Grüner Brutalismus in Indien – Elantas Beck India
Corporate office for Elantas Beck India Ltd / Pune / CORE architecture
Nachhaltigkeit ist nicht erst in den letzten Jahren und im Westen ein Gebot der Stunde, bereits 2012 wurde in Indien vor allem ressourcenschonend und energieeffizient gebaut. Viele der Ideen der Architektur für das Headquarter des indischen Ablegers eines deutschen Konzerns, errichtet von CORE architecture, könnte hier und jetzt bei uns angewendet werden.
Seit vielen Jahren versucht man in Europa beziehungsweise im Westen energieeffizient und ressourcenschonend zu bauen. Dabei oft in dem, Glauben, eine Vorbildrolle oder gar weltweiter Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu sein. Ein Bürobau, der bereits 2012 in Indien fertiggestellt wurde, belehrt eines Besseren und zeigt deutlich das hohe Umweltbewusstsein und die Weitsichtigkeit, die bei diesem Projekt an den Tag gelegt wurden. Zwar ist der Auftraggeber der deutsche Chemiekonzern Altana (siehe Kasten), aber die Architektur für das Elantas Beck India Ltd ist ausschließlich lokal orientiert und von dem indischen Architekturbüro CORE architecture entworfen und realisiert worden.
2010 wurde vom Konzern ein Wettbewerb für das neue indische Hauptquartier in Pimpri, in der Nähe von Pune ausgeschrieben und von CORE architecture gewonnen. Der Auftrag für das Design und die Gestaltung ging an besagtes Büro und die Kriterien waren nicht nur ein funktionierendes Gebäude zu errichten, sondern eine energieeffiziente Architektur zu schaffen. Der Auftraggeber richtete sich nach dem damals herrschenden Trend des „Green Building“ und erwartete eine Lösung, die seinen internationalen Visionen entsprechen sollte.
Challenge
Zwei Herausforderungen ergaben sich für die indischen Architekten: Eine war, machbare und realisierbare Lösungen und Technologien für eine größtmögliche Nachhaltigkeit zu finden und die andere war, diese Punkte in der architektonischen Aktualität und dem strukturellen Design auch abzubilden. Diese architektonische Sensibilität galt es zu finden, denn Technologien kann man definieren und sie in ein bestehendes Design einbetten, um den Wert und die Effizienz zu steigern, aber ein wirklicher Beitrag des Designs ist das, was das architektonische Werk schlussendlich einzigartig macht. Und so wurde das Aussehen, das Design hier ein architektonischer Ausdruck von Funktion und Energieeffizienz.
To avoid
Das Grundstück mit seinen ca. 8.000 Quadratmetern lag isoliert und 700 Meter von der Produktionsstätte entfernt. Es war von einer Vielzahl ausgewachsener Bäume bedeckt. Die Zufahrt konnte nur über den Haupteingang erfolgen. Diese Straße war ebenfalls von Bäumen gesäumt. Der Entwurf spielte sich komplett zwischen diesen existierenden Bäumen ab. Die Architekten schafften es zu bauen, ohne einen einzigen Baum zu beschädigen oder zu fällen. Manchmal nahm man sogar kleine örtliche Änderungen vor, um die Pflanzen nicht zu beleidigen. Sie planten eine gewundene Zufahrt, der verbleibende Platz zwischen den Bäumen wird als Parkplatz oder Grünfläche benutzt. Eine dichte Kokosnussplantage an der Ostseite des Grundstückes hat man als Ausblick und Hintergrund des die Sonne reflektierenden Pools verwendet.
Die Natur spielt sowohl in der Architektur als auch außerhalb eine große Rolle.
To reuse
Alte, auf dem Gelände verteilte Wasseraufbereitungsanlagen sind zu Wasserreservoirs umgenutzt, sowohl für das Brauchwasser als auch für Löschwasser im Fall eines Brandes. Der Platz, der für Parkplätze nötig war, wurde derart angelegt, dass man auf einer Schotterschüttung Betonsteinpflaster verlegte, um eine Versickerungsmöglichkeit für Regenwasser zu schaffen. Da das Gelände steinig war, hat man die ausgegrabenen Steine und Eisenteile als Beschüttung unter den Fußböden und zum Hinterfüllen der Sockelmauern verwendet. Die oberflächliche Erde wurde nach dem Abtragen seitlich deponiert, um sie später zur Landschaftsgestaltung zu verwenden.
Concept
Die Architektur ist funktional in zwei Teile geteilt, beide sind (grob) Ost/West orientiert. Die längeren Ansichten sind an der Nord- bzw. Südseite gelegen. Ost- und Westseiten haben fast keine oder nur sehr kleine Öffnungen, um so die horizontal wirkende Sonne in der Früh und abends zu blockieren. Die Südansicht ist mit Sonnenschutzeinrichtungen versehen und besitzt außerdem bewegliche Sonnenblenden. Das gesamte Tageslicht für die Arbeitsräume im Inneren wird über die Nord- und Südseite eingeleitet, sie sind komplett geöffnet und können so weit im Sommer verschattet werden, dass nur diffuses Licht eindringt.
Der keilförmige Bereich zwischen den beiden Bauteilen wirkt – konzeptuell – als ein Tal zwischen zwei Anhöhen. Es enthält einen kleinen Hügel mit Pflanzen und Grünzeug und wurde sehr geschickt von einer lokalen Firma für Landschaftsplanung und Gartengestaltung angelegt. Der Sinn ist, Feuchtigkeit in den Innenräumen zu generieren und durch Schaffung eines Mikroklimas auch zur Temperaturregelung im Gebäude beizutragen. Der keilförmige Hofraum, der sich an der südwestlich gelegenen Windseite verengt und gegen Osten aufweitet, schafft einen Kamineffekt und der Wind transportiert so die heiße Luft aus den Bürotrakten ab. Alle Arbeitsbereiche können während des Jahresablaufes natürlich belichtet und belüftet werden.
Der Aufzug wurde aus den Arbeitsbereichen entfernt und an einer eher entlegenen Stelle positioniert. Dadurch soll den Mitarbeitern seine Benutzung für den vertikalen Bewegungsablauf erschwert werden. Vielmehr werden sie motiviert, durch den üppigen Innenbereich des grünen Hofes über bequeme Stiegen zu den oberen Ebenen zu gelangen – ein Beitrag zur Volksgesundheit und eine nachhaltige Unterbrechung des Alltages im Büro. Dieser Zentralraum ist auch mit öffentlichen, allgemeinen Funktionen durchdrungen: Sportbereich und Versammlungsräume schaffen einen sozialen Mehrwert zur rein optischen Attraktion. Er öffnet sich zu einem großen Pool, in dem sich der östlich gelegene Kokospalmenhain spiegelt. Das Regenwasser wird von den verschiedenen Terrassen direkt in speziell gegrabene Brunnenröhren geleitet – diese dienen der Regeneration des Grundwassers.
Auch der vorhin erwähnte Pool wird vom Regenwasser gespeist.
Materials
Der optische Eindruck der Architektur ist eher minimalistisch, ohne Kosmetik und Kinkerlitzchen. Ein bisschen hat es den Anschein, als ob Le Corbusier mit seinen Visionen von Chandigarh auch Pate gestanden hat. Ein einerseits vibrierender aber gleichzeitig auch sehr meditativer Eindruck, der gut zum momentanen Hype um den Brutalismus passt, obwohl schon (oder erst) vor einigen Jahren errichtet. Die Außenhaut der Gebäude ist durchwegs in einem sehr sauber geschalten Sichtbeton gehalten. Dadurch erübrigte sich eine weitere Behandlung wie durch Verputz oder Farbe und so wurde auch die, in diesen Stoffen enthaltene graue Energie eingespart. Die Betonwände im Osten und Westen haben durchlüftete Hohlräume in ihrem Inneren und tragen so zur Kühlung bei. Durch den Kamineffekt in diesen Hohlräumen wird die Wärmeleitfähigkeit des Betons vorteilhaft und ohne Technik benutzt. Sämtliche Innenwände des Baus sind aus recycelten Flugascheziegeln errichtet, so wurde wieder der CO2 Footprint reduziert. Glas hat man sehr intensiv im Norden und Süden benutzt, um eine gute Belichtung zu erreichen, und so sind der Sonnenschutz und die hölzernen Sonnenblenden vor den Fensteröffnungen ebenso sehr überlegt platziert, um damit dem minimalistischen, architektonischen Charakter des Gebäudes eine eigene Note zu verleihen.
Corporate Office for Elantas Beck India Ltd
Pune, Indien
Bauherr: Altana/Deutschland
Planung: CORE architecture
Statik: Sudhir Kulkarni
Landschaftsplanung: SAMA, Pune, India
Grundstücksfläche: 8.000 m2
Bebaute Fläche: 3.700 m2
Planungsbeginn: 02/2010
Bauzeit: ca. 18 Monate
Fertigstellung: 2012
Baukosten: 1,2 Mio. Euro
Die Altana AG ist ein deutscher Chemiekonzern mit Sitz in Wesel, der 1977 durch die Ausgliederung von Unternehmensbereichen aus dem Varta-Konzern entstand. Der Konzern gliedert sich in die Bereiche BYK (Lackadditive & Instrumente), Eckart (Metalleffektpigmente und Metallic-Druckfarben), Elantas (Isolierstoffe für die Elektroindustrie) und Actega (Lacke und Dichtungsmassen für die Verpackungsindustrie). Er verfügt über 52 Produktionsstätten sowie über 60 Service- und Forschungslaborstandorte weltweit.
Fotos:©Mr. Atul Kanitkar
Text:©Peter Reischer
Kategorie: Projekte