Die Langsamkeit des Reisens
Mit den vier über dem Boden schwebenden Hütten „The Bolder“ haben Snøhetta in Zusammenarbeit mit dem lokalen Unternehmer Tom Bjarte Norland am Rande des Lysefjords an der norwegischen Westküste ein besonderes Übernachtungserlebnis entwickelt. Das Ziel bestand darin, die Solitäre nahtlos in die umgebende Natur einzufügen und ein Projekt im Sinne des Slow Tourism zu schaffen, bei dem der Fokus auf dem Naturerlebnis liegt. Konkret eröffnen alle vier Hütten mit den Namen Stylten, Myra, Stjerna und Eldhuset einen außergewöhnlichen Blick auf den Lysefjord und die umliegende Landschaft.
Mit an Bord bei diesem ungewöhnlichen Vorhaben war auch die dänische Innenausstattungsmarke Vipp, die – bekannt für ihren Tretmülleimer – ihr Portfolio in den vergangenen acht Jahrzehnten um Küchen, Möbel, Beleuchtungselemente und Accessoires erweitert hat. So verfügen die zwischen 38 und 60 Quadratmeter großen Hütten über eine obere Ebene mit einer Kochmöglichkeit samt Essbereich und eine darunter liegende Ebene, die mit einem eingebauten Bett und einem Badezimmer ausgestattet ist. Holz, Marmor und Leder sorgen in Kombination mit hochwertigen Möbelstücken und dem rohen Betonboden für einen angenehmen Kontrast und eine Atmosphäre, die die Umgebung in ihrer rauen und natürlichen Schönheit rezitiert.
Um den Gästen ein wirklich authentisches Naturerlebnis zu bieten, wurden die einzelnen Unterkünfte auf starken Betonpfeilern über dem Boden verankert und mit großzügigen Glasfassaden ausgestattet, die Innen und Außen scheinbar ineinanderfließen lassen. Der Blick in die Weite soll das Gefühl hervorrufen, als würde man am Rand der Klippe schwerelos in der Luft schweben, mit freiem Blick auf den Fjord und die Berge, die mit knorrigen Kiefern und Felsbrocken bedeckt sind und von der Zeit der Gletscher zeugen. Als Antwort auf die Umgebung setzt das minimalistisch gehaltene Konzept der Innenausstattung auf Möbel aus natürlichen und langlebigen Materialien in erdigen Farbtönen und organischen Texturen.
Strukturell sind die Hütten als präzise Objekte zu verstehen, die von innen heraus geformt und in ihrer räumlichen Qualität jeweils individuell auf die Umgebung ausgerichtet wurden. Ein Oberlicht und viel Glas lassen den Gast zu jeder Tageszeit in Kontakt mit dem Himmel und der Fjordlandschaft treten. Von außen betrachtet verschmelzen die Wände und Dächer zu einem einheitlichen Ganzen und wirken fast wie kleine Nester im Wald. Filigrane Stege aus Cortenstahl führen zu den einzelnen Unterkünften und greifen in ihrer Gestalt ein weiteres für die Region typisches Material auf.
Der Bezug zur Natur und den vorhandenen „Baustoffen“ spielte für Snøhetta im Zuge der Konzeptionierung eine ausschlaggebende Rolle: Um die Natur des von Granit und langsam wachsenden Kiefern geprägten Baugeländes erlebbar zu machen, entschieden sich die Architekten dafür, mit Holz und Beton mit Zuschlagstoffen vom eigentlichen Standort als Hauptmaterialien für das Projekt zu arbeiten. Das Holz der Bäume, die während der Bauarbeiten gefällt werden mussten, soll an anderer Stelle im Rahmen des Projektes wieder zum Einsatz kommen, und der Granit, der aus dem Boden geschnitten wurde, fand bei der Herstellung des Betons für den Bau Verwendung. Für die Struktur der Hütten selbst kam unbehandeltes rotes Zedernholz zum Einsatz, das mit der Zeit vergrauen und sich in die felsige Landschaft einfügen soll. Das im Inneren verwendete Eichenholz wurde jeweils unterschiedlich behandelt, sodass die Gäste in jeder Hütte ein etwas anderes Erlebnis erwartet.
Der Standort ist, bis auf den Strom der für die Beleuchtung und die Annehmlichkeiten in den Hütten verwendet wird, netzunabhängig. Die Wasserversorgung erfolgt über sauberstes Quellwasser aus der Aufbereitungsanlage unter dem Parkplatz. In den kommenden Jahren sollen die vier Hütten um zwei weitere Gebäude erweitert werden – darunter eine Lounge und ein Gourmetrestaurant, das lokale Speisen servieren wird.
Text: Linda Pezzei
Fotos: Bitmap/Henrik Moksnes, Elisabeth Heier, Elin Engelsvoll
Kategorie: Projekte