Wie sicher ist ein Spital? Digitalisierung Spital 4.0

19. Juli 2017 Mehr

Infrastruktur passiert heute größtenteils bereits digital. Wir sind vernetzt, global, jeder mit jedem und das Internet der Dinge (IOT) ist allgegenwärtig.

Wir sind alle auf medizinische Versorgung angewiesen und die wachsenden Bevölkerungszahlen lassen auch den Bedarf an Ärzten, Krankenpflegern sowie medizinischen Bedarfsartikeln und Einrichtungen steigen. Deshalb werden ständig neue Krankenhäuser gebaut. Die meisten Kliniken konzentrieren sich heutzutage auf die Notfallversorgung, bedrohliche Erkrankungen und Verfahren, die spezialisiertes Personal und spezielle Technik erfordern. Im Hinblick auf ihre Organisation ähneln sie „Gesundheitsfabriken“. Und dort sind – wie in jeder Fabrik – Koordination und Timing entscheidend. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, implementieren viele moderne Medizinzentren fortschrittliche Technologien und setzen dabei auf intelligente Systeme und automatisierte Verfahren.

Die Vortragenden einer Konferenz in Wien, Vösendorf gewährten interessante Einblicke zum Thema „Energie im Krankenhaus – Digitalisierung Spital 4.0“. Die Keynote von Dr. Wieland Alge (Barracuda Networks AG, Innsbruck) war von brisanter Aktualität: Er sprach über Cyberkriminalität im Krankenhaus.

 


Der letzte Hackerangriff, der viele Spitäler in England lahmgelegt hat, lässt einige Fragen aufkommen. In den Medien wurde nur von IT-Ausfällen berichtet, dass Spitalbetriebe lahmgelegt wurden – aber was bedeutet das? Kaum ein Patient ist sich über die Konsequenzen derartiger Möglichkeiten bewusst.
Fast alle Geräte eines Krankenhauses sind digital vernetzt. Nicht nur das, auch die Klimatisierung, Lüftung, Absaugung etc. laufen über computergesteuerte Programme. Man könnte auch das gesamte Gebäude als einen riesigen Komplex, miteinander verbundener, vernetzter Kleincomputer betrachten. Das hat zur Folge, dass durch einen Hackerangriff die Infrastruktur fremdgesteuert und beeinflusst werden kann. Die Vorstellung eines Patienten, der in die Röhre eines CT-Gerätes geschoben wird, und dann dort gegrillt wird, lässt an übelste Horrorfilme denken. Jedoch möglich ist das bereits.

Die Konsequenz dieser Vorkommnisse für die Architektur bedeutet, dass Planer, Architekten und FM-Manager bei der Errichtung von Infrastrukturbauten (Krankenhäuser sind in diesem Fall wohl sehr prägnante Beispiele) in Zukunft auch ganz andere, komplexere Strukturen beachten müssen. Deren einfachste ist, die verantwortungsvolle Absicherung der Geräte. Und Geräte, Patienten und Ärzte gehören nicht in die gleiche Infrastruktur.

Dr. Alge formulierte das als Mantra: „WTF – where is the firewall?“ Diese WTF-Frage wird jeden Planer von infrastrukturellen Einrichtungen beschäftigen müssen, eine wesentlich dichtere Zusammenarbeit zwischen Architekten, IT-Ingenieuren, FM-Managern und Bauherrn wird die Folge sein. Für diese großteils plattform- und gewerkeübergreifende Planung  ist aus Sicht der Planer und Architekten BIM (Building Information Modeling) ein gangbarer Weg.

Mit dem Stichwort BIM ging es auch weiter in der Liste der Vorträge. DI Christoph Carl Eichler, GF der ODE (Office for Digital Engineering) brachte die Frage nach der zeitlichen Verwendbarkeit von BIM-Daten aufs Tapet. Genauso, wie es heute nicht (oder kaum) mehr möglich ist, mit einem zeitgemäßen System Word-Dateien aus dem Jahr 95 zu öffnen, tauchen jetzt bereits Kompatibilitätsprobleme mit den BIM-Daten aus den vergangenen Jahren auf. Es fehlen Standards in der Planung, es fehlen einheitliche Plattformen und es fehlt an der Kommunikation der Experten untereinander. Und damit wird der Datenarchäologie ein rasanter Aufstieg vorhergesagt.

Exemplarisch trat die fehlende Interdisziplinarität und Kommunikation zutage, als der IT-Experte Dr. Alge durch den Vortrag von DI Eichler den Begriff BIM zum ersten Mal hörte. Fachspezifisches Inselwissen ohne den notwendigen fachlichen Austausch haben auf die Kosten und Prozesse in der Architektur erhebliche Auswirkungen.

Während in Deutschland bereits munter von BIM 5.0 gesprochen wird, meinte
DI Dr. Klaus Reisinger, GF von ENGIE Gebäudetechnik GmbH, einem internationalen Unternehmen, das aus Sulzer und Cofely entstanden ist, dass wir in der Baubranche der Digitalisierung nachhinken und die Spitalplanung noch weit von 4.0 (Titel der Konferenz) entfernt sei.

 

architektur unterhielt sich mit Dr. Wieland Alge und fragte nach:

Hat die Welt jetzt aus dem Cyberangriff mit der Ransomware „WannaCry“ etwas gelernt?

Nicht allzu viel, denke ich. Die Gründe und Muster für diese Angriffe und die Verletzlichkeit sind seit Jahrzehnten bekannt: Systeme, die nicht up to date sind, IT-Abteilungen, die unterbesetzt sind, Dinge werden nicht ernst genommen. Die Ausrede, „Wir haben kein Geld“ ist normal.

Kann es denn sein, dass in einem Spital ein Menschenleben vernichtet wird, weil es kein Geld gibt?

Dass Menschen im Spital sterben, weil kein Geld vorhanden ist – das war schon immer so.

Das ist aber ein trauriger Befund für unsere Gesellschaft.

Das Traurige an der IT ist, dass es eben gar nicht an Geld scheitert, sondern an Kompetenz, an effizientem Einsatz, am Klinikmanagement. Oft sitzt dort eine Generation, die gar nicht weiß, was zurzeit passiert.

Würden Sie sagen, dass in der Infrastruktur eines Krankenhauses vor jedem Gerät eine Firewall sein soll?

Tatsächlich wird es darauf hinauslaufen. Alle Hersteller gehen dazu über, über einen „remote-Zugriff“ ihre Geräte zu warten. Dieses „product as a service“-Prinzip für Medizingeräte wird sich massiv durchsetzen. Ich muss also Zugänge schaffen, sie aber einzeln abschotten oder sicher verbinden, weil sie von außen adressiert werden. Da darf es den Domino-Effekt, der ein ganzes Spital lahmlegt, nicht geben.

 

 

Text: ©Peter Reischer

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