Back to the roots

26. August 2021 Mehr

Ark-shelter, das ist ein Werkstatt-Atelier, betrieben von Architekten und Handwerkern, welche gemeinsam die Grenzen ihres Hütten-Modulbau-Systems ausloten und neue Wohnformen kreieren. Für das Hotel Bjornson entstand so in der Niederen Tatra der Slowakei ein Hotelprojekt aus mehreren eigenständigen Hütten inmitten einer Waldlichtung. Für ein Urlaubserlebnis, das erdet. Fernab von Alltagsstress und Hamsterrad.

 

Das Werkstatt-Atelier Ark-shelter entwarf für das Hotel Bjornson in der Niederen Tatra der Slowakei ein Hotelprojekt aus mehreren autarken Hütten inmitten einer Waldlichtung.

 

Demänovská Dolina diente bereits in der Eiszeit als Siedlungsgebiet, später gingen die Schäfer mit ihren Herden in die Höhenlagen und heute ist das Tal ein beliebtes Touristenziel für Wanderer und Wintersportler aus aller Welt. Es befindet sich in der Niederen Tatra, einem Gebirgszug in den Karpaten der Slowakei. Der perfekte Ort für das Konzept des Hotels Bjornson: einer Apartmentsiedlung der anderen Art.

 

Das Werkstatt-Atelier Ark-shelter entwarf für das Hotel Bjornson in der Niederen Tatra der Slowakei ein Hotelprojekt aus mehreren autarken Hütten inmitten einer Waldlichtung.

 

Um die Geschichte hinter der Entstehung der sogenannten Shelters für das Hotel Bjornson zu verstehen, heißt es zuerst einmal, deren Erfinder näher kennen zu lernen. Alles begann vor fünf Jahren, als die zwei engagierten, belgischen Architekturstudenten Michiel De Backer und Martin Mikovčák darüber sinnierten, wie die Menschen heutzutage eigentlich ihr Leben leben. Alltagsstress, Hektik, höher, schneller, weiter – „viele von uns seien gefangen in einem Hamsterrad.“ Die naheliegende Lösung der beiden: die Rückbesinnung auf die Natur. Slow Down. Back to the roots.

 

 

Somit war die Philosophie von Ark-shelter geboren und es dauerte nicht lange, bis die erste kompakte Hütte gebaut werden konnte: “Wir integrierten alle notwendigen Gegenstände, die wir zum Überleben brauchten, in das Herz der Natur und begannen ganz ohne Stromnetz mit Sonnenkollektoren, Batterien und Wasserrückgewinnungssystemen.” In weiterer Folge wurden die Hütten an verschiedenen Orten aufgestellt: auf offenen Feldern, in Wäldern, auf Skipisten, an Seen oder auf Gebäudedächern. Dies führte schließlich dazu, dass die Architekten ihre Sichtweise änderten. Heute verstehen sie ihre Hütten eher als Module, die beliebig aneinandergefügt werden und somit auch zu größeren Komplexen wachsen können.

 

 

2019 wurden Ark-shelter von dem Team des Hotel Bjornson gebeten, eine Gruppe von Waldwohnungen für ein Grundstück im Herzen der Demänovská Dolina zu entwickeln. Der Investor hatte eine klare Vorstellung von einseitig orientierten Doppelkabinen, die in der Umgebung des bestehenden Hotelgebäudes platziert werden sollten. Die räumliche Designlösung lag für die Architekten demnach relativ schnell und einfach auf der Hand. Zugleich betonen die findigen Entwickler die Wichtigkeit des nachhaltigen Ansatzes hinter dem Projekt: “Wir halten das Konzept, die Module zwischen den Bäumen zu platzieren, für ökologisch. Nicht nur wegen des Baumschutzes, sondern auch aufgrund des minimalen Kontakts der Module mit dem Boden.” Anstelle von klassischen Fundamentplatten aus Beton setzten Ark-shelters auf eine auf Stützen aufgeständerte Bauweise. So wirken die vom Erdboden losgelösten Hütten beinahe schwebend. Die Landschaft umfließt die Satellitengebäude regelrecht und lässt den Besuchern viel Raum zum Atmen. Die begrünten Dächer wirken wie gegen den Himmel gehievte kleine Biotope, die den Anschein eines perfekten Miteinander von Mensch und Natur erwecken. Ganz im Sinne des Gebens und Nehmens.

 

 

Der räumliche Entwurf der Shelter basiert zum einen auf den Vorstellungen des Bauherrn von der Gestaltung der Außenhülle – der einseitigen Ausrichtung und den gewünschten Blickachsen – und zum anderen auf den praktischen Anforderungen an die Wohnbereiche. Jede Einheit besteht aus zwei unabhängigen Modulen, die jeweils eine eigenständige Unterkunft umfassen. Diese wiederum beinhaltet ein Schlaf-Wohnzimmer, ein Kinderzimmer, einen Eingangsbereich und ein Bad. Jede dieser beiden separat funktionierenden Einheiten kann durch das Verschieben der Trennwand zwischen den Wohnräumen zu einer großen Einheit verbunden werden. Es entsteht ein geräumiger zentraler Raum, in dem sich beispielsweise zwei Familien treffen oder Freunde austauschen können.

 

Das Werkstatt-Atelier Ark-shelter entwarf für das Hotel Bjornson in der Niederen Tatra der Slowakei ein Hotelprojekt aus mehreren autarken Hütten inmitten einer Waldlichtung.

 

Es gibt zwei Wohnungstypen, die als gespiegelte und gegeneinander verschobene Module funktionieren. Durch kleine räumliche Eingriffe, wie z.B. ein größeres Bad oder das Hinzufügen eines zusätzlichen Balkons, lassen sich die Shelter ohne großen Aufwand individualisieren und aufwerten. Wie ein Fernrohr fassen die vollflächigen Glasfronten den Ausblick in die umgebende Natur in einen Rahmen und holen gleichzeitig viel Licht ins Innere der Räume. An den Längsseiten hingegen sind die Module geschlossen und bieten so einen geschützten Rückzugsort und die nötige Privatsphäre. Vom Bett aus können die Gäste den Blick über den Balkon direkt hinaus ins Grüne oder die verschneite Winterlandschaft schweifen lassen. Naturbelassene Holzoberflächen sorgen dabei für ein behagliches Wohngefühl.

 

 

Die Hütten sind mitten im Wald und gleichzeitig im Herzen des Skigebiets Jasná platziert – gerade so weit voneinander entfernt, dass man sich weder alleine noch bedrängt fühlen muss. Die einzigartige Atmosphäre des Resorts gründet gerade in dem Mit- und Nebeneinander von touristischer Erschließung und scheinbarer Wildnis. Hier funktioniert das Paradox von Mittendrin und Rückzugsort wunderbar. Im Winter schaukeln die Sitze des Sesselliftes leise knarrend am Seil vor dem Fenster und frühe Skitourengeher grüßen schwer atmend beim leisen Vorbeistapfen. Im Sommer kann man sich vom Vogelgezwitscher wecken lassen, Eichhörnchen beim Anlegen der Wintervorräte beobachten oder mit etwas Glück, einen Blick auf ein vorbeihuschendes Reh erhaschen.

 

 

Es liegt an der Anordnung der Module, dass ein solcher Grad an Privatsphäre und Ruhe in dennoch unmittelbarer Nähe zum Hauptgebäude des Hotels sowie zum Touristengebiet gewährleistet werden kann. Zum Gesamtkonzept gehört auch eine Erweiterung des Hotelrestaurants und ein Wald-Wellness-Bereich. Letzterer fügt sich aus vier Ark-shelter-Modulen zusammen, die ein Cluster von Saunen und Entspannungsräumen inklusive Massagemöglichkeit bilden. Wie ein Kleeblatt sind die einzelnen Module um eine Holzplattform mit der Möglichkeit zum Abkühlen und Verweilen angeordnet. Jedes Element öffnet sich – wie auch die Wohnmodule – mit einer Fassade vollflächig in Richtung Natur und lässt die Grenzen zwischen Innen und Außen verschwimmen.

 

 

Den Architekten ist es nicht nur gelungen, ein ungemein vielseitiges Wohn-Modul zu entwerfen, Ark-shelter kann auch dem eigenen Anspruch gerecht werden, individuell mit der Umgebung in Kontakt zu treten. Auf der einen Seite bieten die Shelter einen witterungsgeschützten Rückzugsort, auf der anderen Seite verläuft die Grenze zwischen Natur und Wohnraum scheinbar fließend. Der Respekt für die Landschaft und der Ansatz des minimalinvasiven Eingriffs machen das Hotel Bjornson zu einem nachahmenswerten Modell für Tourismusgebiete rund um die Welt. Back to the roots – zurück zu unseren Wurzeln – leben im Einklang mit der Natur und sich selbst im Hier und Jetzt wiederfinden – dafür stehen Ark-shelter und darin liegt ein enormes Potenzial für die Zukunft.

 

 

Shelters für das Hotel Bjornson
NiedereTatra – Jasná, Demänovská Dolina, Slowakei

Bauherr: Hotel Bjornson, in der Rolle der programmatischen Führung
Planung: Ark-shelter
Mitarbeiter: Michiel De Backer, Viktor Mikovčák, Martin Mikovčák
Statik: Archekta

Grundstücksfläche: 3.600 m2
Bebaute Fläche: 11×75 m2 Wohn-Module / 4×20 m2 Wellness-Module
Nutzfläche: 700 m2
Planungsbeginn: 2019
Fertigstellung: 2020

www.ark-shelter.com

 

Ark-shelter
“In der heutigen, schnelllebigen Welt sind wir in eine Dauerschleife von Druck und Terminen geraten, die uns gestresst und belastet zurücklassen. Wir haben einen Weg gefunden, diesem hektischen Leben zu entkommen und zu unseren Wurzeln zurückzukehren. Wir glauben, dass die Menschen die Auszeit finden, die sie brauchen, wenn wir die Natur wieder in unser Leben integrieren. So entstand die Ark-shelter-Philosophie und jede Hütte wird danach gebaut.“

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: BoysPlayNice

 

 

Kategorie: Projekte