Sakral und minimal in Stahlbeton
Kurz nach dem 2. Vatikanischen Konzil begann man mit einer enormen Erneuerungswelle im Kirchenbau in Europa. Nicht nur im Inneren änderte sich das Aussehen, sondern vor allem die äußeren Erscheinungsbilder bekamen ganz andere Anmutungen. Beton, Stahl, große transparente Flächen aus Glas dominierten auf einmal die bislang eher verschlossenen Architekturen. Sogar frei stehende Stahlbetonkirchtürme kamen in Mode. Ganz in dieser Tradition hat Architekt Marek Jan Štěpán einen Sakralbau in Tschechien errichtet. Die Kirche des Hl. Wenzeslaus befindet sich in Sazovice, Mähren und wurde 2017 fertiggestellt.
Die Idee zu dieser Kirche stammt schon aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Jedoch erst vor drei Jahren wurde sie wieder aufgegriffen und von den Bewohnern des Ortes ein Komitee zur Finanzierung des Baus gegründet. Der kreisförmige Grundriss umschreibt exakt den quadratischen Grundriss der Prager Kapelle und das Zylindrische bezieht sich auf die Zeit des heiligen Wenzel (Václav), in der eben Rotunden errichtet wurden.
Der Architekt hat einen annähernd zylindrischen Stahlbetonkörper errichtet, allerdings verschwindet die von außen spürbare Massivität durch den Trick, die Wände wie Papier heraus- und hineinzudrücken. An diesen Stellen laufen die dicken Volumina bis auf wenige Zentimeter – fast spitz – zusammen und entmaterialisieren scheinbar den Körper. Er wirkt leicht und begreifbar, man spürt gar nicht das Massive und auch nicht die Höhe, die ja immerhin vier Ebenen (zumindest im Stiegenaufgang zum Glockenraum) enthält. Der Zugang zum Innenraum kann von zwei verschiedenen Ebenen erfolgen. Im Untergeschoss befinden sich Technik, Sozial- und Nebenräume, im Eingangsgeschoss der Kirchenraum mit einer Empore und einer dreieckigen Lichtöffnung gegen den Himmel. Eine Wendeltreppe führt hinauf zu einer der erwähnten Einbuchtungen im Zylinder, hier hängen die Kirchenglocken.
Das Licht spielt in dieser Architektur eine große Rolle. Es gleitet die Wände entlang, dringt ein, penetriert den Beton und betont die Form. Die nach innen und außen gebogenen Wandteile schaffen eine Durchdringung von Architektur und Umgebung, ein Fließen des Raumes. Das Innere ist im Gegensatz zu barocken Kirchenräumen äußerst schlicht und reduziert gehalten. Die Atmosphäre schafft Ruhe, Besinnung und Frieden. Auch die wenigen künstlerischen Applikationen an den Wänden tragen dazu bei. Es entsteht eine Stimmung, in der die Beleuchtung zum Bindeglied zwischen der materiellen Welt und dem Unsichtbaren, dem Transzendenten wird. Und gerade in unserer heutigen Zeit, in der wir mit Informationen überladen und überschwemmt werden, sind solche Gelegenheiten rar und umso wichtiger.
Fotos: ©Boysplaynice
Kategorie: Magazin