Nachhaltig geformt
Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit – dafür steht das italienische Familienunternehmen Bonfiglioli. In Calderara de Reno bei Bologna realisierte das Büro Peter Pichler Architecture den neuen Bonfiglioli Hauptsitz: Das Gebäude fällt nicht nur durch seine intelligent geformte Geometrie und plissierte Aluminiumgewebe-Fassaden auf, sondern entspricht auch der nachhaltigen Firmenphilosophie.
Seit seiner Gründung 1956 entwickelt der Technologiekonzern Getriebemotoren und Antriebssysteme und gilt dabei als Vorreiter im Bereich der industriellen Automatisierung und der erneuerbaren Energien. Um seine Position als Marktführer zu stärken und weiter auszubauen und die Abläufe noch effizienter zu gestalten, stellte Bonfiglioli 2016 das EVO-Projekt vor. Dieses sollte in der Gemeinde im Norden von Bologna zum größten italienischen Standort der Gruppe werden. Außerdem ging es darum, symbolisch den Weg in eine innovative, grünere Zukunft zu weisen. Deshalb standen bei der Umsetzung von EVO vor allem zwei Dinge im Vordergrund: Die höchsten Energieeffizienz-Standards sollten erfüllt werden und die Realisierung möglichst geringe Auswirkungen auf die Umwelt haben. Auf 150.000 m2 umfasst das moderne Industriegelände heute eine große Produktionshalle, einen Forschungs- und Entwicklungstrakt sowie ein Restaurant und diverse andere Gebäude. Die Umweltbilanz des nachhaltigen Bonfilgioli-Campus kann sich sehen lassen: Neben 455 gepflanzten Bäumen und 3.000 m2 Dachgärten stellt die Nutzung der Sonne für erneuerbare Energie das Herzstück des umweltfreundlichen Konzepts dar. Photovoltaik-Module legen sich über die Mitarbeiterparkplätze und finden trotz der Bepflanzung genügend Platz auf den Gebäudedächern. Mit 3 MW-Spitzenleistung produziert die Anlage mehr Energie als am gesamten Standort verbraucht wird.
Repräsentativ finalisiert
Das neue Headquarter-Gebäude stellt mit rund 6.200 m2 Arbeitsfläche das letzte Puzzlestück auf dem Areal dar und komplettiert das EVO-Projekt. Es sollte sowohl die Geschichte als auch die Werte des Traditionsunternehmens bestmöglich zum Ausdruck bringen und so zum repräsentativen Aushängeschild werden. Peter Pichler und seinem Team gelang es, sich im Wettbewerb mit einem Entwurf mit hohem Wiedererkennungswert durchzusetzen. Die Mailänder Architekten verpackten sämtliche Anforderungen in ein funktionales Bürogebäude mit geneigtem Dach. Dank der markanten Geometrie erfüllt der Baukörper nicht nur alle Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit, sondern sticht gleichzeitig als neues Wahrzeichen deutlich hervor. Auf Niedrigstenergieniveau geplant, integriert sich das Bonfiglioli HQ als „Nearly Zero Energy Building“ (NZEB) ideal auf dem EVO-Gelände. Der Neubau verfügt über klimafreundliche Erdwärmepumpen und nutzt thermische Bauteilaktivierung zur ergänzenden Erwärmung bzw. Kühlung des Gebäudes über die Geschossdecken. Auf diese Weise minimiert man den Energieverbrauch und legt den Grundstein für ein angenehmes Raum- und Arbeitsklima.
Funktional trifft expressiv
Bei der Gestaltung orientierte man sich an den bestehenden Bauten auf dem Industriecampus und wählte eine Typologie mit Innenhof. Der zentrale Hof fungiert als geschützter Außenbereich und soll mittels Kamineffekt außerdem die natürliche Belüftung des Bürogebäudes unterstützen. Rund um eine grüne Mitte sind sämtliche Funktionen in einem schlichten, quadratischen Grundriss organisiert. Die Raffinesse zeigt sich erst im Querschnitt: Während das Bürogebäude im Süden lediglich vier Geschosse hoch ist, umfasst es in nördlicher Richtung sieben Stockwerke. Eine geneigte Dachfläche bildet den oberen Abschluss.
Design mit Mehrwert
Die expressive Form hat laut Planerteam nicht nur optische Gründe: Vielmehr reagiert man dadurch auf die Sonneneinstrahlung. An der flächenmäßig größeren Nordseite schafft man hinter den komplett verglasten Fassaden Arbeitsbereiche mit indirekter Belichtung und sorgt damit für maximalen Nutzerkomfort. Die nach Süden gewandten Ansichten sowie das Dach sind neben den Glasfronten mit einer zweiten Haut versehen. Aus plissiertem Aluminiumgewebe gefertigt, filtert die Verkleidung die direkte Sonne, schützt die Innenräume vor Überhitzung und lässt trotzdem ausreichend Tageslicht in die Office-Flächen. Die gefaltete, transluzente Gewebestruktur soll zudem die vielschichtigen Abläufe und Verzahnungen des internationalen Konzerns widerspiegeln.
Flexibel, modern & angenehm
Die Konstruktion des neuen Hauptsitzes beruht auf den massiven Geschossdecken sowie den beiden Erschließungskernen. Dank des tragenden Exoskeletts ließen sich die einzelnen Etagen stützenfrei ausführen und können in Zukunft flexibel an veränderte Nutzungsszenarien angepasst werden. Die durchdachte Raumaufteilung des Bürogebäudes orientiert sich am regelmäßigen Raster der Tragstruktur und ist auf eine einfache Zusammenarbeit und einen optimalen Workflow der unterschiedlichen Abteilungen ausgelegt. Im dritten Stock verkürzt eine Brücke quer durch den Hof die internen Wege zwischen den beiden Gebäudehälften. Ergänzend verbinden zwei skulpturale Wendeltreppen aus Stahl die Ebenen miteinander und stehen für den kreativen Fluss im Inneren. Mit Grünflächen, optimaler Tageslichtversorgung und mehreren Terrassen an der Südseite des Hauses will man das Wohlbefinden weiter steigern. So soll eine moderne Arbeitsatmosphäre entstehen, die die Produktivität der Mitarbeiter fortan nachhaltig fördert.
Zukunftsgerichtetes Statement
Mit der Bonfiglioli Firmenzentrale in Calderara di Reno geht das Technologieunternehmen mit gutem Beispiel voran und stellt die Weichen für seinen zukünftigen Erfolg. Zusätzlich demonstriert der effiziente Bürobau von Peter Pichler Architecture einmal mehr das Potenzial nachhaltiger Architektur im Industriesektor: CO2-arme, energieautarke Gebäude schaffen nicht nur qualitative Arbeitsplätze – sie setzen ein Statement.
Bonfiglioli Headquarter
Calderara de Reno, Bologna
Bauherr: Bonfiglioli
Planung: Peter Pichler Architecture
Statik & TGA: Arup
Fassadenplanung: Pichler Projects
Brandschutzplanung: ICS Ingegneria
Akustikplanung: Solarraum
Fläche: 6.200 m2
Planungsbeginn: Okt. 2021
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: Jan. 2024
Text: Edina Obermoser
Fotos: Gustav Willeit
Kategorie: Projekte