Materielle Entschleunigung – Steinruine
Materielle Entschleunigung – Steinruine / Villa Slow / Cantabria / Laura Alvarez
Auf und aus einer Steinruine im Norden Spaniens hat Architektin Laura Alvarez ein Feriendomizil geschaffen, bei dem der Mix und auch Kontrast der Materialien ein wesentlicher Faktor ist. Von außen gleicht die Architektur einem typischen, landwirtschaftlich genutzten Bauwerk, bei geöffneten Fenstern und von innen erkennt man die ganzen Details und die Materialverliebtheit der Architektin.
Die Villa Slow ist ein Feriendomizil, welches auch gemietet werden kann. Entworfen wurde es von der Architektin Laura Alvarez und es liegt im Naturpark Valles Pasiegos, im Norden Spaniens. Die Architektin hat es aus einer Steinruine inmitten von mehr als zwei Hektar Land aufgebaut. Die Typologie der neuen Architektur bleibt im Kontext und bezieht sich auf eine traditionelle, lokale Bauweise, „Cabaña Pasiega“ genannt. Allerdings in einer zeitgemäßen Anwendung. Die strategische Lage der Architektur auf einem Hügel mit Blick nach Süden garantiert für die Bewohner grandiose Ausblicke auf das Tal und die Berge.
Das Schema des Hauses ist leicht erklärt: ein rechteckiger Grundriss (wie eine Scheune) mit zwei großen Panoramafenstern an beiden Längsseiten. Sie belichten den Wohnraum von beiden Seiten und geben eben diese tollen Blicke auf die Szenografie der umgebenden Berge, den Wolkenhimmel und die Bäume frei. Sie verbinden das Zentrum des Hauses mit dem Umraum, lassen die Natur hindurchfließen. Der Eingang befindet sich auf der Westseite, gleich hinter der Küchenzeile im Wohnraum.
Die beiden Schlafräume sind im Ostflügel, im privaten Teil, und beide identisch mit jeweils eigenem Badezimmer und einer großzügigen Öffnung in die unendliche Weite der Landschaft. Sie erhalten ihr Licht durch die Morgensonne. Da das gesamte Gebäude eingeschossig ist, ergibt sich über den Badezimmern eine Mezzaninebene für einen zusätzlichen Schlafplatz (für die Kinder). Der Schlaftrakt ist hinter einer Wand mit eingebautem Feuerplatz verborgen, dieser Kamin stellt den Eyecatcher des Wohnraums dar.
Die Architektur ist mit einer außergewöhnlichen Bedachtsamkeit auf Details, Natur, Umgebung, Materialien und Kontext entworfen und gebaut. Das Haus geht mit der Umwelt sehr respektvoll und ästhetisch – auch in technischer Hinsicht – um. Die spanischen Baugesetze verbieten einen Wohnbau ohne öffentlichen Stromanschluss, deshalb ist das Haus auch ans Netz angeschlossen. Die Luft-Wärmepumpe für das Warmwasser und die Fußbodenheizung bezieht Strom aus dem Netz, aber für jedes Kilowatt, das sie verbraucht, erzeugt sie fünf Kilowatt Energie im Gegenzug. Die qualitativ hoch isolierenden Fenster vermeiden Wärmeverluste. Ein Hochleistungsglas wärmt die Räume durch die Wintersonne und große hölzerne Fensterläden schützen es vor zu großer Hitze während der Sommerzeit. Und alle verbauten Materialien stammen von der ehemaligen Steinruine am Bauplatz oder kommen aus der unmittelbaren Umgebung in Cantabria.
Die Architektur ist ein Anschauungsbeispiel subtiler Kontraste und trotzdem stimmig im Gesamtbild: grob und fein, offen und geschlossen, holzfarben und grau, innen und außen, traditionell und modern. Die rauen Steinmauern der Außenhülle kontrastieren mit den feinen, hölzernen Möbeln im Inneren und der wohlüberlegten Tragstruktur des hölzernen Dachstuhles. Alvarez hat einen Hang zur Symmetrie, deshalb war der Dachstuhl eine optische Herausforderung für sie. Sie wollte auf jeden Fall eine Konstruktion ohne Firstbalken. Die Balken, welche die Dachhülle bilden, sollten durch nichts unterbrochen werden. Ein zentraler Balken würde das genauso wie Türen, die Räume öffnen, tun. Deshalb sind die Schlafzimmertüren raumhoch und rahmenlos – wenn sie offen stehen, zieht sich der Rhythmus der Dachbalken wie eine Klaviertastatur durch das ganze Haus.
Überall, wo man hinblickt, findet man ausgewogene Lösungen in den verwendeten Materialien. In diesem Projekt bringt das Holz das warme Gefühl in der Raumatmosphäre, dabei helfen die weißen Flächen dem Betrachter das Konzept der Architektur und der Hülle zu verstehen. Die Kombination von klassischen Sitzmöbeln und -gruppen und minimalistische Dekorelemente schafft die ruhige Stimmung, von der aus man die Inszenierung der Natur beobachten und sich an ihr erfreuen kann.
Die Beleuchtung, das künstliche Licht, besteht aus LED-Streifen und passt auch ins Konzept – sie ist kaum sichtbar. Die Küche, die Badezimmerregale, das Regal beim Feuerplatz und die Fensterläden sind alle aus massivem Walnussholz, der Esstisch aus Eichenholz. Alle Holzarbeiten wurden von lokalen Arbeitskräften und Tischlern durchgeführt, ganz im Sinne einer Wertschöpfung vor Ort. Die Möbel sind fast alle Second Hand und kommen aus Holland, wo sich das Büro der Architektin befindet. Vintage-Tische, Stühle, Lehnsessel und Ankleide ergeben eine harmonische Komposition zusammen mit den einfachen Linien der Architektur – man kann hier Ruhe und Frieden finden.
Villa Slow
Cantabria, Spanien
Bauherr: Laura Alvarez
Planung: Laura Alvarez Architecture B.V.
Statik: BYP Ingenieros
Grundstücksfläche: 2,4 ha
Bebaute Fläche: 160 m2
Nutzfläche: 120 m2
Planungsbeginn: 07/2014
Bauzeit: 10/2016 – 07/2017
Fertigstellung: 2017
Baukosten: ca. 200.000 Euro
Text:©Peter Reischer
Fotos:©David Montero
Kategorie: Projekte