Kindergarten / Drasenhofen / ARGE Abendroth Hartl Architekten
Prägend für den Ort Drasenhofen im nördlichen Weinviertel ist die Brünner Straße, die von Wien über Drasenhofen, Mikulov (Nikolsburg) nach Brünn in die Tschechische Republik führt. So verwundert es nicht, dass in kürzester Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhanges ein Kindergarten in Drasenhofen eingerichtet wurde, der grenzüberschreitend genutzt wird. Kinder aus Mikulov/CZ und Umgebung besuchen gemeinsam mit den Kindern aus Drasenhofen den Kindergarten.
Der 2010 eröffnete neue Kindergarten in Drasenhofen führt die Tradition der Zweisprachigkeit weiter und ist das Ergebnis eines geladenen Architektenwettbewerbs aus dem Jahr 2006, aus dem das Architektenteam Abendroth/Hartl als Sieger hervorging.
Der Bauplatz liegt am Ortsrand von Drasenhofen in Sichtweite der Kirche und der Haupt- und Volksschule. Die unmittelbar vorhandene und zu erwartende Bebauung in der Nachbarschaft besteht aus Einfamilienhäusern. Im Nordwesten des Kindergartens gibt es zwei Weinkeller, die ganz oder teilweise in begrünte Erdhügel eingebettet sind und den Blick auf die gewachsene, dörfliche Struktur freigeben.
Der Kontrast des im Gegensatz zu den vorherrschenden Einfamilienhäusern und der kleinteiligen Bebauungsstruktur doch eher großen Bauvolumens des neuen Kindergartens wurde durch das Einbetten in Geländestufen und das fast vollständige Begrünen der Dachflächen entschärft. Zudem wurde dadurch eine bauliche Konkurrenzsituation gegenüber der Ortskirche sehr sensibel vermieden.
Raumkonzept
Auf der Straßenseite sind die administrativen Räume angeordnet. Der Hauptzugang führt durch einen orangefarbenen Windfang mit Abstellmöglichkeit für Kinderwägen und Fahrräder in die zentrale Halle mit der Gruppengarderobe. Die Halle stellt im Grundriss ein nach Süden ausgerichtetes Kreuz dar. Die Hauptachse dient der Erschließung und bietet Durchblicke auf den historischen Ortskern.
Die Querachse dazu dient der Kommunikation – von Ost nach West – und als Kinderrestaurant in Verbindung mit der Küche. In ihr werden gemeinsam Kekse und Kuchen nach österreichischen und tschechischen Rezepten gebacken. Die aus den Kücheneinrichtungen herausziehbaren niederen Podeste benutzen die Kinder, um den Erwachsenen auf gleicher Augenhöhe begegnen zu können.
Farblich ist die Halle in zartes Rosa getaucht und wirkt warm und einladend. Die Farbharmonie wird durch das Lichtgrün der Küche und die bienenkorbartigen Farbcodes der Eingänge in die Gruppenräume ergänzt. Der Kindergarten ist so angelegt, dass alle Gruppen einen direkten Zugang zum Garten besitzen. Über eine Galerie, die zwei der drei Kindergartengruppen als zweite Spielebene erhalten haben, erhält man Zugang zum Obergeschoß.
Hier ist eine Bibliothek (in der es natürlich Bücher in tschechischer und deutscher Sprache gibt) und ein Mehrzweckraum für gemeinschaftliche Nutzungen untergebracht. Diese Räume sind aufgrund ihrer Lage und eines separaten Zuganges von der Dachfläche aus, auch für die Gemeinde für Veranstaltungen nutzbar.
Die gesamte Dachfläche ist als Spiel- und Erlebnislandschaft konzipiert und gliedert sich durch unterschiedliche Pflanzgruppen und Bodenoberflächen.
Einrichtungskonzept
Der Baukörper ist kompakt in funktioneller, energetischer und wirtschaftlicher Hinsicht konzipiert und bietet mit seiner klaren Formensprache den Kindern einen ersten, angenehmen Zugang zu zeitgemäßer Architektur.
Die Gruppen und deren fixe Einrichtungen sind nach den Grundsätzen des Konzepts: „Bauen für Geborgenheit – Das Würzburger Modell“ gestaltet. Eine der beiden Galerien ist zusätzlich mit einer Bühne und einer Sitzstufenanlage ausgestattet. Die Galerien ermöglichen ein Spielen über mehrere Ebenen und bieten zusätzliche Rückzugsorte für die Kinder an.
Der Raum unter der Galerie wird als „Märchenhöhle“ genutzt. Hier schaffen eine gedämpfte Beleuchtung und ein Vorhang die perfekte Möglichkeit für Kleingruppenbetreuung oder Ruhebereiche. Alle Möbel sind aus Naturholzplatten gefertigt, und zusammen mit dem grasgrünen Linoleumboden der Gruppenräume entsteht eine Atmosphäre der Heiterkeit und Geborgenheit. Die Möblierung ist so gestaltet, dass eine Gliederung für unterschiedliche Spiel- und Ruhebereiche erreicht wird. Alle Gruppen sind mit einem ergonomischen Stehpult für die administrativen Tätigkeiten der PädagogInnen versehen, daran schließt sich eine kindergerechte Arbeitsfläche mit Wasseranschluss (Kinderküche) an. Jede Gruppe verfügt über einen eigenen barrierefreien Sanitärraum mit Waschrinne, WC und Behinderten-WC mit integriertem Duschplatz und Wickelplatz.
Freiflächenkonzept
Aufgrund der Gelände-Morphologie (Höhendifferenz neun Meter über die gesamte Fläche) wurden durch Geländestufen Teilräume geschaffen, die unterschiedliche Qualitäten und Spielmöglichkeiten bieten. Dem Gebäude sind gartenseitig tiefe Terrassenflächen und ein Balkon – beide mit Holzrosten – vorgelagert.
Im südlich und höher gelegen Teil bietet eine großzügige Rasen- und Wiesenfläche Ausblick über das nach Norden hin abfallende Gelände. Von hier aus kann die Dachfläche des Gebäudes betreten werden. Eine röhrenförmige, rote Rutsche führt vom Obergeschoß in den tiefer gelegenen Gartenbereich und ermöglicht es so den Kindern, den natürlichen Bewegungsdrang auszuleben.
Der Höhenunterschied zur Straße hin wird durch eine Böschung ausgeglichen. Alle Flächen sind naturnah als Rasen- und Wiesenflächen gestaltet. Die räumliche Gliederung erfolgte durch Strauch- und Heckenpflanzungen bzw. Geländestufen und -böschungen.
Für die Bepflanzung wurden Bäume, Sträucher sowie robuste Stauden (Flächenpflanzungen) eingesetzt. Im Nordbereich wurde eine Baumgruppe gepflanzt, die als Windschutz fungieren soll und auch Möglichkeiten für Spiele bietet. Obstgehölze wie Apfel, Birne, Kirsche, aber auch Beerensträucher schaffen eine angenehme Gartenatmosphäre.
Energiekonzept
Das Gebäude ist in Massivbauweise errichtet und als Niedrigstenergiehaus konzipiert.
Es weist eine Energiekennzahl von 21,46 kWh/m²a (Heizwärmebedarf) auf. Die bereits dem Entwurf zugrunde gelegte passive Solararchitektur trägt zur Minimierung des Energiebedarfes bei. Durch die Dreischeibenverglasungen in den Gruppenräumen wird eine angenehme Raumatmosphäre für die Kinder erzielt. Der Kindergarten ist zudem mit einer Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. So kann zu jeder Zeit die Luftqualität in allen Räumen gesichert werden. Die Oberlichten werden automatisch durch eine Regelung bedient, um im Sommer die nächtliche kühlere Luft zur Abkühlung des Gebäudes zu nutzen. Der Restwärmebedarf wird mittels Wärmepumpe aus der Außenluft gewonnen und über Pufferspeicher und eine Fußbodenheizung verteilt. [rp]
Fotos: Andreas Buchberger, Joachim Kräftner
Bauherr: Gemeinde Drasenhofen
Planung: ARGE Abendroth Hartl Architekten
Mitarbeiter: DI Andreas Hradil, DI Michael Klauser
Statik: KPKK, Dr. DI Klaus Petraschka
Grundstücksfläche: 4.025 m²
Nutzfläche: 765 m²
Planungsbeginn: 2006
Bauzeit: 1,5 Jahre
Fertigstellung: 2010
Baukosten: 1,6 Mio. Euro
Kategorie: Projekte