Budgetschonend & einzigartig

2. November 2022 Mehr

Nathan Dalesio ist mit seinem Büro Multitude Studio nicht nur Architekt, sondern auch Bauherr des Projekts Cork Haven. Gemeinsam mit seiner Frau erwarb er das baufällige Gebäude als Eigenheim für seine kleine Familie. Nach einer umfassenden Renovierung und Erweiterung erstrahlt das Haus nun – ganz in Korkplatten gekleidet – in neuem Glanz und überzeugt mit seiner kostengünstigen und ökologischen Materialwahl.

 

 

Als Nathan Dalesio das 1937 erbaute Häuschen entdeckte, war von seiner einstigen Schönheit nichts mehr übrig. Im Süden des US-Bundesstaats New York und nordöstlich von New York City gelegen, stand der eingeschossige Bestand in South Salem bereits seit drei Jahren leer und verfiel immer mehr. Sowohl die Holzträger des Dachs als auch Böden und Außenwände befanden sich – von Schimmel befallen – in einem desaströsen Zustand. Um es wieder bewohnbar zu machen, musste die vorhandene Bausubstanz bis auf das Fundament abgerissen werden. Die Grundfläche diente als Vorbild für das neue Einfamilienhaus. Im Zuge des Umbaus erhielt man die Außengrenzen weitgehend und ergänzte sie um diverse Anbauten. Das Ergebnis sind zwei schlichte, rechteckige Baukörper mit Satteldach. Sie fügen sich zu einem T-förmigen Grundriss mit rund 230 m2 Wohnfläche zusammen.

 

 

In Anlehnung an die rurale Architektur mit Scheunen und landwirtschaftlich genutzten Bauten entschied sich Dalesio nicht nur für eine schlichte Kubatur, sondern auch für eine moderne Interpretation traditionell verwendeter Materialien. Während er für die geneigten Dächer schwarzes Wellblech wählte, kam an den Fassaden mit Korkplatten ein gleichermaßen einfacher wie innovativer Werkstoff zum Einsatz. Bodentiefe Fenster und große Oberlichter durchbrechen die Gebäudehülle und bringen Tageslicht ins Innere. Die gezielt gesetzten Öffnungen lenken die Ausblicke nach draußen und schaffen ein naturnahes Wohnerlebnis, ohne dabei auf die nötige Privatsphäre zu verzichten.

 

 

Bedingt durch das Gefälle des Grundstücks, wird das Einfamilienhaus über eine Treppe erschlossen. Diese führt auf eine vorgelagerte Veranda und weiter in den zentralen Vorraum mit hohen Einbauschränken. Über die niedrige Arbeitsplatte der mittig positionierten Küche hinweg blickt man von der Haustür direkt in den großen Wohn-Essbereich. Er umfasst den gesamten ersten der beiden Baukörper und öffnet sich mit großflächigen Verglasungen und einer Glasschiebetür zum anschließenden Garten hin. An der Rückseite dockt der Eingangsbereich an das zweite Volumen an. In ihm sind die privaten Räume untergebracht. Neben drei Schlafzimmern ordnen sich rund um einen geräumigen Flur außerdem zwei Bäder an. Laut dem Architekten legte man bei der Gestaltung der Grundrisse besonderen Wert darauf, ein flexibles Haus zu konzipieren, das sich in Zukunft gemeinsam mit seinen Bewohnern entwickeln und verändern kann.

 

 

Dank der hohen Giebeldächer wirken die Innenräume luftig und äußerst großzügig. Die Untersichten der Dachschrägen kleiden in vielen Bereichen weiße Eichenpaneele. Diese ziehen sich teils bis zu den Fenster- und Türstürzen herunter und scheinen sich so schützend über den Wohnraum zu legen. Die Böden sorgen – in hellem Holz gehalten – für zusätzliche Gemütlichkeit. Im Gegensatz dazu erscheinen die Wände in neutralem Weiß und komplettieren das reduzierte Design. Auch im Haus finden sich rustikale Elemente im modernen Look wieder: Auf Metallschienen laufende Schiebetüren erinnern an Tore in Scheunenoptik.

 

 

Trotz des begrenzten Budgets von 150 Dollar pro Quadratmeter investierte man im Hinblick auf spätere Nebenkosten in hochisolierte Dach-, Wand- und Bodenaufbauten sowie Fenster. Im Fokus stand dabei mit Kork ein simples Material mit großem Potenzial: Der aus der Rinde der Korkeiche gewonnene Rohstoff überzeugt vor allem durch sein schnelles Wachstum. Dazu kommt, dass er selbst ohne zusätzliche Behandlung wasserabweisend ist. Bei der Herstellung der Korkplatten handelt es sich um einen CO2-negativen Prozess – die benötigte Energie gewinnt man dabei aus Produktionsabfällen. Zunächst wird die Rinde zermahlen, dann in Formen gefüllt und schließlich in Dampföfen gebacken. Durch den Wasserdampf dehnt sich das Granulat und setzt Harz frei, welches als natürlicher Klebstoff fungiert und die Paneele zusammenhält – ganz ohne künstliche Bindemittel. Gleichzeitig macht das Verfahren den Kork schädlingsresistent, beständig gegen Fäulnis und Schimmel und formstabil. Als leichte Außenverkleidung verleiht das Material den Fassaden eine natürliche Optik und dient zugleich als Dämmschicht. Die 5 cm dicken Platten wurden mit ihren abgeschrägten Kanten überlappend verlegt und – unter dem Falz versteckt – verschraubt. Ecken sowie obere und untere Abschlüsse verleimte man für einen optimalen Schutz vor Witterungseinflüssen. Etwaige Verschmutzungen lassen sich dank der hydrophoben Eigenschaften des Korks einfach mit Wasser reinigen. Der zunächst dunkle Ton des Naturmaterials bleicht durch die Sonneneinstrahlung mit der Zeit aus und erhält eine sandige Färbung.

 

 

Aus Budgetgründen ausgesucht, erwies sich Kork letztlich in vielerlei Hinsicht als Vorteil: Er sparte nicht nur Materialkosten, sondern verringerte auch die Bauzeit. Die Korkplatten vereinen Isolierung und sichtbare Fassadenoberfläche in einem Arbeitsschritt und sind aufgrund großformatiger Platten schneller montiert. Am Ende seiner Lebensdauer von 60 Jahren lässt sich der natürliche Werkstoff ganz einfach recyceln. Nathan Dalesio ist sich sicher, dass sich seine Familie und er lange in Cork Haven wohlfühlen werden. „Nur vor Spechten muss man auf der Hut sein“, meint der Gründer und Architekt von Multitude Studio in Bezug auf das korkverkleidete Einfamilienhaus und erzählt abschließend: „Letzten Herbst versuchten die Vögel, ein Nest im Kork zu bauen. Sie ließen sich aber durch Spiegel im Garten vertreiben und sind das Einzige, was dem Material etwas anhaben konnte.“ Eines trifft auf das Haus vor den Toren von New York City auf jeden Fall zu: Es ist einzigartig.

 

 

Cork Haven
South Salem, New York, US

Bauherr: Nathan Dalesio
Planung: Multitude Studio (Nathan Dalesio)
Statik: Jacobson Structures (Justin Jacobson)

Nutzfläche: 230 m2
Planungsbeginn: Dez. 2018
Bauzeit: 12 Monate
Fertigstellung: Juli 2020
Baukosten: 380.000 USD

www.multitudestudio.com

 

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Meg Matyia, Nathan Dalesio

 

Kategorie: Projekte