Eine Lücke schließt sich
In der Straußengasse im 5. Wiener Gemeindebezirk wurde eine Jahrzehnte lang bestehende Baulücke durch ein ambitioniertes Bauprojekt geschlossen. feld72 hat dort ein Stadthaus geschaffen, das nicht nur die Herausforderung der Nachverdichtung elegant meistert, sondern auch den Geist des Ortes bewahrt. Es verbindet Wohnen, Arbeiten und kreatives Schaffen zu einem lebendigen Stadtbaustein, der in seiner architektonischen Sprache Tradition und Moderne vereint.
Ein Ort mit Geschichte und Zukunft
Die Besonderheit der Baulücke lag in ihrer Prägung durch ein Fachwerkhaus und ein Werkstattgebäude, die jahrzehntelang ein Zuhause für kleine Gewerbebetriebe und Künstlerateliers boten. Diese Typologie eines produktiven, durchmischten Stadtraums diente als Ausgangspunkt für den Entwurf. Ziel war es, die ursprüngliche Nutzungsidee zu bewahren und zeitgemäß weiterzuentwickeln, ohne den Charakter des Standorts zu verlieren. Das neue Gebäude setzt sich behutsam mit dem Bestand auseinander. Es „stülpt“ sich mit respektvollem Abstand über das erhaltene Fachwerkhaus und schafft so eine markante bauliche Geste, die das historische Gebäude wie ein freigestelltes Element im Straßenraum wirken lässt. Diese gestalterische Entscheidung wird durch ein zurückgesetztes Eingangsportal und ein überhöhtes Geschoss noch unterstrichen.
Wohnen, Arbeiten und Begegnung
Im Erdgeschoss entfaltet das Gebäude seine aktivierende Wirkung auf das urbane Umfeld. Das sechs Meter hohe Fachwerkhaus bleibt als flexibel nutzbarer Raum erhalten und öffnet sich zusammen mit den Verkaufsflächen großzügig zum Straßenraum hin. Ein überhöhtes Foyer fungiert als zentraler Begegnungsort und erschließt die hinteren Hofateliers, Büro-Lofts und Wohnungen. Diese vielseitige Nutzung stärkt den Charakter des Gebäudes als lebendigen, produktiven Teil des Viertels.
Die Straßenfassade verleiht dem Baukörper Leichtigkeit und Eleganz. Mit industriellen Anklängen, wie filigranen Stahllisenen und horizontalen Stahlbändern, wird ein subtiler Bezug zum Bestand hergestellt. Die eigentliche Innovation liegt jedoch in der sogenannten „+Raum Schicht“: vorgelagerte Wintergärten, die sich über die gesamte Straßenfront erstrecken und jeder der zwölf Regelgeschosswohnungen zusätzlichen Raum bieten. Diese zwei Meter tiefen Wintergärten dienen nicht nur als klimatische Pufferzone und Schallschutz, sondern eröffnen den Bewohnern vielfältige Möglichkeiten ihre unmittelbare Wohnumgebung aktiv in Bezug auf Licht und Temperatur zu gestalten.
Kompakte und robuste Konstruktion
Die Wohnungsgrundrisse sind auf kompakte Effizienz und funktionale Flexibilität ausgelegt. Im Regelgeschoss sorgt eine Dreispänner-Struktur für optimale Nutzung des verfügbaren Raums. Eine 3- und eine 4-Zimmer-Wohnung flankieren eine zentral gelegene 2-Zimmer-Wohnung. Im Dachgeschoss findet sich eine großzügige 156 m² große Wohnung mit zwei Terrassen, die den Blick über die Dächer Wiens eröffnet. Insgesamt umfasst das Gebäude 13 Wohnungen, die unterschiedlichen Lebensentwürfen gerecht werden.
Auch technisch lässt das Stadthaus nichts zu wünschen übrig: Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, Bauteilaktivierung und eine Photovoltaikanlage sorgen für eine weitgehend autarke Energieversorgung. Die Fußbodenheizung in den Wohn- und Verkaufseinheiten gewährleistet zusätzlichen Komfort.
Die tragende Struktur des Gebäudes basiert auf einer robusten Querscheibenbauweise mit Stahlbetonwänden bzw. –stützen und darüber liegenden, ein- bzw. zweiachsig gespannten Stahlbetondecken. Die Aussteifung des Gesamtbauwerkes erfolgt in beiden Richtungen über die Quer- und Längsscheiben aus Stahlbeton, sowie über die Stahlbetondecken. Ein Untergeschoss, fünf Obergeschosse und zwei Dachgeschosse bieten ausreichend Raum für die unterschiedlichen Nutzungen. Eine Sargdeckelkonstruktion mit eingeschnittenen Terrassen bildet den oberen Abschluss des Gebäudes.
Fotos: Hertha Hurnaus
Kategorie: Projekte