Ein Dach aus Eukalyptus – Yamasen Restaurant
Yamasen Japanese Restaurant / Kampala, Uganda / TERRAIN architects
Yamasen Japanese Restaurant – Die in Tokyo ansässigen TERRAIN architects setzen bei ihrem Entwurf für ein Multifunktionsgebäude in Ugandas Hauptstadt Kampala ganz auf Eukalyptus. Unter dem luftigen Dach finden nicht nur ein Restaurant, kleine Ladenflächen und ein Café, sondern auch fünf bestehende Bäume Platz. So entsteht für die Benutzer ein luftiges und leichtes Bauwerk, konstruktiv durchdacht und ästhetisch ansprechend.
Das Äquatorialklima im afrikanischen Uganda ist in etwa gleichbleibend warm, wobei die Temperaturen untertags ganzjährig um die 25 Grad Celsius erreichen und nachts nicht unter 16 Grad Celsius fallen. Viele Sonnenstunden, aber auch nahezu täglich auftretende Gewitter stellen folglich besondere Ansprüche an die Bauweise. Beim Entwurfsprozess für das Yamasen Japanese Restaurant in einer Vorstadt Kampalas spielten der Schutz vor dem starken Sonnenlicht und großzügige, luftige Raumstrukturen daher eine maßgebliche Rolle.
Das in Tokyo ansässige Architekturbüro TERRAIN architects wählte den Eukalyptus als identitätsstiftendes Baumittel für das multifunktionale Projekt, das – neben fünf bestehenden Bäumen – Geschäftsflächen, ein Restaurant und ein Café unter einem Dach vereint. Eukalyptus ist in Uganda weit verbreitet und dient gerade in den armen ländlichen Gebieten als Energiequelle oder Bauholz. Aufgrund des drastischen Rückgangs der Waldflächen von 24 % in den 90er Jahren auf heute weniger als 9 % wird der äußerst schnell nachwachsende Baum zudem gerne zur Aufforstung eingesetzt, was aufgrund des hohen Wasserverbrauchs der Pflanze allerdings auch kritisch zu sehen ist.
Dennoch ist der Eukalyptus ein regionaler und natürlicher Baustoff, auf dessen Verarbeitung sich die Einheimischen bestens verstehen. Normalerweise wird das Holz nur zum Bau von Dachsparren und Gerüsten verwendet, da es zur Verformung und Rissbildung neigt. Durch eine Verbesserung des Trocknungs- und Abholzungsprozesses im Zuge des Projekts wurde der Eukalyptus in diesem Falle allerdings so robust verarbeitet, dass er als tragendes Material für die Hauptdachkonstruktion eingesetzt werden konnte. Um die Arbeit der einheimischen Handwerker vor Ort zusätzlich zu erleichtern, besteht das Dach aus 16 Rahmen, die ohne schweres Baugerät errichtet werden konnten.
Natürliche Materialien und rohe Oberflächen prägen gemeinsam mit bunten Accessoires und Vintage Möbeln den unkomplizierten Charakter des Yamasen Japanese Restaurants und Cafés.
Das Dach an sich bestimmt allein schon wegen seiner Dimension die Form und Ästhetik des Gebäudes und wurde als markantes Gestaltungselement fast bis auf das Erdgeschossniveau hinabgezogen. Mit Stroh eingedeckt fügt es sich unauffällig und farblich passend in die sanfte Hügellandschaft der Umgebung ein. Sowohl von innen wie auch außen ist der Eukalyptus als maßgebliches Konstruktionsmittel auf den ersten Blick wahrnehmbar, da das gesamte Bauwerk äußerst filigran und transparent gestaltet wurde. Wände gibt es nur wo notwendig, um Funktionsflächen von Aufenthaltsflächen abzugrenzen. Die vertikalen, fachwerkartigen Strukturen wurden teilweise offen gelassen, teils verglast. Die hohen Räume geben im Inneren den Blick auf die statische Konstruktion der Holzbalken frei, sogar die Eindeckung des Strohdachs ist von unten sichtbar.
Dies verleiht dem Gebäude eine sehr naturbelassene, einfache und unkomplizierte Anmutung. Barrieren oder Hemmschwellen beim Betreten der Flächen werden so von vornherein vermieden. Und obwohl modern in seiner Ästhetik und technischen Umsetzung, vermittelt das Yamasen doch ein Gefühl der Selbstverständlichkeit, als hätte das Gebäude schon immer an diesem Ort gestanden. Für Kampala, das wie viele afrikanische Städte Ende des 19. Jahrhunderts rund um das Kolonialgeschehen entstanden ist, ist diese Festigung von Strukturen im städtischen Raum von großer Bedeutung. Schließlich zählt die Metropole bereits heute mehr als 1,5 Millionen Einwohner, bis 2050 wird aufgrund der Abwanderung der Bevölkerung vom Land in die Stadt mit bis zu zehn Millionen Einwohnern gerechnet, Tendenz steigend.
Eine Einbindung der Architektur in die umgebende Naturlandschaft ist somit von immenser Bedeutung, möchte man den vielen Menschen auch in Zukunft attraktive Lebensräume bieten. Für TERRAIN architects spielten solche Überlegungen bei der Positionierung des Gebäudes daher eine tragende Rolle. Aufgrund der geringen Steigung des Baugeländes konnte das zweistöckige Gebäude so in die Topografie eingebettet werden, dass das lang gezogene Gebäude im vorderen Bereich zweistöckig in Erscheinung tritt, ab der Hälfte im Erdgeschossbereich dann allerdings zurückhaltend im Erdreich versinkt. Alle Ebenen sind somit ebenerdig zugänglich, das Bauwerk wirkt trotz seiner Größe urtypisch.
Das vier Meter hohe Erdgeschoss ist aus Beton und Stahl gefertigt und umfasst unter anderem eine Parkebene. Das darüberliegende und nach außen hin sichtbare Geschoss wurde in Holz und Eukalyptus ausgeführt. Die durchlässige Dachkonstruktion ist von vorne gesehen in drei Dachflächen aufgelöst und am höchsten Punkt mit einem großzügig verglasten Dachfirst versehen. Darunter spannt sich ein lichter und luftiger Raum auf, in dem sich auch ein japanisches Restaurant befindet. Aus jedem Blickwinkel ergeben sich Blickbeziehungen in die angrenzenden Bereiche, Innen- und Außenraum scheinen aufgrund der Offenheit der Bauteile zu verschwimmen. Terrassen befinden sich zwar einerseits im Freien, liegen aber dennoch sonnengeschützt unter dem großen Dach, sodass es schwer zu definieren ist, wo der Innenraum aufhört oder der Außenraum beginnt.
So spiegelt das strohgedeckte Eukalyptusdach die in Uganda herrschenden klimatischen Bedingungen eins zu eins wider: Eine Dämmung oder Heizung ist, aufgrund der angenehmen Temperaturen, schlicht unnötig, was es hingegen braucht, ist ein großes Dach, das die intensiven Sonnenstrahlen abhält, vor den häufigen Gewittern schützt und Durchzug bietet. Im Hinblick auf dieses konkrete Projekt kann man vielleicht auch von einem Dach für alle sprechen, ein Dach, unter dem sich Geschäfte, ein Restaurant und Café harmonisch zusammenfügen und gegenseitig ergänzen und befruchten. Ein Dach, das einen geschützten Ort und Treffpunkt für Anwohner, Besucher und dort Arbeitende bietet.
So umstritten der Baustoff Eukalyptus auch sein mag, so ist sein Einsatz dennoch nicht als generell verwerflich anzusehen. Zumindest, solange man sich einige Aspekte vor Augen führt. Zum einen lautet das Credo: Nachhaltig ist, was der Umgebung entspricht. Das heißt, dass Eukalyptus als regionaler Baustoff in Uganda durchaus sinnvoll einzusetzen ist, in anderen Regionen allerdings sollte man wohl eher auf heimische Hölzer zurückgreifen. Zudem ist der Eukalyptus ein sehr schnell nachwachsender Rohstoff mit einem Zyklus von nur knapp vier Jahren. Kritisch wird es erst dann, wenn riesige Monokulturen das ökologische Gleichgewicht destabilisieren oder durch den enormen Wasserbedarf der Pflanzen zur regelrechten Austrocknung der Böden und Grundwasserspeicher führen.
Bei all den kritischen Aspekten bleibt dennoch ein Argument für den Einsatz von Eukalyptus als Baustoff in Uganda positiv zu bewerten: Es handelt sich um einen lokal verfügbaren Rohstoff, der von der einheimischen Landbevölkerung kultiviert, geschlagen und verarbeitet wird. Es gibt weder lange Transportwege noch eine Anhäufung von Zwischenhändlern. Die Bewohner können sich mit dem Material identifizieren, denn die Verarbeitung von Eukalyptus gehört seit jeher zu deren Kultur.
Gleiches gilt somit für die (moderne) Architektur, die – wenn sie auf Eukalyptus und ähnliche heimische Rohstoffe setzt – erst durch deren Hände Arbeit möglich geworden ist. Sei es durch die Kultivierung, Verarbeitung oder Veredelung. Letztendlich geht es dieser Tage in fast allen unseren Lebensbereichen um das Wort Nachhaltigkeit. In diesem Zusammenhang umfasst der Begriff verschiedenste Teilaspekte und kann nicht nur auf ökologische Gesichtspunkte heruntergebrochen werden. Denn nachhaltig ist letztendlich nicht nur, was nachhaltig produziert wurde, sondern allen voran, was nachhaltig genutzt wird. Was also könnte wohl nachhaltiger sein, als ein Bauwerk, das zu 100 Prozent von seinen Nutzern akzeptiert und in Folge wertgeschätzt, gepflegt und genutzt wird?
Yamasen Japanese Restaurant
Kampala, Uganda
Bauherr: Cots Cots Ltd
Planung: TERRAIN architects
Mitarbeiter: Ikko Kobayashi + Fumi Kashimura
Statik: Mitsuhiro Kanada, Yoshinori Suzuki, Erias Walugumbe
Grundstücksfläche: 785 m2
Bebaute Fläche: 562 m2
Nutzfläche: 600 m2
Planungsbeginn: November 2014
Bauzeit: Januar 2017 – Juni 2018
Fertigstellung: August 2018
Fotos:©Timothy Latim
Text:©Linda Pezzei
Kategorie: Projekte