Campus unter einem Dach

14. Juli 2022 Mehr

Das Exeter College ist Teil der renommierten University of Oxford und mit seiner 700-jährigen Geschichte eine der ältesten Institutionen der britischen Eliteuniversität. Um Platz für Neues zu schaffen und die Hochschule zu erweitern, kam nun mit Cohen Quad ein weiterer Standort dazu. Der Entwurf dafür stammt von Alison Brooks Architects, für die, neben dem akademischen Austausch, von Anfang an ein geselliges Miteinander im Mittelpunkt stand.

 

 

Die neue Zweigstelle liegt weniger als einen Kilometer vom Hauptcampus entfernt, der sich mitten in der Altstadt Oxfords befindet. Auf rund 6.000 m2 vereint der Collegebau Wohnen und Lehre unter einem Dach und wird mit Seminar- und Lernräumen, Auditorium, Archiv, Café und Unterkünften zum neuen akademischen Zuhause für rund 90 Studierende. Die Londoner Architekten gingen mit ihrem Vorschlag behutsam auf das architektonische Erbe der Hochschule ein und damit siegreich aus dem Wettbewerb hervor. Sie blieben dem Ethos der Hochschule treu, interpretierten dieses auf frische Art und Weise neu und konzentrierten sich dabei auf drei Dinge: die Zirkulation, die Gemeinschaftsbereiche und eine heimelige Atmosphäre. All das verpackten sie in einem modernen, für Hochschul- und Universitätsgebäude in Großbritannien typischen „Quadrangle“, das dem Cohen Quad außerdem seinen Namen verleiht. Anstatt eines klassischen, in sich geschlossenen Gevierts, fügen sich die einzelnen Trakte aber in Form eines langgezogenen „S“ aneinander und fassen zwei Höfe ein. Während sich einer zur Straße und der anschließenden Wohnbebauung öffnet, ist der andere zu den Gärten des benachbarten Worcester Colleges hin orientiert.

 

 

Zuvor gehörte das Grundstück zum Ruskin College. Alison Brooks Architects erhielten die historische Hauptfassade des ehemaligen Gebäudes sowie die angrenzenden Außenwände. Sie zeugen heute von der Geschichte des Ortes und markieren den Eingang zum Campus. Eine schimmernde Dachhaut fasst Alt und Neu auffällig zusammen. Mit ihren rautenförmigen Edelstahlpaneelen in Champagner- und Bronzetönen fängt sie das Licht ein, ohne es zu reflektieren. Wie ein weicher Mantel legen sich die insgesamt 17.000 Schindel über das Ensemble und ziehen sich über abgerundete Traufen bis auf die Ansichten weiter, wo die glänzenden Schuppen auf helle Steinmauern treffen. Die Kombination aus glattem Blech und porösem Naturmaterial bildet nicht nur die Verteilung von gemeinschaftlichen und privaten Funktionen nach außen ab, sondern lässt den Neubau zudem sowohl traditionell als auch modern und innovativ erscheinen.

 

 

Als Vorbild für die Organisation im Inneren dienten dem Planerteam Elemente aus der Klosterarchitektur. In diesen Anlagen wird gemeinsam gewohnt, gearbeitet und gebetet. Auf dem Weg durch Kreuzgänge und Innenhöfe trifft man aufeinander und tauscht sich aus. Cohen Quad kombiniert informelle und formelle Lern- und Lehrorte, um den Studierenden ein ähnliches Ambiente zu vermitteln. Die unterschiedlichen Räume sind als durchgängige Abfolge konzipiert, die von horizontalen und vertikalen Verbindungen sowie Übergängen zwischen innen und außen geprägt wird. Auf diese Weise entsteht ein lebendiger Campus – unter einem Dach. Das Erdgeschoss folgt dem leichten Gefälle der Parzelle. Neben Seminarräumen und einem Café gibt es abwechselnd Gemeinschaftsflächen mit mehr oder weniger Privatsphäre. Ob gemütliche Sitznischen, Stufen und Podeste oder großzügige Lounges, jede Ecke des Baus scheint zum Verweilen einzuladen. Zwei ausgedehnte Flure durchqueren den Komplex in Längsrichtung und fungieren als zentrales Rückgrat. Sie erstrecken sich entlang der Höfe und erschließen sämtliche Bereiche. Wie moderne Kreuzgänge geben sie in eine Richtung den Blick ins Freie, in die andere in die Räumlichkeiten des Universitätsbaus frei. Beide Korridore werden von elliptischen Arkaden überspannt: einer aus Holz, einer aus Beton.

 

 

Zum Herzstück des Collegebaus wird mit den „Learning Commons“ eine dynamische Lernlandschaft. Sie liegt im Zentrum des Ensembles und öffnet sich über hohe Glasfronten zu beiden Innenhöfen. Als mehrstöckiger Bereich mit offenen Treppen entwickelt sie sich über verschiedene Zwischenebenen und wird zum gemeinsamen Wohnzimmer der Studierenden. Eine seitlich eingehängte Box überblickt den Multifunktionsraum in dem gelernt, gelesen, gesessen und sich ausgetauscht wird und schafft Platz für ungestörte Meetings. Der hintere, straßenseitige Trakt beinhaltet das große Auditorium. Eingeschossig ausgeführt, wird es mit seiner Geometrie zum besonderen Hingucker: Die Holzrippen von Decke und Rückwand biegen und strecken sich einem zentralen Oberlicht entgegen. Eine raumhohe Verglasung zum Kolleghof bildet den seitlichen Abschluss und lässt reichlich Tageslicht in den Veranstaltungssaal. Über den unteren beiden, akademisch und gemeinschaftlich genutzten Etagen sind die privaten Räume der Studierenden und Doktoranden untergebracht. Laut den Bewohnern selbst erinnern die Zimmer eher an ein luxuriöses Hotel als an ein Studentenwohnheim. In hochwertigem Kirschholz und Sichtbeton gestaltet, verfügt jedes von ihnen über ein eigenes Bad, einen langen Schreibtisch und maßgeschneiderte Einbauten. Ganz oben folgen die Zimmerdecken der geschwungenen Dachform. Sie sorgen nicht nur für zusätzliche Gemütlichkeit, sondern verleihen den kleinen Appartements einen loftartigen Charakter.

 

 

Der neue Standort des Exeter Colleges überzeugt auf mehreren Ebenen: Zwischen historischem Flair und modernem Design wird er zu einem zweiten Zuhause für Studierende, Tutoren und andere Nutzer. Mithilfe von Licht und Transparenz, hochwertigen Materialien und diversen informellen Treffpunkten realisierten die Architekten rund um Alison Brooks einen Campus, der für weit mehr als nur akademische Leistung steht. Sie hoffen, dass die nächsten Generationen den Bildungsbau nutzen, um eine Zukunft voller Menschlichkeit, Inklusion und Empathie zu schaffen. Nun liegt es an den künftigen Hochschülern der Eliteuniversität, diese Vision in die Tat umzusetzen – der architektonische Grundstein scheint mit Cohen Quad erfolgreich gelegt zu sein.

 

 

Exeter College Cohen Quad
Oxford, Großbritannien

Bauherr: Exeter College
Planung: Alison Brooks Architects
Team: Alison Brooks, Michael Mueller, Hannah Constantine, Jay Williams, Ceri Edmunds, Sergey Kudryashev, Joseph Ransom Shaw, Michael Woodford, Sara Wernsten
Statik: Civic
Umweltplanung: Max Fordham
Denkmalschutz: Richard Griffiths Architects
Landschaftsplanung: Dan Pearson Studio

Nutzfläche: 6.000 m2
Planungsbeginn: 2011
Fertigstellung: 2020

www.alisonbrooksarchitects.com

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Paul Riddle, Hufton & Crow

 

Kategorie: Projekte