Im Zeichen der Wissenschaft

19. September 2022 Mehr

Beim Campus der JKU Linz handelt es sich um ein vielseitiges und gleichermaßen stimmiges Projekt. Technische Finesse trifft hier auf vorzügliche Raumqualitäten. Die Gebäude passen sich der Umgebung an, greifen deren Eigenheiten auf und können sich trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer modernen Gestaltung auch in puncto Klimaschutz sehen lassen.

 

 

Mit einer Grundfläche von insgesamt 80.000 m2 zählt der Science Park Linz zu den größten modernen universitären Projekten in Österreich. Der Campus der Johannes Kepler Universität beinhaltet fünf Bauteile mit unterschiedlichen Nutzungen, wobei der Schwerpunkt auf technischen und digitalen Studiengängen mitsamt wirtschaftswissenschaftlichen Einrichtungen liegt. Doch nicht nur mit seiner Nutzung überzeugt das Areal. Die städtebauliche Komposition von Caramel Architekten verbindet Freiflächen mit intimen Zonen und punktet dadurch mit einem ausgewogenen architektonischen Mix. 2021 erfolgte, 16 Jahre nach der Auslobung des Wettbewerbs, schließlich die Fertigstellung des Projekts.

Das Ergebnis ist ein hoch moderner Universitätscampus, der auch in puncto Nachhaltigkeit überzeugt. Durch die vergleichsweise lange Planungs- und Umsetzungsphase war es den Architekten möglich, die Objekte mitsamt deren Umgebung detailgenau zu gestalten. Die Gebäude verbinden technische Neuerungen mit einer hohen Aufenthaltsqualität. Allein dieser Aspekt macht das Science Center zu einem Vorzeige-Universitätsbau in Europa.

 

 

Das Tor zur Stadt

Das junge Universitätsgelände setzt sich einerseits aus Neubauten und andererseits aus dem ehemaligen Starhembergerschen Schloss Auhof zusammen. Gemeinsam mit dem historischen Bauwerk bildet der Bauteil 5 – die jüngste Komponente des Projekts – das Tor zur Stadt Linz. Denn die beiden Gebäude stellen eine bauliche Grenze zum urbanen Bereich der Hauptstadt Oberösterreichs und zu der grünen Hügellandschaft des Mühlviertels dar.

Alle Bauwerke wurden im Übrigen so konzipiert, dass sie mit ihren Knicken und Höhenvorsprüngen auf die Umgebung und die Nachbarbauten eingehen. Die neuen Bauwerke fügen sich so sensibel in den Bestand ein und erscheinen trotz ihrer Länge von bis zu 140 Metern nicht allzu massiv. Die grünen Ausläufer der Hügellandschaft Oberösterreichs verdecken zudem die Eingangsbereiche sowie die besonders hoch gehaltenen Sondergebäude für die Forschung. Mit einer zusätzlichen Absenkung des Terrains war es hier möglich, bei diesen Bauteilen eine ebenerdige Anbindung an das restliche Areal zu gewährleisten. Eine verbindende Fußgängerunterführung rundet das Konzept ab.

 

 

Harmonie in Abschnitten

Aus insgesamt fünf Bauabschnitten setzt sich der Campus zusammen – der erste wurde bereits 2009 eröffnet, wobei damals bereits das gelungene Wechselspiel mit der Landschaft zu erkennen war. Charakteristisch für den Bau sind die schwebenden Bürotrakte, die das Gebäude in der Umgebung verankern. Im Inneren des Bauwerks werden die Geschosse über großzügig verglaste Atrien miteinander verbunden. Das Licht fällt so bis in die unteren Ebenen und erzeugt eine einladende und kommunikationsfördernde Atmosphäre.

Aufgrund dessen immenser Spannweite konzipierten die Planer das Tragwerk von Bauteil 1 als Brückenkonstruktion. Ein Stahl-Hängewerk von rund 160 Metern länge wird hier von zwei massiven Kernen getragen. Auch die Fassadengestaltung ordneten die Architekten diesem System unter. Parapete wurden also an den Punkten der größten Durchbiegung in der stärksten Dimension platziert – das Ergebnis dieser Vorgehensweise ist ein diversifizierender Effekt im Außenbereich, der zugleich im Inneren ein hohes Maß an Individualität gewährleistet.

 

 

Die verbindende Magistrale

Alle übrigen Bauteile ordneten die Planer entlang der Magistrale an – Letztere fungiert als verbindendes Element zwischen Stammuniversität und den Neubauten. Kennzeichnend für diese Bauabschnitte ist eine deutliche „Erdung“.

Auch Bauteil 2 kennzeichnen die charakteristischen Knicke am Baukörper, an der Außenhülle und in den Innenräumen. Er wird so zur nahtlosen Fortsetzung des Vorgängers. Eine Besonderheit stellen dessen verdrehte Dachschrägen und Achsen dar. Mit ihrer Gestaltung wurde dem Objekt ein Rechtsknick verpasst. Das Dach senkt sich zunächst leicht ab, wobei es sich gen Norden wieder steil nach oben bewegt. Zusätzlich fällt die Rückseite um ein Geschoss höher, als bei Abschnitt 1 aus. Ans Baufundament schließt ein zweigeschossiger Sockel an, der dem 2011 eröffneten Bauteil eine massive Struktur verleiht.

Nur ein Jahr später erfolgte die Fertigstellung des nächsten Abschnitts. In ihm befindet sich auf 16.000 m2 Grundfläche der Informatikbereich. Der Bau setzt sich aus einem Sockel zwei parallel angeordneten Riegeln mit sechs Geschossen zusammen. Den Innenbereich dominieren Atrien mit großzügigen Verglasungen sowie räumlich geöffneten Bereichen – Letztere fungieren als Kommunikationszentren. Ein architektonisch verbindendes Element zwischen allen Bauteilen ist das großzügig bemessene Flachdach. Dieses erstreckt sich im Science Park über sämtliche Gebäude, wobei es auch Freiluftauditorien erzeugt. Sie dienen ebenfalls der Kommunikation.

Die letzten beiden Abschnitte – also Bauteil 4 und 5 – wurden mit Mai 2021 zeitgleich fertiggestellt. Charakteristisch für die vierte Konstruktionseinheit sind deren multifunktional nutzbare Großraumbereiche.

Bauteil 5 stellt die jüngste Erweiterung und damit gleichzeitig den Kopfbau des Projekts dar. Mit seiner U-Form umschließt das Gebäude einen Innenhof, wodurch Letzterer zum geschützten Aufenthaltsbereich wird.

 

 

Design trifft Industrie

Auf den ersten Blick sticht dem Betrachter das industriell-technische Design des Science Parks ins Auge. Der Wunsch des Bauherrn war es nämlich, eine pure Materialität zu gewährleisten – daher treten die verwendeten Baustoffe sichtbar in Erscheinung. An den hinterlüfteten Fassaden wurde auf Naturaluminium als Baustoff gesetzt. Gemeinsam mit den Sonnenschutzlamellen gewährleistet das Material selbst bei hohen Außentemperaturen eine geringe Wärmeentwicklung.

Im Inneren kennzeichnen unverkleidete Wände und Decken aus Stahlbeton die Gestaltung. In Kombination mit der leuchtend gelben Wandfarbe verleihen sie den Gebäuden ein vielseitiges und unverwechselbares Aussehen. Die Bauteilaktivierung in den Beton-Elementen fungiert als Kühlung und Heizung der Bauwerke. Da die Energie für diese Prozesse vordergründig aus dem Grundwasser gewonnen wird, handelt es sich hierbei um einen ökologisch vertretbaren Mechanismus. Eine zentrale Kälteerzeugung und Fernwärme ergänzen den Kühl- und Heizbedarf auf dem gesamten Campus. Grün ist aber nicht nur das Innenleben des Projekts, denn zusätzlich wurden sämtliche Dächer bepflanzt und mit Photovoltaik-Anlagen versehen. Somit steht auch der nachhaltigen Energiegewinnung nichts im Weg.

 

 

Räumliche Qualität im Innen- und Außenbereich

Eine Besonderheit des Linzer Science Park ist zweifelsohne dessen gut durchdachte und ausgewogene Gestaltung – und das in allen Bereichen. Es überzeugen nämlich nicht nur die Innenräume mit ihrer Intimität und den damit verbundenen Aufenthaltsqualitäten. Auch die Freiflächen vor und zwischen den Gebäuden punkten mit attraktiven Rückzugsqualitäten. Dabei überließ das Team von Caramel Architektur nichts dem Zufall. Die Anlage und Gestaltung der Außenräume fand bewusst und mit Liebe zum Detail statt. Die Planer berücksichtigen beim Entwurf sowohl die Ausrichtung der Gebäude als auch die sie umgebende Landschaft. So war es den Architekten möglich, das Zusammenspiel beider Komponenten zu ihren Gunsten zu nutzen. Aufenthalts- und Freiflächen sind übrigens ebenso auf den Dächern anzutreffen. Die begrünten Areale bieten bei einer schönen Aussicht auf die Landschaft Gelegenheiten zum Austausch. Zweifelsohne ist auch die Ausrichtung der fingerartigen Bauten eine Besonderheit. Die Planer ordneten sie so an, dass sie von den in der Region charakteristischen Fallwinden durchströmt werden können. Gleichzeitig war dadurch die Anlage geschützter Außenbereiche möglich.

 

 

Text: Dolores Stuttner
Fotos: Hertha Hurnaus

 

Kategorie: Architekturszene, Kolumnen, Projekte