Schlaglochkunst im öffentlichen Raum – Jim Bachor
Im Winter beginnen sie, im Frühjahr sind sie da, auf allen Straßen sind sie zu finden. Autofahrer hassen sie, Kinder stapfen mit Begeisterung in ihre Pfützen – die Schlaglöcher. Was des einen Freud und des anderen Leid, ist für den Künstler Jim Bachor zu einer Aufgabe geworden. Er repariert Schlaglöcher, aber nicht mit Asphalt oder simplem Beton, sondern mit kunstvoll designten Mosaiken aus Glas oder Fliesen.
Inspiriert hat ihn ein Ferialjob bei archäologischen Ausgrabungen in Pompeji, Italien. Er sah, dass die Oberflächen nach 2.000 Jahren noch denselben Glanz und die gleiche Farbigkeit hatten, wie zur Zeit ihrer Entstehung. Da bekam seine schon lange währende Faszination für Archäologie plötzlich einen neuen Sinn.
Vor ca. drei Jahren begann er dann, die oft schadhaften Straßen seiner Heimatstadt Chicago zu verschönern. Und zwar, indem er Schlaglöcher mit einer Mischung aus Beton und fröhlichen Mosaiken aus Glas und Marmor sowie Fliesen füllte. Zuerst wollte er Seriennummern in den Mosaiken darstellen, in Anspielung auf die ungeheure Menge der Schadstellen in den Straßen. Telefonnummern von nahe gelegenen Autoreparaturwerkstätten waren der nächste Gedanke. Dann Blumen als eleganter Gegensatz zu der Universalität der scheußlichen Löcher. Schließlich wurde (passend zur Jahreszeit) die erste Serie von klassischen Eiscremetüten daraus.
Peter Reischer unterhielt sich mit Jim Bachor über seine Motivationen und seine Pläne für die Zukunft.
Warum haben Sie ein derartig simples – um nicht zu sagen hedonistisches – Motiv wie eine Eistüte gewählt?
Das ist eben der Kontrast der universellen Wahrheiten: Ganz egal, wer du bist, jeder hasst Schlaglöcher und fast alle lieben Eistüten. Ich hoffe, dass diese Kampagne ein bisschen unerwartete Freude in das Leben der Menschen bringt.
Steckt da eine leise Kritik an unserem ökonomischen System dahinter?
Die Aktion steht eher in einem Zusammenhang mit Problemen, die die Stadt lösen sollte, worauf sie ihr Augenmerk richten sollte. Es ist weniger Kritik als eine Art trockener Humor draußen auf den Straßen. Ich ändere damit auch die Wahrnehmung der Menschen dafür, was ein Mosaik sein kann. Ich verwende die gleichen Materialien und Techniken wie die Handwerker vor 2.000 Jahren.
Sie richten Ihre Aufmerksamkeit auch auf weggeworfene Konsumgegenstände?
Ja, in meiner 2016er Serie „Pretty Trashed“ befasste ich mich mit Zivilisationsabfall, den man überall in den Straßen finden kann: flach gedrückte Bierdosen, leere Chipspackungen, entwertete Parktickets …
Wie wäre es mit einer Stadtkarte der Schlaglöcher? Das könnet doch eine neue Erfahrung für Touristen sein, abseits der gewohnten Trampelpfade?
Das gibt es schon, eine interaktive Karte befindet sich auf meiner Homepage: www.bachor.com
Wie ist die Reaktion der Menschen, wenn sie sehen, was Sie da tun? Wie reagieren sie?
Sie kümmern sich nicht um mich, sie denken, ich sei ein Straßenarbeiter, der sich einfach zu lange mit der Reparatur eines einzigen Schlagloches beschäftigt! Aber je bekannter die Aktion wird, umso mehr werden die Menschen aufmerksam. Sie bleiben stehen oder rufen aus dem Auto zu mir hin. Ich bekomme auch Vorschläge von Nachbarschaften (mit besonders vielen Schlaglöchern), zu denen ich hingehen sollte.
Wo ordnen Sie Ihre Kunst ein: popart, streetart oder …?
Gute Frage – in beiden. Ich hatte nie vor, ein Straßenkünstler zu sein, aber das bin ich sicherlich (literarisch gesehen).
Wie geht´s jetzt weiter, welche Pläne haben Sie? Eine Ausstellung in einer Galerie ist wahrscheinlich nicht möglich?
Immer weitermachen! Ich will jedes Jahr eine neue Kampagne starten. Gutes passiert nur, wenn man kontinuierlich ist und das bin ich. Natürlich hoffe ich immer auf neue Aufträge, die sich ergeben können. Es gibt ja genug Schlaglöcher auf der Welt. Letztes Jahr habe ich eine Serie in Finnland gemacht. Ich werde diese Aktion verschiedenen Städten auf der Welt anbieten.
Eine Galerie ist eigentliche keine Option, außer die Arbeiten wären fotografiert und derart ausgestellt.
Fotos:©Mark Battrell Photography
Interview&Text: ©Peter Reischer
Kategorie: Start