material Ihrer Meinung nach am besten geeignet?
Für Innen- und Außenanwendungen wie Möbel, große individuelle Produkte, Pflanzgefäße, Bushaltestellen, Spielplätze und vieles mehr.
Was macht das Material besonders nachhaltig und welche Eigenschaften bringt es mit?
The New Raw setzt sich für eine lokale Produktion und ein Bewusstsein für die Herkunft und den Lebenszyklus der Materialien ein, die wir für die Gestaltung unserer städtischen Umwelt verwenden. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir physische Werkzeuge entwickelt, die Kunststoffabfälle nachhaltig verarbeiten und wir haben digitale Handwerkskunst eingesetzt, um recycelten Kunststoff in ein optisch ansprechendes Material für sinnvolle Anwendungen im Freien zu verwandeln.
Für welche Zwecke haben Sie das Material bereits eingesetzt und wo sehen Sie noch ungenutztes Potenzial?
Unsere Projekte reichen von der Erforschung der Plastikverschmutzung in Städten und im Meer, wie sie für Second Nature entwickelt wurde, bis hin zu Experimenten mit hyperlokaler Fertigung, von dezentraler Produktion bis zu partizipativen Designmethoden für Kreislaufwirtschaftssysteme. Für das Projekt Print Your City und sein Zero Waste Lab in Thessaloniki haben wir eine Reihe von individuell gestaltbaren Möbeln entwickelt, die von den Bürgern über eine Online-Plattform angepasst werden können, um sie für das Recycling von Plastik zu gewinnen. Kürzlich haben wir zwei unserer größten Stücke vorgestellt: COMB, ein 12 Quadratmeter großes Wandbild, das in Polen installiert wurde, und Stratum, ein multifunktionales Eingangsmöbel in Utrecht. Wir sehen noch viel mehr Potenzial in Anwendungen für architektonische und urbane Entwicklungen, bei denen wir künftige Nutzer und Bürger einbinden, das Umweltbewusstsein schärfen und das Gemeinschaftsgefühl stärken können, während wir gleichzeitig lokales Plastik recyceln und den öffentlichen Raum mitgestalten.
Arbeiten Sie auch mit Herstellern oder anderen Designern zusammen?
Ja, wir lieben Kollaborationen!
Ein Projekt, an dem Sie gerade arbeiten, und eines, das Sie unbedingt noch verwirklichen wollen?
Wir arbeiten derzeit an mehreren Projekten für den öffentlichen Raum: einem integrativer Spielplatz für eine Gemeinde in Athen und einer Reihe von Turnhallenelementen für die Gemeinde Rotterdam, um nur einige zu nennen. Parallel zur Entwicklung von Möbeln und Ausstattungen für den öffentlichen Raum möchten wir weitere Möglichkeiten für die Innenausstattung von Gebäuden erkunden.
Der Design-Ansatz
Mit ihrer Arbeit loten The New Raw die Grenzen des nachhaltigen Designs in Bezug auf Materialverwendung, Design und Produktion aus und entwickeln Methoden, um Kunststoffabfälle mit Hilfe neuer Technologien weiterzuverarbeiten. Dabei soll jedes der Projekte oder Produkte die Art und Weise, wie wir Plastikmüll sehen und erleben, neu definieren. Indem die Designer Funktionalität, Schönheit und Storytelling miteinander verbinden, wollen sie langlebige Produkte schaffen, die Botschaften und Geschichten über Umweltbewusstsein und eine nachhaltigere Lebensweise vermitteln.
Das Ergebnis
Inspiriert von Stricktechniken umfasst die Kollektion „Knotty“ eine Reihe verspielter Bänke mit einer kühnen und taktilen Textur. „Stratum“ wiederum erinnert an geologische Schichtungen – das bis dato größte monolithische Stück des Kreativteams ziert die PicNic-Zentrale in Utrecht und wurde nach den Vorgaben des Architekturbüros DENC entworfen, das auch für die Gestaltung des Eingangsbereichs des Gebäudes verantwortlich zeichnete. Die 3D-gedruckte Stadtmöbel-Kollektion „Pots Plus“ ist das Ergebnis der Suche nach einer Möglichkeit, den Plastikmüll einer Stadt sinnvoll zu verwerten. Mit ihren ergonomischen Formen mäandern die Produkte zwischen Pflanzgefäßen, Sitzbänken und Stadtmöbeln.
Die Kunden
Stadtverwaltung Amsterdam, Coca-Cola in Griechenland, Ogilvy Griechenland, Adidas, Unilever, Amsterdam Institute for Advanced Metropolitan Solution, TU Delft, Stadtverwaltung Thessaloniki, Revive, BlueCycle, S+T+ARTS, IBM, Climate-KIC und weitere.
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen