Landschaft als Bildung? – Greenwashing
Die in Jahrhunderten meliorisierten, kultivierten, umgepflügten, bebauten und umgebauten Landschaften werden in unseren Breiten gemeinhin als Kulturlandschaft bezeichnet. Über die genaue Begriffsdefinition lässt sich trefflich streiten, denn der Bergriff „Kulturlandschaft“ kann im Gegensatz zur Naturlandschaft, dem Freiraum, der Industrie- oder Wirtschaftslandschaft, in unterschiedlicher Art und Weise definiert werden. Aber aus allen Definitionen geht hervor, dass der Mensch eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Erhaltung derselben spielt.
Was hier in eher größeren Dimensionen gedacht und diskutiert wird, findet auch im Kleinen, in (fast) jedem Architekturprojekt statt: Überall ist ein kleines Fleckchen Grün, das gestalterisch behandelt werden kann. Sei es nun als das berühmte „Greenwashing“, um einem ökologischen Anspruch gerecht zu werden, sei es aus der Leidenschaft der Gestalter, um den Nutzern eine „bessere“ Umwelt zu bieten.
Bei öffentlichen Bauvorhaben wie Museen, Kindergärten und Schulen ist dieser Anspruch besonders deutlich und auch wichtig. Denn Bildung soll nicht nur im Inneren, in geschlossenen Räumen stattfinden, sie muss sich auch auf die Umwelt, die Natur und die Landschaft erstrecken. So ist die vom Büro DnD Landschaftsplanung ZT KG, Anna Detzlhofer und Sabine Dessovic entworfene Außengestaltung des evangelischen Realgymnasiums in Wien-Donaustadt, Maculangasse ein schönes Beispiel für die fließenden Grenzen zwischen Gebautem und Freiraum. In dem Bau von Architektin Sne Veselinovic sind die Übergänge schon vom Schwellenbereich der Piazza des Eingangsbereiches weg spürbar. Der vergleichsweise geräumige Arbeitsbereich des Lehrkörpers öffnet sich hofseitig auf eine mit Hochbeeten ausgestattete Gemeinschaftsterrasse im Obergeschoss, die auch den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe zur Verfügung steht und über eine Treppe mit dem Freibereich verbunden ist.
Speisesaal und Cafeteria liegen gartenseitig im Erdgeschoss und damit zentral am Übergang zu den drei Unterrichtsclustern. Diese sind an eine lang gestreckte Erschließungs- und Pausenfläche angedockt, an der durch die hineinragenden Hort- und Klassenräume engere und weitere Zonen entstanden sind, die mit Sitzgruppen oder Bank-Tisch-Kombinationen ausgestattet als Zonen für freies Lernen oder zur Rekreation genutzt werden können. Lufträume zwischen den Geschossen sorgen für mannigfaltige Blickbeziehungen auch in der Vertikalen und leiten das von oben einfallende Licht in die Tiefe. Für Unterricht und Freizeit vielseitig nutzbar sind auch die Freibereiche, die mit Betonmöbeln, Holzdecks mit integrierten Bäumen und Hochbeeten ausgestattet zu den weitläufigen Sportanlagen überleiten.
Den gesamten Außenbereich der Evangelischen Schule kann man aus freiraumplanerischer Sicht in vier Teile untergliedern – in den Vorbereich, den Hauptbereich, den Sportbereich und in das 1. und 2. Obergeschoss.
• Der Vorbereich zur Maculangasse wird von der Asphaltfläche mit Markierungspunkten geprägt. Die Fläche dient als Fahrfläche für Zulieferung, Feuerwehr und Müllwagen, gleichzeitig ist sie der Eingangsbereich für die Schüler.
• Der Haupt(grün)bereich besteht aus einer großen Rasenfläche und den Außenklassenbereichen. Die einzelnen Cluster bestehen aus Betonplatten, Holzterrassen, Betonsitzelementen und Solitärbäumen. Im westlichen Bereich gibt es zusätzlich Pflanzbeete, die teilweise von den Schülern selbst bearbeitet und mit Stauden und Gräsern bepflanzt wurden.
• Der Sportbereich beinhaltet eine grüne EPDM-Fläche und eine wassergebundene Schotterdecke, eine Art Unendlichkeitsschleife als Laufbahn. Fixe Sportgeräte wie Basketballkörbe und Fußballtore und die Sprungbahn – die Volleyballstangen und das dazugehörige Netz sind mobil. Ein fünf Meter hoher, geräuscharmer Mobilgitterzaun umgibt zweiseitig diese Sportfläche.
• In den Außenbereichen des ersten und zweiten Obergeschosses wurden Betonplatten verlegt. 60 cm
hohe Pflanzbeete und Strauchpflanzungen bilden als grüne Inseln eine Auflockerung des großzügigen Terrassenbereiches. Im ersten Obergeschoss spendet eine Pergola aus Metallstehern und einer Holzdeckung Schatten für das Lehrpersonal und die Schülerinnen.
Die Gestaltung der evangelischen Schule ist ein gutes Beispiel, wie mit relativ geringen finanziellen Mitteln eine doch recht ansprechende, und vor allem die Schüler anregende Umgebung in einer Schule erreicht werden kann. Durch die Öffnung der Unterrichtsräume zur Natur wird eine komplexere Raumwahrnehmung gefördert – und das gehört auch zur Bildung des Menschen dazu.
Fotos: ©Wolf Leeb
Text: ©Peter Reischer
Kategorie: Projekte