Ein neuer Rekord – Towers of Bolueta
The Towers of Bolueta / Bilbao / VArquitectos
Das spanische Büro der VArquitectos hat in Bilbao, Spanien, einen Wohnbau entworfen, der wie ein einziger Körper zu sein scheint, aber aus zwei Teilen besteht. Wie König und Dame beim Schach „kleben“ sie aneinander. Es ist ein Projekt mit 361 Sozialwohnungen, die in einem 28 Stock (Dame) hohen und einem 21 Stock (König) hohen Körper miteinander verschmelzen. Die dunklen Fassaden tun ihr Übriges dazu.
Diese Nachbarschaft im Norden Spaniens ist im Passivhausstandard entworfen und das höchste, nach diesem Standard zertifizierte Gebäude der Welt. 2012 hat das Büro der VArquitectos einen Wettbewerb für Entwurf und Projektmanagement für die 361 Wohnungen gewonnen. Es sollte zwar ein sehr effizientes Gebäude, aber doch weit entfernt vom Passivhaus werden. Heizung und Warmwasser sollten von einer zentralen Anlage, die etwa 1.100 Häuser in Bolueta versorgen sollte, bezogen werden. Ein Problem entstand, als aufgrund der Wirtschaftskrise der Bau dieser Anlage gestrichen wurde. Der Immobilienentwickler bestand jedoch auf einer energieeffizienten Bauweise mit einer A-Zertifizierung. Ab diesem Moment begannen die VArquitectos die Umwandlung des Projekts auf Passivhausstandard und damit die Einhaltung der verlangten Effizienz zu prüfen. 2013 entwickelte man dann ein neues Projekt, eben mit dem Ziel einer Passivhauszertifizierung.
Das weltweit derzeit höchste Wohnhaus in Passivhausqualität haben die VArquitectos in Bilbao im Norden Spaniens erreichtet. Aus einem ursprünglich normal-effizienten Bau wurde nach einer entsprechenden Umplanung und nur 3% Mehrkosten ein hocheffizienter Wohnturm mit 361 Sozialwohnungen in Passivhausqualität.
Ein Wohnturm mit einer stellenweise beachtlichen Höhe entstand. Die verwendeten Materialien mussten den technischen Kriterien des Auftraggebers Visesa und dessen Erfahrungen mit tausenden sozialen Wohnbauten entsprechen. Stahlbeton wurde für tragende Wände um den Lift herum und zur Aussteifung gegen Windkräfte verwendet. Aufgrund der spanischen Bauordnung besitzt das Gebäude als Ausmauerung Ziegelwände mit einer außen liegenden Isolierung, versteckt hinter einer hinterlüfteten Aluminiumfassade. Die finale Stärke der Isolierung aus Steinwolle beträgt außen 10 cm, zusätzlich wurden an der Innenseite nochmals 5 cm Steinwolle aufgebracht. Das war die beste Lösung, um den Spagat zwischen Preis und Leistung zu bewältigen. Im Vergleich zum ursprünglichen Projekt (im Nichtpassivhausstandard) ist die Isolierung nur um 5 cm gewachsen. Alleine diese Maßnahme aber bedeutet eine Reduktion des Jahres-Wärmebedarfs von 56 kWh/m2 auf 42 kWh/m2.
Zusätzlich berechnete man alle Wärmebrücken und entwickelte dementsprechende Detaillösungen zu deren Vermeidung. Die äußere, isolierte Hülle ist durchgängig ohne Balkone und vergleichsweise schwierige Formen ausgeführt – so wurden schon einmal die geometrischen Schwachstellen ausgeschlossen. Dann wurden die Verbindungen zu den mehr als 2.000 Fenstern genau beachtet. Ihre Rahmen wurden isoliert, um die äußere Schutzhülle nicht zu durchbrechen. Das brachte eine weitere Reduktion der Heizenergie von 42 auf nun 34 kWh/m2 pro Jahr.
Aufgrund der Höhe der Architektur und der akustischen Parameter hatte das ursprüngliche Projekt zwar High-Standard, aber nicht höchst effiziente Fenster mit einem Uw von nur 1,6 W/m2k. Das Klima in Bilbao ist zwar mild, aber nach einigen Erfahrungen mit PHPP (Energiebilanzierungs- und Planungstool für effiziente Gebäude und Modernisierungen) entschlossen sich die Architekten zu dreifachverglasten Fenstern aus Kunststoff mit Argonfüllung. Das bewirkte einen Uw<0,85 W/m2k und die jährliche Energiebilanz änderte sich dadurch rapid. Eine Einsparung von 9 kWh/m2 war die Folge und der Energiebedarf sank auf 25 kWh/m2 (pro Jahr).
Um dann die maximale Effizienz zu erzielen, setzten die Planer auf eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die spanischen Gesetze verlangen zwar eine Lüftung, aber keine mit Wärmerückgewinnung. Im Winter hätte beim ursprünglichen Projektstatus also die Frischluftzufuhr Außentemperatur gehabt, was weder effizient noch angenehm, aber gesetzeskonform gewesen wäre. In der jetzigen Ausführung senkt die Wärmerückgewinnung den Heizbedarf von 25 kWh/m2 auf 16 kWh/m2 pro Jahr.
Als finale Maßnahme wurde Luftdichtheit für jede Wohneinheit definiert. Im Inneren der einzelnen Wohnungen hat man das mittels Putz auf den Ziegelwänden erzielt. Sämtliche Unterbrechungen dieser Hülle wurden mit speziellen Bändern versiegelt, ebenso verwendete man mit großem Erfolg eine flüssige Dichtmasse. Der Blower Door Test ergab einen Wert von 0,38r/h, das ist recht anspruchsvoll und auch auf die Stahlbetonscheiben mit ihrer ausgezeichneten Luftdichtheit zurückzuführen.
Alle baulichen Verbesserungen zum ursprünglichen Projekt ergaben nur eine Preissteigerung von 3%, ganz abgesehen von der Verbesserung des Komforts, dem Lärmschutz, der Wertsteigerung für die Zukunft. Besonders für die Bewohner mit niedrigem Einkommen (Großteil der Nutzer) eine deutliche Verbesserung durch die geringeren Energiekosten im Betrieb. Für alle 361 Wohnungen lässt sich eine Einsparung von 125.000 Euro pro Jahr berechnen. Das ist ein Beweis, dass sozialer Wohnbau in dieser Qualität in Spanien machbar ist. Allerdings nur mit Stahlbeton und Ziegelwänden, alle anderen Materialien und Baumethoden hätten eine deutliche Überschreitung der vorgesehenen Kosten mit sich gebracht.
The Towers of Bolueta
Bilbao, Spanien
Bauherr: VISESA
Planung: VArquitectos
Statik: Fhewr
Grundstücksfläche: 6.200 m2
Nutzfläche: 27.670 m2
Planungsbeginn: 2015
Fertigstellung: 2018 und 2019
Baukosten: beide Türme 26 Mio. Euro
Text:©Peter Reischer
Fotos:©VArquitectos, Agustín Albizu
Kategorie: Projekte