Ein sinnvoller Bau – Naturalis Biodiversity Center

28. November 2019 Mehr

Ein sinnvoller Bau – Naturalis Biodiversity Center

Naturalis Biodiversity Center / Leiden / Neutelings Riedijk Architects

 

Das neu eröffnete Naturalis, ein Zentrum für Forschung über die Biodiversität samt angeschlossenem Museum wurde von den Neutelings Riedijk Architects aus Rotterdam gestaltet. Es ist – im Hinblick auf den Klimawandel und die ökologischen Probleme, die wir haben – ein, sowohl nachhaltiger wie auch sinnvoller Bau und ein Beitrag zur Stärkung des Bewusstseins für Artenvielfalt, Reichtum und auch das Verschwinden von Natur auf unserem Planeten.

 

Am 31. August dieses Jahres hat in Leiden, Holland das Naturalis nach seiner Komplettrenovierung wieder eröffnet. Es ist ein Ort, an dem sämtliche Aspekte der Biodiversität zusammentreffen. Naturalis ist das nationale Forschungsinstitut für Biodiversität und wurde bereits 1820 von König Willem I. in Leiden gegründet. Heute ist es ein Platz für alle, für Wissenschaftler genauso wie einfache Museumsbesucher, die mehr über unsere Natur und Umwelt lernen und entdecken wollen. Und damit ist diese Architektur auch sinnvoll, im Gegensatz zu vielen anderen, im Monatsrhythmus aus der Erde gestampften Museen weltweit, die nur vom Image der Stararchitektur leben.

Die Neutelings Riedijk Architects haben den Bau zukunftsfit gemacht, die einzelnen Teile verbinden nun Wissenschaft und Sammlungen und bieten state-of-the-art Möglichkeiten der Forschung über Biodiversität. Die komplette Renovierung und Erneuerung des existierenden Naturalis fand in den letzten zwei Jahren statt und heute beherbergt das Haus die nationale Sammlung von 42 Millionen Objekten aus allen Bereichen der Natur.

Das ursprüngliche Museum mit einer Kapazität von 150.000 Besuchern pro Jahr wurde bereits 1998 errichtet und hatte dringenden Renovierungsbedarf. 2016 waren es bereits 410.000 Besucher, die das Haus besuchten und das überforderte naturgemäß die gegebenen Möglichkeiten. Zu Spitzenzeiten waren die Gänge total überfüllt und zu eng. Zusätzlich wurde ein neuer Museums­trakt errichtet und diese Einrichtung ist für das Bewusstsein der Menschen, gerade angesichts des dramatischen Rückganges der Artenvielfalt durch den Klimawandel, von größter Bedeutung und auch sinnvoll.

 

Große Friese aus Travertin, einem Millionen Jahre alten Gestein, prägen die Innen- und Außenseiten des Museums.

 

Die Neutelings Riedijk Architects, ein international renommiertes Büro aus Rotterdam wurde mit der Gestaltung des Umbaues und der neuen Institution beauftragt. Es entstand ein nachhaltiges Ensemble aus bestehenden Körpern und einem neuen Museum sowie Forschungsbereichen. Heute ist in der Ansammlung von bestehenden und neuen Gebäuden jede Funktion in einem eigenen Körper untergebracht. Die Gestaltung beinhaltet auch eine „Glaskrone“ als Eyecatcher, denn schließlich will man ja auch auf sich aufmerksam machen. Für die Gestalt dieser Krone ließ sich Architekt Michiel Riedijk von der Natur inspirieren. Sie ist der Schnittpunkt aller Flügel des Ensembles mit deren separaten Funktionen – Sammlung, Forschung und Museum. Wissenschaftler, Angestellte, Schulklassen und Familien können sich hier in einem Meer aus Licht treffen. Diese zentrale Halle symbolisiert das neue Naturalis, mit seinem Fokus auf Verbindung, Vermittlung und Transparenz. Das Erscheinungsbild des Baukörpers ist von einer dreidimensionalen, weißen Betonstruktur in der Form von ineinandergreifenden Molekülen als Gitterwerk von Ovalen, Dreiecken und Hexagonen bestimmt. Das Tageslicht tritt durch ovale Fenster in die Halle.

Öffentliche Funktionen wie Restaurant, Shop und ein Ausstellungsbereich befinden sich im Erdgeschoss, sodass Besucher hier bereits einen Blick auf die letzten, ans Ufer geschwemmten Walskelette werfen können. Die Haupttreppe gleicht einem Bergpfad und wird nach oben hin immer schmäler. Aber es ist noch genug Platz für „Trix“, den 66 Millionen Jahre alten Dinosaurier, der seinen Ehrenplatz in der Galerie hat.

Die Außengestaltung der Ausstellungshallen mit ihren horizontal geschichteten Travertinsteinblöcken erinnert wiederum an geologische Strukturen der Erdgeschichte. Sie ist ein weiteres auffallendes Element des Museumdesigns. Der dafür verwendete Travertin hat in seinem natürlichen Entstehungszyklus über die Millionen von Jahren Kristalle mit einem wunderbaren Schimmer entwickelt. Durch das Schneiden und Bearbeiten der Steine ist diese „gespeicherte“ Energie wieder zum Vorschein gekommen und das passt sehr gut in die Philosophie und zu den Inhalten des Naturalis. Dazwischen befinden sich weiße Betonbänder, gestaltet von der international bekannten holländische Modedesignerin Iris van Herpen. Sie ließ sich dabei von einigen Formen aus der Naturalis-Sammlung inspirieren. Insgesamt hat sie 263 Paneele gestaltet, zusammen ergibt das eine Länge von mehr als einem Kilometer Kunst, die sich im Inneren und an der Außenseite der Museumswände abbildet. Diese Betonformen erscheinen weich wie Seide, dank einer speziellen Technik, die für dieses Design entwickelt wurde und die Ähnlichkeit mit Stoff ist ein Hinweis auf die innovativen Gewänder, die van Herpen für Celebrities wie Cate Blanchett, Beyoncé und Lady Gaga entworfen hat. Ebenso enthält das Museum an die 100 Wandbilder des Künstlers Tord Boontje, auch er hat sich in seinen farbenprächtigen Bildern, die eine Mischung aus Malerei und Fotografie sind, von der Natur und deren Vielfalt anregen lassen.

Im Inneren in den Forschungsbereichen und Labors finden über 200 Wissenschaftler und Forscher Platz, um sich mit Studien über die letzten globalen Ereignisse wie Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Artensterben, Nahrungsmittel und Wasserqualität zu befassen. Und das Museum bietet den Besuchern die Gelegenheit, ein Mehr über die Schönheit und den Reichtum der Natur zu erfahren.

 

Naturalis Biodiversity Center
Leiden, Holland

Bauherr: Naturalis Biodiversity Center
Planung: Neutelings Riedijk Architects
Mitarbeiter: Michiel Riedijk, Willem Jan Neutelings, Frank Beelen,Kenny Tang, Guillem Colomer Fontanet, Jolien Van Bever,Inés Escauriaza Otazua, Marie Brabcová, Cynthia Deckers
Statik: Aronsohn Raadgevende Ingenieurs

Bebaute Fläche: 38.000 m2
Bestand: 18.000 m2
Neubau: 20.000 m2
Planungsbeginn: 03/2013
Bauzeit: 2017 – 2019
Fertigstellung: 08/2019

 

 

Fotos:©Scagliola Brakkee

Text:©Peter Reischer

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Kategorie: Projekte