Betonkurven im Iran
Wenn man den Rohbau der Vila Kouhsar, in der Nähe von Teheran gesehen hat, erscheint es fast unglaublich, welche Plastizität und skulpturale Anmutung letztendlich in der fertigen Architektur zum Ausdruck kommt. Von der Grundform her ist der Bau ein einfacher Kubus, ein Würfel, der an derSüdseite ‚eingedrückt‘ wird, wie wenn ein Vakuum im Inneren die Außenwand ansaugt. Ein Vorgang, der mit dem Material Plastilin vorstellbar ist, wurde im Großen mit dem Werkstoff Beton ermöglicht.
Die hauptsächliche Herausforderung für die iranische Architektin Alireza Taghaboni war die problematische Verbindung von Form, Raum und Struktur. Mit dem Projekt wurde ihr Büro betraut, nachdem der Bau ein Jahr lang stillgestanden war, aufgrund der Unzufriedenheit des Auftraggebers mit dem räumlichen Resultat des begonnenen Bauwerkes. Die tragende Struktur und die Außenwände waren schon errichtet. Es gab einen achteckigen Zentralraum, von Säulen umgeben – und genau das machte den Klienten unglücklich: Durch die Form und Größe konnte der – bis jetzt – leere Zentralraum niemals die Weite und großartige Innenraumatmosphäre, die er sich gewünscht hatte, vermitteln.
Das mit der Fortführung des Vorhabens beauftragte Architekturbüro begriff, dass die einzige Möglichkeit, den Bau ‚wiederzubeleben‘ darin liegen musste, das Problem als Gelegenheit und nicht als Hindernis zu begreifen: Sie dehnten den Zentralraum aus und verwarfen den südlichen Teil eines Balkons, um einen besseren Ausblick in die Weite der Landschaft zu gewinnen. Als nächstes dehnten sie die Struktur aus, machten aus dem existierenden südlichen Balkon eine Auskragung und fügten so ein Volumen zum Körper hinzu. Indem die erkerähnlichen Dachstrukturen und seitlichen Auskragungen entfernt wurden, entstand ein einheitlicher, würfelförmiger Körper als Grundform.
Bei diesem Kubus wurde die Südfassade wie eine elastische Fläche in den leeren Innenraum hinein gedrückt, in ihr verschwanden die Säulen des zentralen Innenraumes und eine sanfte Verbindung zwischen innen und außen war geschaffen. Der Vorgang erlaubt es der südlichen Wand eine fundamentale Rolle als ein flexibles Element zu zuordnen. Sie antwortet nicht nur auf strukturelle, tragende Anforderungen, sondern versucht sich auch als Mittler zwischen Ästhetik und Funktion, ebenso organisiert sie den Innen- wie auch Außenraum. Schließlich befriedigte die Fassade auch die Wünsche nach einer dynamischen und fließenden Form des Hauses, trotz kubischer Gesamterscheinung. Die Hülle der Architektur leitet Licht, Luft und Natur ins Innere und demonstriert die innovativen Qualitäten dieser Arbeit und des Materials.
Ursprünglich sollten die Außenwände mit dem lastabtragenden System verbunden sein und als Abschluss wirken. Die Gesamtstruktur der neuen Architektur wurde mit einer formgebenden Software entwickelt und modelliert. Als nächster Schritt wurden vertikale Binder und Träger entworfen und in die architektonische Form eingepasst. Dann kamen vertikale, mittels CNC gefräste Teile, die alle 50 Zentimeter zwischen den Trägern montiert wurden. Die Räume zwischen den beiden Oberflächen wurden mit zwei Lagen Styropor Platten ausgefüllt. Aufgrund der vom parametrischen Programm entwickelten Grundlagen wurde ein Raster von Befestigungsankern auf den CNC gefrästen Teilen angebracht, darauf ein dünnes – 5 x 5 cm – Metallnetz. Auf diese daraus resultierende Konstruktion wurden in mehreren Lagen Spritzbetonschichten aufgebracht. Um möglichen Rissbildungen vorzubeugen, baute man noch ein Plastiknetzgitter flächendeckend in die gesamte Fassade ein. Letztendlich wurde die Schicht mit der Hand geglättet und mit einer Außendispersion gestrichen.
Fotos: Parham Taghioff
Kategorie: Projekte