Mit Wind, Stein und Sonne gebaut – Casa ECS
Casa ECS / Scicli / Architekt Giuseppe Gurrieri
Im Einfamilienhausbereich gibt es immer wieder „Erfindungen“, die sich auf traditionelles Wissen, teilweise aus anderen Ländern und Kulturen, beziehen. Nicht, dass das Haus neu erfunden würde, aber das Thema der Nachhaltigkeit und Effizienz fordert doch manche Bauherrn und Architekten zu außergewöhnlichen Lösungen heraus. So auch bei der Casa ECS in Sizilien, entworfen von Architekt Giuseppe Gurrieri für eine private Auftraggeberin.
Der Wohnbau, mit integriertem Atelier und Arbeitsbereich für die Künstlerin, hat einen hohen, umweltfreundlichen Anspruch und liegt in der Nähe der Stadt Scicli in Sizilien. Ein leicht zum Meer abfallendes Gelände bietet die idealen Voraussetzungen, um die Architektur perfekt in die Landschaft zu integrieren. Seit Urzeiten prägen hier Terrassen, mit Trockensteinmauern begrenzt, von Oliven- und Karobbäumen bewachsen, die Natur bis zum Horizont. Das Projekt wurde nach strengen Regeln und dem Prinzip des kleinstmöglichen Fußabdruckes in der Landschaft realisiert. Dazu führte man eine ganze Reihe von Energiesparmaßnahmen – nach vorherigen Studien und Untersuchungen – aus.
Ein Haus, das fast unsichtbar in der Landschaft Siziliens liegt, entwarf Architekt Giuseppe Gurrieri für seine Auftraggeberin. Am Dach komplett begrünt, nutzt es die natürliche Thermik und die Kaminwirkung zweier Höfe, um in seinem Inneren eine angenehme Kühle durch eine vorgelagerte Wasserfläche zu generieren.
Am besten ist das Resultat aus der Luft zu erkennen – nämlich fast gar nicht: Ein komplett bewachsenes und begrüntes Dach überdeckt den eigentlichen Baukörper und macht ihn zum integralen Bestandteil der Landschaft. Zwei kleine Höfe sind hinter dem Haus aus dem Erdreich ausgeschnitten. Einer ist mit einem lichtdurchlässigen Schilfdach teilweise überdeckt und kaum wahrnehmbar, der andere ist mit Topfpflanzen und einem Baum begrünt. Vor dem in der Erde verborgenen Baukörper liegt ein lang gestrecktes Schwimmbecken. Sämtliche Außenmauern sind mit einem lehmfarbenen Putz bedeckt und schauen fast wie natürlich aus. Auch im Inneren der Architektur sind die Wände mit einem fleckig wirkenden Putz gestaltet, bewusst wird Perfektes und Steriles in diesem Haus vermieden. Die Böden bestehen aus poliertem Betonestrich mit leicht unterschiedlichen Farbgebungen im Innen- oder Außenbereich.
Die zentrale Idee des Entwurfes beruht auf einer das Erdreich zurückhaltenden Wand, die eine Geländestufe bildet. Sie zieht sich über die gesamte Grundstückslänge, davor liegt eine ebenso lange Terrasse. Auf einer Seite des Hauses führt die Terrasse mit einigen Stufen langsam in das Gelände hinauf. Hinter einem gewissen, mittigen Bereich der Wand ist das Haus verborgen und hinter diesem sind noch zwei Höfe als Freiräume aus dem Erdreich ausgeschnitten. So werden die Kontinuität der Ansicht und die der Kulturlandschaft gewahrt und – außer von vorne – fällt die Architektur eigentlich nicht auf. Die inneren Strukturen des Wohnhauses folgen den Gesetzmäßigkeiten der Fassade: Sowohl der Wohnraum als auch das Atelier, richten sich nach Norden zu den Höfen und auch nach Süden zum Meer hin. Diese Ausrichtung bewirkt, dass quasi die Landschaft durch den Innenraum fließt. Zwei Schlafzimmer mit den jeweils zugehörigen Nasszellen bieten jeden Komfort, Schrankräume und Nebenräume verstecken sich unauffällig in dem rechteckigen Grundriss. Der größere der beiden Höfe hinter dem Haus bildet einen Aufenthalts- und Seminarbereich mit einer eigenen Kochstelle.
Wie selbstverständlich fügen sich Landschaft, Wasserfläche und Architektur zu einem stimmigen Ganzen. In den Sommermonaten trägt die Luft, die über die kühle Wasserfläche Richtung Haus strömt, zudem zur Kühlung der Wohnräume bei.
Aufgrund der dem Bauprozess vorhergegangenen Studien sichert eine starke Wärmedämmung, bei gleichzeitiger Nutzung von erneuerbaren Energiequellen durch eine Fotovoltaikinstallation und Solarkollektoren, die Energieeffizienz und macht die Architektur umweltfreundlich. Eine Hightech-Wärmepumpe sorgt für Warmwasser und Heizung.
Das Schwimmbecken vor dem Haus hat im Sommer immer eine kühlere Temperatur als die Luft, somit strömt über die Wasserfläche und durch die Kaminwirkung, welche die zwei Höfe hinter dem Haus hervorrufen, immer kühle Luft durch die Innenräume. Eine Abwandlung der Wasserkühlung in Verbindung mit dem Prinzip der arabischen Windtürme: clever und effizient. Die zwei Höfe schützen das Haus vor den Winden, die den Hang hinabströmen, geben natürliches Licht und sorgen für die Ventilation. Die Frontfassade, eigentlich nur eine Wand in der Landschaft, besteht aus einem Rhythmus von kleineren und größeren Glasfeldern, jeweils raumhoch und zwei davon, im Wohnbereich und im Studio, sind großflächig zu öffnen. Diese Glasflächen sind unter einem weit vorkragenden Dach (das oben natürlich auch begrünt ist) überdeckt. So kann die Schattenwirkung im Sommer zur Kühlung genutzt werden und im Winter, wenn die Sonne tiefer steht, erwärmt die Sonne durch die Glasscheiben das Haus in seinem Inneren.
Casa ECS
Scicli, Italien
Bauherr: privat
Planung: Giuseppe Gurrieri
Statik: Alessandro Infantino
Grundstücksfläche: 536 m2
Bebaute Fläche: 185 m2
Nutzfläche: 145 m2
Planungsbeginn: 07/2014
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 02/2017
Baukosten: 500.000 Euro
Fotos:©Filippo Poli
Text:©Peter Reischer
Kategorie: Projekte