Alt und Neu im arabischen Raum
Es ist sicher kein Zufall, dass heutzutage im arabischen Raum die meisten Landmarks entstehen und fast alle Stararchitekten und auch Newcomer dort bauen oder es wollen. Besonders die VAE sind das Mekka der Architekten, es ist (scheinbar) unbegrenzt viel Geld vorhanden und Gesetze, die Bauordnungen und eine menschenwürdige Bauabwicklung werden auch nicht so genau beachtet. Shitstorms sind vorprogrammiert, tun aber dem Business keinerlei Abbruch, die Spielwiese für megalomanische Eitelkeiten ist geöffnet!
Skyline Doha
Foto:©Qatar National Tourism Council
Die (noch) Öl fördernden Länder der Region haben das Ende ihres Reichtums aus diesen Quellen erkannt und unternehmen vielfältige Versuche, um ein neues Standbein ihrer Wirtschaft und ihres Einkommens zu erzeugen: Kunst, Tourismus, Sport und Spektakel sind die benutzten Werkzeuge. Auf der Strecke bleiben dabei die Umwelt und auch die Werte ihrer eigenen Kultur. Jahrhunderte Jahre alte Traditionen, Bauweisen und Wissen werden zugunsten der technoiden Möglichkeiten unserer Zeit und der Sucht nach Maximierung eines Images über Bord geworfen und vergessen. Die Transformation von einer Beduinensiedlung und Karawanserei zum höchsten Gebäude der Welt, zu gigantischen Zweigstellen der weltbesten Museen, zu Vergnügungsparks und Rennstrecken im Wüstensand in wenigen Jahren geht zu schnell. Es stellt sich die Frage, ob man die Funktion von Windtürmen zur Klimatisierung von Bauten einfach durch Klimaanlagen ersetzten kann? Ob die Umwelt es verzeiht, wenn Sandstrände zu kilometergroßen Ornamenten mit Hotelburgen transformiert werden? Ob man die Vernunft und Umwelt dem Profit opfern darf?
Nicht immer ist aber das Neue schlecht und es soll hier auch nicht der Eindruck von grenzenloser Kritik erweckt werden. Großartige Zeugnisse der Baukultur in diesen Ländern – sie gibt es genug – stehen nun Seite an Seite neben den hochinteressanten, architektonischen Projekten der Jetztzeit. Dieses Nebeneinanderstellen historischer Architektur der Vergangenheit mit heutigen Landmarks zeigt jedoch den Irr-, Un- oder Sinn dieser Entwicklung. Allerdings sollen in diesem Artikel nicht nur die „großen“ zum Teil erst in den kommenden Jahren eröffneten Architekturen der Stars (das von Zaha Hadid inspirierte Al Wakrah Stadion oder die das von Jean Nouvel entworfene National Museum of Qatar oder der 830 Meter hohe Burj Khalifa) gezeigt werden, sondern eher kleinere Beispiele und architektonische Experimente.
Foto:©Qatar National Tourism Council
Betrachtet man zu Beispiel die neue „Apple Dubai Mall“ von foster + partners, so erweckt die riesige „Solar Wing“ Installation, welche Schatten und Schutz für die Innenräume bietet, Erinnerungen an die filigranen Balustraden und Fensterwände von alten Bauten der Region. Die sich solar gesteuert, öffnende und schließende Wand, die den Shop mit der Aussicht auf den Burj Khalifa und den Dubai Fountain verbindet oder trennt, scheint in ihrem Konzept und Schema auf die Kultur und die klimatischen Bedingungen der Emirate zu antworten. Die Installation stellt eine Neuinterpretation der traditionellen Mashrabiya (traditionelle islamische dekorative Holzgitter, die als Gitterschranken in Moscheen oder als Fenstergitter bzw. als Balkonverkleidungen in Wohnhäusern und Palästen zum Einsatz kamen) dar. Jeder der Flügel ist aus leichtgewichtigen Karbonfasern gemacht, die vielschichtigen Lagen von Stäben formieren ein dichtes Netz, das sich in seiner Konzentration nach der Stärke des Sonneneinfalls richtet. Betrachtet man allerdings die islamischen Vorbilder, so ist von deren Feingliedrigkeit und der sensiblen Ausführung nur wenig zu bemerken. Man kann eben ein System mit einer Größe von ca. 1 x 2 Meter nicht einfach auf eine Dimension von 3 x 10 Meter aufblasen. Gleichzeitig demonstriert diese Architektur die Macht und den Einfluss einer der bedeutendsten Firmen der Welt.
Foto:©Nigel Young
Souq Waqif, man kann gut die Feinheit und die sorgfältige Ausarbeitung der durchbrochenen Öffnungen erkennen
Foto:©Qatar National Tourism Council
Ähnliches lässt sich zum Louvre Abu Dhabi konstatieren. Entworfen von Jean Nouvel, wurde es mit fünfjähriger Verspätung 2017 eröffnet. Zahlreiche Proteste in Frankreich, wo Petitionen gegen den Ausverkauf französischer Kultur unterzeichnet wurden, begleiteten seine Entstehung. Der Preiskampf um den Auftrag war angeblich beachtlich, eine österreichische Firma hat schließlich den Auftrag für den Stahlbau der Kuppel erhalten, sich daran aber die Zähne ausgebissen und musste Konkurs anmelden. Vorbilder in Form und Gestalt kann man in den verschiedensten Moscheen und Kuppelbauten der arabischen Welt finden. 7.850 Aluminiumsterne bilden in verschiedene Größen und Schichten den flirrenden Himmel der großen Kuppel, mit 7.500 Tonnen ist sie in ihrem Stahlgewicht schwerer als der Eiffelturm.
Außenansicht des Louvre Abu Dhabi
Foto:©Mohamed Somji
Felsendom in Jerusalem
Foto:©FadiBarghouthy
Das Büro Luca Poian Forms hat einen Entwurf für eine neue Moschee, direkt an den Ufern des Dubai Creek Harbours ausgearbeitet. Er übernimmt die organisatorischen und kompositorischen Kriterien der traditionellen Moschee und erweitert sie um die Einführung doppelt gekrümmter Bögen als eine neue Topologie in diesen religiösen Strukturen. Das einfache Gewölbe ist in vielen Bauten des Islam zu finden, Poian nimmt allerdings die sogenannte Scherk-Kurve oder Fläche als Vorbild und benutzt sie sowohl in monumentaler Größe in der Gebetshalle wie auch in verkleinerter Form bei den Minaretten.
Fotos:©Luca Poian Forms
Ein weiterer religiöser Bau ist der Wettbewerbsentwurf für die „Spirit of Light“ – Dubai Creek Harbor Iconic Mosque von QASTIC Lab, California, USA. Die zwei Ebenen des Hauptraumes sind südwestlich gegen Qibla (die Richtung, in der die Muslime während des Gebetes blicken) gerichtet und sollen 10.000 Gläubige aufnehmen. Das Licht wird hier zum Spielball zwischen innerer und äußerer Hülle, unterstützt von einem diamantförmigen Fenster, welches dramatisch in der Mitte der Öffnung in Richtung Mekka sitzt. Ein System aus GFRC-Paneelen (Glass fiber reinforced concrete) in der Hülle soll durch eine Stahlkonstruktion, entsprechend der geometrischen Harmonie, unterstützt werden. Die Architekten wagen damit eine Neudefinition der Rolle eines religiösen Baus, indem sie die Hauptrichtung der Architektur nicht vertikal, sondern in einem 45 Grad Winkel horizontal ausrichten.
Fotos:©Naab Design
Karawansereien dienten im nahen und auch fernen Osten zur Übernachtung und auch als Warenlager und Warenumschlagsstelle. Einen modernen Lagerraum, und zwar eine Galerie hat das Büro OMA in Dubai’s Al Qouz, dem Industriebezirk in der Alserkal Avenue adaptiert. Das 1.250 m2 große, ehemalige Lagerhaus dient heute für Ausstellungen, Events, Performances und Modeshows. Alle Servicebereiche sind an einem Ende konzentriert, um die Eventfläche so groß wie möglich zu halten. Die originale Hauptansicht wurde durch eine Polykarbonatfassade ersetzt und hat raumhohe (8-10 Meter) Türen bekommen – so kann der Hof als Fläche mitbenutzt werden. Die transluzenten Tore bringen auch eine optische Verbindung zwischen innen und außen mit sich und versorgen das Innere zusätzlich mit Tageslicht. Der Rest der Fassade ist erhalten und mit einem schwarzen Betonspritzputz versehen, darin sind kleine Glas- und Spiegelsplitter enthalten und so erregen diese Boxen Aufsehen in der Nachbarschaft.
Fotos:©Lester Ali
Fotos:©Qatar National Tourism Council
Laut seiner Selbstbeschreibung will das Jameel Arts Centre die führende Galerie für zeitgenössische Kunst in den VAE, im Mittleren Osten und in der südasiatischen Region werden. Sie wurde im November 2018 eröffnet und wurde von Serie Architects entworfen. Situiert ist dieser Warenumschlagsplatz für Kunst mit 10.000 m2 Nutzfläche an der Jaddaf Waterfront in Dubai. Die Architekten bezogen ihre Inspiration aus den frühen Emirati Sha’abi Häusern (siehe auch Architekturbiennale Venedig 2016), diese bilden eine Serie von Räumen, welche einen Hof umschließen. Ihre zweite Inspiration ist der Madinat-Stil, bei dem eine parkartig durchgrünte „Stadt in der Stadt“ äußerst aufwendig als Lagunenstadt im Stil alter arabischer Paläste mit den typischen Windtürmen gebaut wird. Das Resultat ist eine auf einer Inselform errichtete Ansammlung von weißen Kuben, umgeben von einer Säulenkolonade und mit sieben Gartenhöfen durchmischt. Struktur und Symmetrie vermisst der Betrachter. Auch die Referenz zu den zitierten Windtürmen sucht man vergeblich bei diesem Architekturensemble.
Fotos:©Rory Gardiner
Die aufwendig und kunstvoll gestalteten “Windtürme“ dienen zur Belüftung und Ventilation der Innenräume
Fotos:©Thomas Schoch
Text:©Peter Reischer
Kategorie: Projekte