Das Schwalbenei – TIJ

9. Juli 2019 Mehr

TIJ Nordsee

T IJ ist ein holländischer Wortwitz: Tij bedeutet Flut aber schnell ausgesprochen auch das Ei. Es handelt sich dabei um das größte einer Serie von Objekten zur Vogelbeobachtung, die speziell zur Feier der Eröffnung der Haringvliet-Schleusen im November 2018 kreiert worden sind.

 

TIJ Schwalbenei

 

Diese Schleusen wurden geöffnet, um die Biodiversität und die Qualität des Wassers zu verbessern, auch um den Fischzug von der Nordsee in das Deltasystem von Maas und Rhein in Holland wieder zu ermöglichen. Es soll ein neues, robusteres Ökosystem entstehen. Um den Menschen die Möglichkeit zu bieten, diese Veränderungen zu erleben und auch daraus zu lernen, hat man eine Reihe dieser Vogelbeobachtungsstationen in der Gegend von Haringvliet errichtet.
Diese eiförmige Vogelstation befindet sich in Scheelhoek, einem Naturschutzgebiet in der Nähe von Stellendam. Das Observatorium ist Teil einer größeren Landschaftsgestaltung, in der die Menschen die Natur vom Scheelhoek-Reservat auf dem Weg vom Parkplatz zum Ei beobachten können. Auf dem Weg dahin sieht man eine Reihe von Biotopen mit speziellen Vogelarten. Um die Vögel jedoch nicht zu stören, ist der letzte Teil des Weges eigentlich ein Tunnel – gestaltet aus wiederverwendeten Befestigungspfosten und Azobebrettern (Tropenholz), die einmal bereits in der Ziegelfabrikation verwendet worden sind. Der Tunnel ist mit Sand bedeckt, der wiederum Nestplätze für Vögel bietet.

Das Ei selbst ist wie ein Schwalbenei modelliert, sitzt auf einem Nest aus Sand – genau wie eine Schwalbe es auch erbaut hätte. Es besteht aus vertikalen „Federn“ aus Kastanienpfosten, Schilf und Sanddünen. Es ist parametrisch entworfen um ein gutes Verhältnis zwischen Form, struktureller Integrität, Holzdimensionen und Öffnungen zu erzielen. Die Struktur ist eine sogenannte File-to-Factory-Produktion, bei der aus dem Computer heraus direkt in die Maschine gearbeitet wird, um große Spannweiten mit kleinen Holzteilen zu erzielen. 402 Einzelteile wurden produziert und vor Ort zusammengebaut. (Natürlich kann die Konstruktion auch wieder vollständig zerlegt und recycelt werden.) Der untere Teil – der mehrmals im Jahr überflutet wird – ist aus widerstandsfähigem Accoyaholz. Der obere Teil – der immer im Trockenen ist – aus Fichtenholz. Gedeckt ist das Ei mit lokal gewonnenem Schilf. Das schilfgedeckte Dach hört genau über dem höchsten Wasserstand auf. Der Boden im Inneren des Eis funktioniert als statischer Stabilisator, eine hybride Holz-Betonmischung, und von ihr aus hat man eine wunderbare Aussicht auf die Inseln, die Haringvliet-Schleuse, Wasser und die Natur. Mensch und Natur kommen hier zusammen und können ein Teil der jeweils anderen Welt sein und so auch erfahren werden.

 

Fotos:©Katja Effting

Architektur: RAU Architekten in Zusammenarbeit mit Ro&Ad Architekten

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Kategorie: Magazin