Noch mehr Kunst im Kornspeicher
Während in den Backsteingebäuden am Duisburger Innenhafen bis in die Siebziger Jahre noch Getreide lagerte, wurden diese 1999 nach einem Entwurf von Herzog & de Meuron zum Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, kurz MKM, umgenutzt. Nun realisierten die Architekten auch die Erweiterung des Kulturbaus und vergrößerten die Ausstellungsflächen außen subtil und innen modern um insgesamt 2.500 m2.
Der charakteristische Mühlenkomplex am Wasser ist geprägt von Silos, Kesselhäusern und Schornsteinen. Bis heute erinnern die historischen Backsteinfassaden der ehemaligen Produktions- und Speichergebäude an die industrielle Vergangenheit der Küppersmühle. Vor der Jahrtausendwende entwickelten Norman Foster und sein Team einen Masterplan, im Zuge dessen das gesamte Areal und die umgebenden Bauten in ein buntes Stadtquartier mit Mischnutzung umfunktioniert werden sollten. Die Pläne, die damals aus der ehemaligen Mühle ein Museum machten, stammten von Herzog & de Meuron. Mit seiner umfangreichen Sammlung deutscher und europäischer Nachkriegskunst wurde das Haus zu einem der führenden Museen im Ruhrgebiet. 2006 benötigte man schließlich zusätzliche Präsentationsflächen für die Sammlung Ströher.
Nachdem der erste Ansatz für die Erweiterung aufgrund mangelhafter Ausführung und Finanzierungsschwierigkeiten eingestellt werden musste, übernahmen Sylvia und Ulrich Ströher mit der MKM Stiftung nicht nur das Gebäude, sondern auch die Umbauarbeiten selbst. Sie wandten sich neuerlich an die Schweizer Architekten und entwickelten gemeinsam mit ihnen ein neues Konzept für die Vergrößerung des Kuppermühle Museums. Das Ergebnis ist ein subtiler Anbau, der den Bestand ergänzt und in Richtung der angrenzenden Autobahn zum neuen Abschluss des Ensembles wird. Er dockt an den charakteristischen Siloturm an und führt nicht nur die Baukante entlang des Hafenbeckens fort, sondern orientiert sich auch an Material und Maßstab der Backsteinbauten. Der neue Trakt setzt sich aus drei Teilen zusammen. Vom Wasser her zeigt er sich geschlossen, zur Straße hin werden dagegen die unterschiedlichen Höhen sichtbar. Neben zwei kubischen Baukörpern schließt der dritte – aufgrund einer Bauverbotszone – parallel zur Straße in einem spitzen Winkel ab. Davor entsteht ein Platz, der mit Bäumen bepflanzt als neuer urbaner Begegnungsraum dienen soll.
Optisch ist die Ziegelhülle des Neubaus an den einheitlichen Bestand angelehnt, wirkt aber trotzdem alles andere als monoton. Die der Autobahn zugewandte, geradlinige Front des Kopfbaus unterscheidet sich in Farbe und Material nicht vom übrigen Ensemble, offenbart aber beim genaueren Hinsehen eine außergewöhnliche Verwendung des Klinkers. Mittig gebrochene Ziegel reihen sich im Zickzack-Muster aneinander und verleihen der Fassade eine einzigartige Struktur. Dazu kommt ein prominenter Schriftzug mit dem Namen des Museums, dessen einzelne Letter ebenfalls eingemauert sind. Auch an den übrigen Ansichten lässt sich die Vielseitigkeit des Backsteins ablesen.
Im Inneren der beiden Kuben sind die Ausstellungsflächen untergebracht. Hinter der geradlinigen Fassade, die den Bau zum Vorplatz hin begrenzt, verbergen sich zwei dreiseitige Volumen. Sie beinhalten administrative Räume sowie die Erschließung. Die Geschosse des Ergänzungsbaus folgen denen des bestehenden Museums. Zwei Brücken aus Stahl durchstoßen die markanten Silos und führen die Geschosse des neuen und alten Gebäudes zusammen. Die sechs inneren Getreidedepots wurden bei den ersten, gescheiterten Erweiterungsarbeiten entfernt. Das Planerteam sorgte dafür, dass die übrigen Stahlzylinder unverändert erhalten blieben. Nun dient der Siloraum nicht nur der Verbindung und Zirkulation, sondern ist über Öffnungen gezielt in das Ausstellungskonzept integriert. Von den Stegen aus und in den angrenzenden Galeriebereichen, eröffnet sich Besuchern die gesamte Dimension der 30 m hohen Industriedenkmäler. Zwischen dem Neubau und den einstigen Getreidekammern fällt durch eine verglaste Fuge Tageslicht ins Museum. Eine Aussichtsplattform auf dem Siloturm mit Blick über die Stadt und das Ruhrgebiet wird zur neuen Attraktion.
Insgesamt 36 Ausstellungsräume verteilen sich in dem Anbau über vier Stockwerke. Sie fügen sich in das bestehende Museumskonzept ein und bieten mit unterschiedlichen Größen jede Menge zusätzlichen Platz für die Kunstsammlungen sowie flexible Nutzungsmöglichkeiten. Die als „White Cubes“ konzipierten Säle sind dezent mit schlichter Infrastruktur wie LED-Beleuchtung und Belüftung versehen und sollen sonst so wenig wie möglich von den Exponaten ablenken. Nur im obersten Stock gibt es dank eines Sheddachs einen Saal mit Oberlicht. Öffnungen in der Fassade sucht man, bis auf vereinzelte, gezielt positionierte Fensterschlitze, vergeblich. Im Treppenhaus stellen die Architekten einen Bezug zu ihrem ersten Entwurf für das Museum Küppersmühle her. Dieses gestalten sie – wie im Bestandsgebäude – als skulpturalen Erschließungsraum. Die Stiege befindet sich im kleineren der beiden keilförmigen Volumen. Dort führt sie mit ihren organischen Rundungen auf spektakuläre Art und Weise nach oben. Im Gegensatz zu den schlicht-weißen Kunstgalerien, sind hier sämtliche Oberflächen in Beton mit ziegelroter Färbung gekleidet, der so eine warme Atmosphäre schafft.
Anders als andere Projekte glänzt der neue Trakt, um den Herzog & de Meuron das Museum Küppersmühle erweiterten, nicht mit Kontrasten, sondern mit Beständigkeit. Anstatt auffälliger Gesten setzt man auf Altbewährtes und verleiht dem Kulturbau damit seinen einzigartigen Charme. Von außen wirkt es nach vierjähriger Bauzeit fast so, als hätte es das denkmalgeschützte Ensemble schon immer in dieser Zusammensetzung gegeben. Im Inneren scheint der Bau nun noch stärker mit seiner Vergangenheit verwoben. Der historische Silo wird hier neben moderner Kunstkulisse zum erlebbaren Bindeglied zwischen Alt und Neu. Kultur- und Architekturliebhaber werden in dem Duisburger Museum auch in Zukunft voll auf ihre Kosten kommen.
Erweiterung MKM Museum Küppersmühle
Duisburg, Deutschland
Bauherr: MKM Stiftung
Planung: Herzog & de Meuron
Projektleitung: Roland Schreiber
Team: Mikolaj Bazaczek, Juliane Brantner, Teodor-Octavian Cuciureanu, Florian Hartmann, Sebastian Hefti, Māra Igaune, Susanne Kozlowski, Hannah Reusser, Daniel Schürer
Statik & TGA: Drees & Sommer Advanced Building Systems
Baumanagement: Diete + Siepmann Ingenieur
Landschaftsarchitektur: Vogt Landschaftsarchitekten
Brandschutz: HHP Berlin
Handgefertigte Klinker: GIMA Girnghuber GmbH
Grundstücksfläche: 9.000 m2
Bebaute Fläche: 850 m2
Nutzfläche: 5.000 m2
Planungsbeginn: Dez. 2013
Baubeginn: Sept. 2016
Fertigstellung: Mai 2021
Text: Edina Obermoser
Fotos: Simon Menges
Kategorie: Projekte